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Plug-in Hybride: Die Rückkehr der Teilzeitstromer

Die Zeit der Plug-in Hybride schien abgelaufen. Nun erfreut sich der teilelektrische Antrieb wieder großer Beliebtheit. Nicht nur in China.

Auf der Auto China 2024 in Peking glaubten viele Messebesucher in der vergangenen Woche ihren Augen kaum zu trauen. In den feucht-heißen Messehallen gab es kaum einen Stand, kaum einen Autohersteller, der kein neues wiederaufladbares Hybridauto präsentierte. Viele zeigten nicht einen oder zwei, sondern gleich mehrere Zeilzeitstromer – in unterschiedlichen Ausführungen, unter verschiedenen Marken und mit unterschiedlichen elektrischen Reichweiten.

Wer bislang der Meinung war, dass die neue Generation von Plug-in-Hybriden (PHEV) mit 100 Kilometern Reichweite wie der VW Tiguan eHybrid oder der Mercedes E300 e mehr oder minder das Maximum darstellt, sah sich mit Blick auf den wichtigsten Automarkt der Welt getäuscht. 100 Kilometern Reichweite sind hier eher das Minimum.

Der (auch in Deutschland zu Preisen ab knapp 60.000 Euro erhältliche) SUV Wey 05 von Great Wall Motor (GWM) kann dank einer 41,8 kWh großen Lithium-Ionen-Batterie bereits bis zu 158 Kilomerter weit stromern ohne nachzuladen. Der kleinere Wey 03 schafft immerhin schon 139 Kilometer. Und der ehemalige Mercedes-Motorenchef Gerhard Henning, der inzwischen bei GWM als Chefingenieur für die Antriebsentwicklung verantwortlich ist, arbeitet mit seinem Team bereits an einem Teilzeitstromer mit bis zu 300 Kilometern Reichweite.

plug-in hybride: die rückkehr der teilzeitstromer

Wey 05 Ein Vierzylinder-Turbomotor mit zwei Litern Hubraum und 150 kW Leistung ist hier mit zwei, 120 und 135 kW starken Elektromotoren gekoppelt. Das Ergebnis ist ein 350 kW starkes Kraftpaket, das 158 Kilometer elektrisch fährt. Foto: GWM

Der Stellantis-Konzern stellte in den vergangenen Monaten immer mehr Hybridversionen seiner Modelle vor. Opel vom Corsa, vom Astra und auch vom Grandland. Dreizylinder-Turbomotoren mit 74 kW oder 100 kW Leistung sind bei den „Elektro-Einsteigern“ mit einem 15 kW starken Elektromotor sowie einem 890 Wattstunden fassenden Mini-Akku gekoppelt, um Anfahrschwächen zu überbrücken und Bremsenergie rückgewinnen zu können. Elektrisch fährt man mit einem solchen Mildhybrid nur wenige Kilometer. Extern aufladen kann man dessen Akku auch nicht, womit sämtliche Steuervorteile entfallen.

Reichweiten von über 1000 Kilometer

In China ließe sich so etwas nicht absetzen – hier braucht es schon größere Kaliber. Auch weil der Hybridantrieb nicht in erster Linie der Umwelt, sondern dem Fahrspaß dient, wie Wey-Cheftechniker Henning erläutert. Die Elektrifizierung diene in erster Linie nicht der Senkung des Spritverbrauchs, sondern der Verbesserung der Performance. GWM koppelt deshalb beim allradgetriebenen Power-PHEV Wey 05 einen Vierzylinder-Turbomotor mit zwei Litern Hubraum und 150 kW Leistung mit zwei, 120 und 135 kW starken Elektromotoren. Das Ergebnis ist eine Systemleistung von 350 kW oder 476 PS, die den SUV in fünf Sekunden auf Tempo 100 bringt und sich bei vollem Akku mit einem Energieverbrauch von 24,4 kWh Strom und 0,4 Litern Benzin auf 100 Kilometer Fahrstrecke begnügt.

plug-in hybride: die rückkehr der teilzeitstromer

VW Tiguan eHybrid Der Kompakt-SUV wird auch in China gebaut, sogar in einer Langversion. Aber als Plug-in Hybrid wird er dort vorerst noch nicht angeboten: Mit der aktuellen elektrischen Reichweite von 100 Kilometern wäre er dort chancenlos. Foto: Volkswagen

Bei einem Tankvolumen von 55 Litern sind somit Reichweiten von weit über 1000 Kilometer im Hybridmodus möglich – oder tagelange Pendelfahrten durch die Stadt im Elektromodus. Die neue Oberklasse-Limousine EZ-6 kommt als PHEV über 1000 Kilometer weit – in der rein batteriegetriebenen Version sind es maximal 600 Kilometer.

BYD verkauft 50 Prozent der Autos als Plug-in Hybrid

Durchschnittlich 30 Prozent der Neuzulassungen in China entfallen mittlerweile auf Plug-in Hybride – genauso viele wie auf rein elektrisch oder benzingetriebene Pkw. Wie sich die Relation in Zukunft entwickelt, sei derzeit nicht abzusehen, sagt Henning. Bei manchen chinesischen Herstellern liegt der Anteil der Plug-in-Hybriden an den Verkäufen auf dem Heimatmarkt bei 30, 40 oder – wie bei BYD – gar schon 50 Prozent. Auch weil der Verkauf der Teilzeitstromer den Herstellern deutlich mehr Spaß macht als der von reinen Batterieautos. Henning: „Mit den reinen Stromern fährt auch hier noch keine Gewinne ein – mit Plug-in Hybriden sehr wohl.“

plug-in hybride: die rückkehr der teilzeitstromer

Für die Autohersteller im Westen ist dieser China-Trend ein echtes Problem – sie haben den heimischen Anbietern auf dem weltgrößten Automarkt wenig bis gar nichts entgegenzusetzen, während BYD beispielsweise fast jedes zweite Modell mit Hybridantrieb verkauft. Hinzu kommt: In Europa waren die Teilzeitstromer fast schon abgeschrieben. Denn hier wurden die Kaufprämien fast überall gestrichen, sind die steuerlichen Vorteile zumindest reduziert worden. In Deutschland profitieren lediglich Nutzer von Dienstwagen von der aufwendigen Technik, weil der zu versteuernde geldwerte Vorteil für die private Nutzung des Autos nur 0,5 Prozent des Bruttolistenpreises beträgt – bei einem Benziner wird jeden Monat ein Prozent fällig.

Interesse an PHEVs steigt auch in Europa wieder

Trotzdem gibt es auch hierzulande so etwas wie eine (kleine) Renaissance der Autos mit Hybridantrieb. Während die Neuzulassungen von Batterieautos in Deutschland seit Jahresbeginn um über 14 Prozent zurückgegangen sind (im März sogar um fast 30 Prozent), stiegen die Neuzulassungen der Teilzeitstromer mit Stecker um fast 20 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal, die von Hybridautos ohne Stecker um über 11 Prozent. Und auch Europa verzeichnet ein deutliches Plus bei den Neuzulassungen von Hybridautos, allein im März um 12,6 Prozent. In Frankreich wuchs der Absatz der Teilzeitstromer fast um 30 Prozent. Wie es scheint, hat das Antriebskonzept zumindest als Übergangslösung noch nicht ausgedient: Bei einer repräsentativen Umfrage von mm customer strategy im Auftrag von Volkswagen bekundeten 53 Prozent der Befragten Interesse an einem elektrizierten Auto. Ein reines Batterieauto aber würden derzeit nur 17 Prozent kaufen. Ein Plug-in Hybrid mehr als doppelt so viele Menschen.

(Mitwirkung: Stefan Grundhoff)

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