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Analyse: Batterieverordnung animiert chinesische Hersteller von Elektroautos

Die Batterieverordnung ist Teil des Green Deal. Sie soll eine Kreislaufwirtschaft und mehr Transparenz schaffen. Die Abhängigkeit von China könnte aber bleiben.

analyse: batterieverordnung animiert chinesische hersteller von elektroautos

(Bild: BYD)

Die europäische Batterieverordnung kommt. Sie gilt ab dem 18. Februar 2024 und führt schrittweise Regelungen ein, die den Batteriemarkt nachhaltiger machen und eine Kreislaufwirtschaft unterstützen sollen. So soll auch die Abhängigkeit von chinesischen Herstellern verringert werden. Doch gerade die sehen in den neuen Regelungen eine Chance und investieren bereits stark in entsprechende Weiterentwicklungen.

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Die europäische Batterieverordnung

Die Batterieverordnung ist ein ambitioniertes Projekt. Erstmals nimmt sich der Gesetzgeber der kompletten Wertschöpfungskette und des gesamten Lebenszyklus eines Produkts an. Das reicht vom Lithiumabbau bis zum Recycling der Batterie. Der regulative Aufwand hat seine Gründe. In der angestrebten Verkehrs- und Energiewende gelten Batterien als zukünftige Schlüsselindustrie. Ausgerechnet hier ist Europa allerdings von China abhängig. Noch im Jahr 2021 ging der Europäische Rechnungshof davon aus, dass 76 Prozent der weltweiten Produktionskapazitäten auf die Volksrepublik entfallen.

McKinsey rechnet damit, dass die Nachfrage nach Lithium-Ionen-Batterien bis zum Jahr 2030 um jährlich 27 Prozent steigen wird. Das würde einem Anstieg von 700 GWh auf 4,7 TWh bedeuten. Den Markt schätzt McKinsey auf 400 Milliarden Dollar. Das betrifft allerdings nur Lithium-Ionen-Akkus. Die EU schätzt, dass die Nachfrage nach Batterien bis zum Jahr 2030 global betrachtet um das 14-fache steigen wird. 17 Prozent dieser Nachfrage würden demnach in der EU entstehen.

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Fünf Vorgaben

Darüber hinaus sei die Batterieverordnung ein Schritt hin zur angestrebten Klimaneutralität. Die neuen Regelungen “stellen sicher, dass Batterien nur ein Minimum an schädlichen Substanzen enthalten, einen geringen CO₂-Fußabdruck haben, weniger Rohstoffe benötigen und in Europa gesammelt, wiederverwendet und recycelt werden”, heißt es in der entsprechenden Aussendung der Kommission. Erreicht werden sollen diese Ziele unter anderem mit diesen fünf zentralen Vorgaben:

  • Minimierung des CO₂-Fußabdrucks: Batterien müssen zukünftig ausweisen, wie hoch ihr CO₂-Fußabdruck ist. Die entsprechenden Grenzwerte werden im Laufe der Jahre verschärft.
  • Recyclingvorgaben: Die Batterieverordnung schreibt Quoten für die Verwendung recycelter Materialien vor und verlangt eine Sammelquote von 70 Prozent für Gerätebatterien im Jahr 2030 (100 Prozent für Industrie- und Autobatterien).
  • Sozialstandards: Inverkehrbringer von Batterien müssen nachweisen, dass die verwendeten Materialien unter Einhaltung der Menschenrechte und bestimmter Sozialstandards gefördert und verarbeitet wurden.
  • Auswechselbar: Batterien müssen zukünftig austauschbar und leicht entfernbar sein. Die Lebensdauer eines Gerätes darf nicht an der Batterie hängen.
  • Transparenz: Ein sogenannter Batteriepass muss zukünftig rund 90 obligatorische Daten zu Ursprung der Materialien, Zusammensetzung und Recycling enthalten.

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Milliardeninvestitionen in Batterieindustrie

Die Hersteller aus China haben die Entwicklung besonders aufmerksam verfolgt. Schließlich ist die erwähnte Abhängigkeit der EU von Importen aus der Volksrepublik für sie ein rentables Geschäft. Eines, in dem sie einen technischen Vorsprung zu verlieren haben, sollten sie sich nicht an die geforderten Standards halten. “In Gesprächen mit den chinesischen Anbietern kommt raus, dass sie jetzt schon anfangen, sich auf die Anforderungen vorzubereiten und sie gewillt sind, sie einzuhalten. Der größte Hersteller in China hat zum Beispiel öffentlich angekündigt, dass 2025 die Produktion CO₂-neutral sein soll und 2035 die gesamte Lieferkette”, erklärt Achim Teuber. Er ist Analyst bei der Unternehmensberatung SystemIQ (sprich: ‚Systemic‘), die sich auf Nachhaltigkeit spezialisiert hat.

analyse: batterieverordnung animiert chinesische hersteller von elektroautos CATL ist Weltmarktführer bei Batterien und will das noch lange bleiben. Entsprechend groß sind die Bemühungen, die Produktion zu dekarbonisieren

(Bild: CATL)

Mit dem erwähnten Hersteller ist Contemporary Amperex Technology Co., Limited (CATL) gemeint. Ein Unternehmen, das gerade beweist, wie chinesische Hersteller schon seit Jahren auf sich verändernde Märkte reagieren. Der Batteriehersteller hat Anfang 2023 ein Werk in Thüringen eröffnet. CATL ist jetzt schon Teil der europäischen Kreislaufwirtschaft.

Auch Envision AESC, SVOLT und Gotion sind schon in Europa aktiv. Im Jahr 2022 überstiegen die sogenannten Greenfield-Investitionen aus China erstmals die Brownfield-Investitionen. Das bedeutet, es floss mehr Geld in den Aufbau eigener Unternehmen und Tochterfirmen als in Übernahmen. Insgesamt umgerechnet rund 4,5 Milliarden Euro gingen in entsprechende Projekte – das sind 57 Prozent aller chinesischen Investitionen in diesem Bereich. Einen Großteil machten besagte Batterieprojekte aus, wie das Mercator Institute for China Studies (MERICS) vorrechnet.

Diese Investitionen sind im Sinne der EU. Denn um die Vorgaben der Batterieverordnung zu erfüllen, müssten bis zum Jahr 2030 etwa 62 Milliarden Euro investiert werden, analysiert Teuber. 44 Milliarden davon entfallen auf die Zellproduktion, 12 Milliarden auf die Kathoden-Material-Produktion und 6 Milliarden bei der Anoden-Material-Produktion. “Entscheidend ist, wer die Investitionen tätigt und wer die Möglichkeiten hat, sie umzusetzen. Derzeit kommen 90 Prozent der Anoden und Kathoden aus China und 60 Prozent der Elektroautos. Für diese Unternehmen ist es natürlich interessant, hier ihre Investments zu tätigen und die Auflagen zu erfüllen.”

Anreiz für Chinas Batterieindustrie

Gerrit Bockey hat als Experte für Battery Production Technologies bei PEM Motion die Debatten in China über die Batterieverordnung hautnah mitverfolgen können. Das Unternehmen bietet Beratungs- und Ingenieursdienstleistungen in der E-Auto-Produktion an. “Grundsätzlich gab es Diskussionen darüber, ob das grüner Protektionismus sei. Aber viel stärker wurde darüber diskutiert, dass es ein Anreiz sei, sich auf dem Markt stärker zu etablieren.” Schließlich lasse sich die marktbeherrschende Stellung nur dann aufrechterhalten, wenn die Hersteller die Anforderungen des Marktes erfüllen. Und der verlangt in Zukunft nach mehr Nachhaltigkeit.

“Es gibt entlang der gesamten Wertschöpfungskette Firmen, die sich hier niederlassen, um im Rahmen der Batterieverordnung einen gewissen Vorteil beim Markteinstieg zu haben. Es ist ein Anreiz dafür, den Heimatmarkt zu verlassen und in Europa zu investieren”, folgert Bockey. Weil China frühzeitig und im großen Stil auf Elektromobilität gesetzt hat, sind auch vor- und nachgelagerte Industrien weiter. Laut Bockey sei Recycling ein anschauliches Beispiel. In Europa würden jetzt erst die Batterien der ersten Welle der BMW i3 zurückkommen. Batterien, die jetzt in Fahrzeugen stecken, kämen erst im Jahr 2030 zurück.

Batteriehersteller unter den innovativsten Unternehmen

Die Marktbeobachter von Nikkei Mobility haben die börsennotierten Zuliefererkonzerne aus China, Japan, USA und EU analysiert und die innovativsten Unternehmen gekürt. Dafür haben sie unter anderem das Wachstumspotenzial und die Forschungsausgaben ausgewertet. Auf den ersten fünf Plätzen landen drei Batteriehersteller. CATL führt das Ranking an, BYD ist auf Platz drei und Eve Energy auf Platz vier. Ein Kernpunkt ist, dass der große Durchbruch des Elektroautos in Europa noch auf sich warten lässt. Aus einem einfachen Grund: Während ein neuer Verbrenner in Deutschland aktuell durchschnittlich 31.000 Euro kostet, liegt der Preis eines E-Autos bei 42.500 Euro, rechnet die Unternehmensberatung Deloitte vor und ergänzt, dass für 31 Prozent der deutschen Konsumenten der Preis einer der wichtigsten Faktoren beim Autokauf sei.

Eines der deutschen Klimaziele ist es, bis zum Jahr 2030 insgesamt 15 Millionen Elektrofahrzeuge auf der Straße zu haben. Gegenwärtig sind es – so Deloitte – jedoch nur eine Million. Gerade chinesische Hersteller beweisen aber, dass sich auch mit kostengünstigen Elektroautos durchaus noch Gewinne erzielen lassen. Für deutsche Hersteller könnte sich deshalb ein Worst-Case-Szenario zusammenbrauen. Halten chinesische E-Autos-Hersteller ihren Technikvorsprung und bieten günstigere Modelle an, droht ein massiver Verlust von Marktanteilen. Deutsche Marken hatten bei BEV im Jahr 2022 einen Marktanteil in Deutschland von 47 Prozent. Die chinesischen Hersteller kommen auf 0,11 Prozent. Deloitte glaubt, dass chinesische Marken ihren Anteil am Kuchen bis zum Jahr 2030 auf bis zu 18 Prozent erhöhen könnten, wenn sie es schaffen, einen Kostenvorteil von 2000 Euro pro Batterie herzustellen.

Herausforderungen der Batterieverordnung

Neben der Konkurrenz aus China haben europäische Hersteller natürlich auch mit der Batterieverordnung selbst zu kämpfen. “Schaut man sich die Batterieverordnung im Detail an, entstehen die Hürden vor allem beim Thema der Traceability. Es ist die erste Rechtsvorschrift, die einen gesamten Lebenszyklus und die gesamte Kreislaufwirtschaft abdeckt. Und das muss erst einmal gemonitored werden”, so Bockey.

Das bedeutet, es müssen entsprechend ausgebildete Experten dafür sorgen, dass die Hersteller die Angaben über den CO₂-Fußabdruck und den Batteriepass verstehen, einhalten und nachweisen können. Teuber ist da zumindest skeptisch. “Die Frage ist, ob es passende Systeme in der Wertschöpfungskette gibt – und den Willen, die Daten auch zu teilen. Gibt es die Möglichkeiten, die benötigten Studien zum CO₂-Fußabdruck durchzuführen und die Prozesse EU-konform anzupassen?” Das Kostenargument lässt er allerdings nicht zählen. “Die EU-Kommission hat Berechnungen zum administrativen Aufwand durchgeführt und der dürfte sehr gering sein. Wenn, dann scheitert es eher daran, die benötigten Kapazitäten und Expertise zur Umsetzung der Anforderungen zu finden.” Die angesprochenen Berechnungen belaufen sich auf 2000 bis 12.000 Euro pro Batterie-Baureihe.

Kein grüner Protektionismus

Dazu kommt das Problem der Massenanwendung. Sowohl bei der Produktion als auch beim Recycling. “Technologisch ist man gut aufgestellt. Die Frage ist nur, ob man diese Technologien derart skalieren kann, dass sie in Einklang mit Natur und Mensch sind”, so Teuber. Wohl auch wegen der Herausforderungen, vor denen der europäische Batteriesektor steht, hat sich auch in der chinesischen Industrie die Erkenntnis durchgesetzt, dass es sich bei der Batterieverordnung eher nicht um den erwähnten grünen Protektionismus handelt. “Insgesamt ist die Idee der Batterieverordnung, im Kontext des EU Green Deals, nachhaltige Geschäftsmodelle aufzubauen und diese zu incentivieren, um im globalen Wettbewerb nicht ins Hintertreffen zu geraten”, meint Teuber. In China dürften sie es ähnlich sehen.

(mfz)

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