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Aufgeladen: Alpitronic über Ladesäulen und das Geschäft damit​

Wie hat Alpitronic es geschafft, dass überall deren Ladesäulen stehen? Wir sprechen mit CEO und Gründer Philipp Senoner über Technik und Ökonomie.​

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(Bild: Alpitronic)

Alpitronics “Hypercharger”-Ladesäulen hat wahrscheinlich jeder E-Auto-Fahrer auf Langstrecke schon einmal gesehen: Die markanten Geräte mit den Lamellen stehen auf den meisten Rastplätzen, mit Logos der EnBW versehen, sie stehen vor dem Aldi in Aldi-Farben, sie stehen blau auf Aral-Tankstellen. Alpitronics Ladesäulengeschäft hat sich von einer kleinen Idee zum Hauptgeschäft der Firma entwickelt. Wir sprechen mit Gründer und CEO Philipp Senoner am Bozner Firmensitz über die Gründe für die Verbreitung, die Technik und die Zukunftsaussichten.

Anzeige aufgeladen: alpitronic über ladesäulen und das geschäft damit​ Philipp Senoner ist amtierender Geschäftsführer und Mitgründer von Alpitronic.

Gleich zu Anfang: Warum sind Alpitronics Hypercharger so verbreitet?

Wir haben 2018 angefangen, und damals gab es noch sehr viele unzuverlässige Ladestationen. Da setzten wir an, wir machten die Stationen attraktiv für Betreiber, indem sie sehr zuverlässig arbeiten. Sie haben aber noch weitere Vorteile. Sie bieten etwa hohe Leistungen als All-in-one-Geräte an, während andere Lösungen mit einer großen zentralen Leistungseinheit und separaten Verteilern arbeiten. Das senkt die Installationskosten und macht unsere Produkte daher von den Gesamtkosten günstig.

Mir gefällt auch die Endbenutzer-Erfahrung mit den soliden Mikroschaltern am Bildschirm und der magnetischen Befestigung der Stecker.

Das ist nicht magnetisch. Da zieht eine Feder den Stecker über Federbolzen in seine Halteposition.

Ach so! Aber zurück zu den Kosten: Damit die Betriebskosten passen, müssen die Verluste möglichst gering sein. Wie erreichen Sie eine hohe Effizienz?

Wir erreichen mit Leistungselektronik auf Siliziumbasis heute eine Effizienz von 93 bis 94 Prozent. Die nächste Generation der Leistungselektronik wird auf Siliziumcarbid (SiC) setzen, weil das die Verluste halbiert. Dann sprechen wir also von bis zu 97,5 Prozent Effizienz. SiC kommt auch langsam in der Leistungselektronik der E-Autos, weil die Spannungen der Hochvolt-Systeme auf 800 bis 1000 Volt steigen werden, und in diesem Bereich generieren Siliziumhalbleiter viel mehr (Wärme-)Verluste als Halbleiter auf Siliziumkarbidbasis. Unsere neue Generation von Ladesäulen leistet 400 kW. Die Ladestationen kosten zwar mehr, leisten aber auch mehr. Beim Preis pro kW erreichen wir damit Kostenparität zu Silizium. SiC ist bisher rar, aber nicht, weil die Rohstoffe rar wären, sondern weil die Produktionskapazitäten unter der Nachfrage liegen. Hier wird es also mittelfristig erhebliche Kostensenkungen geben, sodass SiC-Leistungselektronik die wirtschaftlichere Technik sein wird.

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Und die Kabelkühlung sorgt auch für mehr Effizienz?

Nein, eine Kabelkühlung sorgt sogar für mehr Verluste als ein einfaches Kupferkabel. Das einfache Kupferkabel ist effizienter. Die Kabelkühlung gibt es aus anderen Gründen. Ein Kabel mit Kühlung ist zum Beispiel wesentlich leichter und flexibler, weil wir dann mit geringeren Kupferquerschnitten arbeiten können. Das gekühlte Kabel kann jedoch auch in Extremsituationen die Leistung zuverlässiger länger halten. Der heißeste Punkt der Energieübertragung liegt im Stecker. Dort messen wir die Temperatur, und wenn es dort zu heiß wird, senken wir die Ladeleistung. Beim gekühlten Kabel fließt das Kühlmittel kalt vor bis zum Stecker und von dort aus am Kabel entlang zurück. Dieses System ermöglicht somit höhere Dauerleistungen am Stecker, während eine Station mit einem reinen Kupferkabel die Leistung reduzieren muss, wenn der Stecker zu warm wird. Zusammen mit seinem Benutzungsvorteil durch die leichteren Kabel wiegt das die etwas geringere Effizienz der Kühlung auf, je nach Einsatzszenario.

aufgeladen: alpitronic über ladesäulen und das geschäft damit​ Die große Ladestation HYC300 links mit 2x CCS, rechts bestückt mit 2x CCS, 1x Chademo und 1x Typ-2-Stecker für Wechselstromladen

Als Kühlmittel kommt ein einfaches Glykol-Wasser-Gemisch zum Einsatz, wie es sich milliardenfach in der Technik bewährt hat. Da Wasser leitet, muss es getrennt von den Leitern laufen. Die etwas effizientere Alternative wäre Öl, weil das direkt die Leiter umspülen kann. Das hört sich zunächst gut an, aber Öl ist die komplexere Technik. Sie braucht höhere Drücke und peniblere Wartung, weil die Kühlöle über die Zeit dann doch leitend werden können. Deshalb bleiben wir bei der bewährten Glykol-Lösung.

Was sind denn diese “Power Stacks”, die in der Montageanleitung stehen?

Die modularen Power Stacks enthalten unsere komplette Leistungselektronik, das ist unsere Kernkompetenz. Ein Stack auf Basis der alten Silizium-Technologie leistet 75 kW, man kann bis zu vier Stück in eine HYC300-Ladesäule bauen, ergibt 300 kW. In die schmaleren Gehäuse (HYC150) passen zwei. In der neuen SiC-Technologie wird ein Stack 100 kW leisten, dann kommen vier Stück auf die erwähnten 400 kW. Die Stacks werden für höhere Leistungen parallelgeschaltet. Wenn also ein Auto 150 kW anfordert, liefern zwei Stacks den Strom. Der Betreiber kann das Verhalten der Ladesäule dann einstellen: Soll der Erste, der ansteckt, solange so viel Strom bekommen, wie er verlangt? Oder soll möglichst gleichmäßig verteilt werden? In der vorigen Generation können wir den Anschlüssen nur jeweils ganze Power Stacks zuweisen. In der neuen Generation können wir die verfügbare Leistung in 50-kW-Schritten über die Kabel verteilen.

aufgeladen: alpitronic über ladesäulen und das geschäft damit​ Die “Power Stacks” enthalten die gesamte Leistungselektronik. Sie lassen sich modular aus- und aufrüsten und enthalten Alpitronics Kernkompetenzen.

Könnte man dann die neuen SiC-Stacks in ein bestehendes Gehäuse nachrüsten?

Ja, man kann die neuen Power Stacks nachrüsten, aber die leisten dann in einer Ladestation der Vorgängergeneration trotzdem nur bis 75 kW. Das liegt an den restlichen Bauteilen, die ja auf die bisherige Leistung ausgelegt sind. Aufrüstungen (auch später mit den effizienteren SiC-Teilen) sind dennoch interessant, weil die Verluste deutlich reduziert werden.

Wie sind die Ladestationen angeschlossen?

Alle unsere Ladestationen sind über den Wechselstrom des Niederspannungsnetzes angeschlossen. Für einen Ladepark kommt dann üblicherweise ein eigener Trafo zum Einsatz, der Mittelspannung auf Niederspannung transformiert. Da Trafos recht teuer sind, legt man deren Anschlussleistung üblicherweise auf etwa das 0,6-fache der aufaddierten Leistung aller Ladestationen aus, das ist der sogenannte Lastfaktor. Das macht man, weil ja fast nie die gesamte Leistung abgefragt wird. Das heißt aber auch, dass die vorhandene Leistung bei hoher Auslastung gemanagt werden muss. Das machen dann entweder Lastmanagement-Systeme am Standort oder es passiert über den offenen Standard OCCP von Ferne aus der Server-Cloud der Betreiber.

Wie lange hält so eine Ladestation?

Wir rechnen da in Zyklen, nicht in Jahren, weil die Haltbarkeit wie beim Auto auch von der Nutzung abhängt. Unsere Leistungselektronik ist auf 70.000 Volllastzyklen ausgelegt. Das können dann sehr viele Jahre sein oder nur wenige, je nach Nutzung. In Holland etwa gibt es eine Rekord-Station, die in einem Jahr über 22.600 Ladevorgänge abgeschlossen hat, das sind im Schnitt 62 pro Tag! Nun entspricht nicht jeder Ladevorgang einem Volllastzyklus, aber diese Station wird natürlich schneller verschleißen als eine, die die in Deutschland durchschnittlichen vier Ladevorgänge pro Tag abschließt.

Die Alterung entsteht hauptsächlich aufgrund von thermomechanischem Stress. Wir haben verschiedene Materialien mit unterschiedlichen Dehnungskoeffizienten, die eng miteinander verbunden sind. Die arbeiten sich über ihre Zyklen dann mechanisch aneinander ab. Wir wissen über diesen Prozess gut Bescheid, weil wir ein eigenes Prüflabor betreiben, in der auch Fremdhersteller Dienstleistungen buchen – eins der wenigen Überbleibsel aus Alpitronics Zeiten als diverserer Zulieferer der Autoindustrie.

aufgeladen: alpitronic über ladesäulen und das geschäft damit​ Ein Arbeiter im Werk Bozen prüft die Elektronik. Alpitronics Prüflabor steht als Dienstleistung auch anderen Herstellern zur Verfügung.

Kann man denn mittlerweile mit dem Betrieb von Ladestationen Geld verdienen?

Mittlerweile schon, es ist aber ein langatmiges Geschäft. Den schnellen Euro holt hier niemand. Sie können sich die Preise der Ladestationen im Internet ja ansehen. Dann kommt noch einmal mindestens derselbe Betrag drauf für die Baukosten. Dann müssen Sie oft Pacht bezahlen an die Besitzer der Rasthöfe, Supermarkt-Parkplätze oder Tankstellen. Hier ist die Auslastung der Säulen der Schlüssel zur Wirtschaftlichkeit. Die deutsche Regierung rechnet ja mit 15 Millionen Elektroautos in Deutschland bis 2030, das wären 30 Prozent des Bestands, wenn wir davon ausgehen, dass der Bestand in etwa so bleibt wie heute. Das ist eine wahrscheinlich zu optimistische Rechnung, deshalb rechnen wir eher mit um die 12 Prozent des Bestands bis 2030. Dabei werden weiterhin 75 bis 85 Prozent des Stroms zu Hause geladen. Mit diesen Eckpunkten kann Alpitronic profitabel arbeiten.

aufgeladen: alpitronic über ladesäulen und das geschäft damit​ Neues Produkt: HYC50, ein 50-kW-DC-Lader mit kompakten Maßen (auch) zur Wandmontage. Auch der HYC50 soll durch Zuverlässigkeit und günstige Gesamtkosten überzeugen, vor allem in Hotels, auf Supermarkt-Parkplätzen und ähnlichen Einsatz-Szenarien.

Der Markt vergrößert sich aber auch für die Betreiber, und er wächst exponentiell: Wir haben von 2018 bis Mitte 2020 gebraucht, um eine Million Ladevorgänge zu erreichen. Eine Million Ladevorgänge schaffen wir aktuell in zwei Wochen. Wir erwarten zudem eine starke Wanderung der vorherrschenden Antriebstechnologie im (Schwer-)Lastsektor hin zu E-Antrieben. Es war kein Zufall, dass der Mercedes eActros auf seiner Erprobungsfahrt nach Bozen fuhr.

Hintergrund

Selbst im Fernverkehr zeichnet sich ab, dass die Batterie günstiger wird als die Brennstoffzelle plus eine weitere Infrastruktur, nämlich die für Wasserstoff. Die Lenkzeitenvorgaben für LKW eignen sich sehr gut für Nachladepausen: nach 4,5 Stunden Fahrt eine Pause von 45 Minuten – das passt sehr gut. Alleine die Erhöhung der deutschen Maut hat e-Lkw in der Gesamtkostenbetrachtung wesentlich attraktiver gemacht, weil sie im neuen Mautklassensystem wesentlich günstiger wegkommen. Es ist natürlich auch klar, dass die Fahrzeuge billiger werden müssen: Der zwei- bis dreifache Preis für eine Zugmaschine, das wird nicht funktionieren. Aber hier tut sich viel.

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(cgl)

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