Elon Musk hat angekündigt, alles Material zum 1. Tesla Roadster als Open Source zu veröffentlichen. Wie so oft bleibt von der Ankündigung wenig übrig.
Ein Tesla Roadster der späteren Baureihen bei der E-Miglia 2012
(Bild: E-Miglia)
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Was gibt es da?
Auf der Übersichtsseite verlinkt Tesla einiges an Material zu den alten Roadster-Modellen. Außer den schon vorher verfügbaren Benutzerhandbüchern gibt es nun auch ausführlichere Werkstatthandbücher, die sehr nützlich für alle sind, die die seltenen (unter 2500 Stück wurden ausgeliefert) Fahrzeuge am Leben halten wollen. Die Werkstattbücher sehen aus wie die Werkstattbücher der anderen Tesla-Modelle: Eine hierarchische HTML-Struktur führt durch die Themen. Beim Roadster enden leider einige Detail-Klicks im 404-Nirvana, doch das vorhandene Material ist dennoch für die weitaus meisten Wartungs- und Reparaturarbeiten verwendbar.
Unter den Dokumenten auch die “Theory of Operation”, also die theoretische Funktionsbeschreibung von Fahrzeug und Batterie. Ebenso wichtig für die Wartung: schematische Anschluss-Schaltpläne für den Kabelbaum, wie sie eigentlich in jedes Fahrzeughandbuch gehören (alte Elektrikermeinung). Wahrscheinlich weniger wichtig: Teilelisten. Darin steht bei Ersatzteilen meist “on demand”, aber hält Tesla wirklich noch Ersatzteile für die wenigen Roadster bereit, die noch fahren? Sagen Sie es mir.
(Bild: Tesla)
Wesentlich interessanter, weil detaillierter, sind die “Disclosed Research and Development Documents”. Dort finden sich komplette funktionale Schaltpläne für die Batteriesteuerung, das Infotainment-System und die Klimaanlagensteuerung. Leider findet sich dort keinerlei Software, ob mit oder ohne Open-Source-Lizenzmodell. Der Link zur Diagnostik-Software führt zu Github, wo Tesla das fertig kompilierte ISO-File der letzten Version hinterlegt hat, nebst PDF-Anleitungen zur Installation. Code gibt es nicht zu sehen. Dazu kommt, dass diese detaillierteren Schaltpläne zu den Prototypen gehören. Wie viel davon es in welche Baureihen der Produktions-Roadster geschafft hat, müssen Roadster-Freunde erst noch ergründen.
Kann ich damit ein Auto bauen?
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Prominentestes Loch: Hat Tesla wirklich keine eigene Motorsteuerung gemacht? Für einen neuen Antrieb auf Li-Ion-Basis? Schreiben Sie mir gern, wenn Sie mehr wissen, aber bis zum Beleg eines Gegenteils gehe ich mal davon aus, dass Tesla zwar eine Motorsteuerung entwickelt hat, die aber nicht veröffentlicht, genauso wie allen anderen Code und die meisten technischen Zeichnungen. Man muss auch Zugeständnisse daran machen, wie es damals bei Tesla zuging: Nämlich noch deutlich chaotischer als selbst heute, weil die Firma ja noch klein war und ganz am Anfang stand. Vieles wurde einfach mal zusammengestiefelt und ging sicherlich im schnellen Wachstum verloren.
Aus Textersicht verständlich: Es fehlt immer irgendwo ein Komma (oder ein “A”). Aus Codersicht enttäuschend: Es fehlt leider der gesamte Quellcode. Tesla bietet nur die letzte Version der Diagnose-Software als Image an.
Wozu ist das dann gut?
Die Hauptfunktion des Daten-Dumps dürfte wie so oft bei Tesla PR sein: Das überall fest etablierte Nachrichtenressort “was Elon Musk gesagt hat” schreibt enthusiastisch vom neuen Coup – Erfolg. Dieser PR-Wert übersteigt den Aufwand, das gesammelte alte Material mit allen kaputten Links online zu stellen, bei Weitem. Aus heutiger Sicht sind Teslas Roadster-Baudaten praktisch wertlos für andere Fahrzeughersteller oder Start-ups. Sonst würde man sie nicht einfach so veröffentlichen.
Die Fehler, die Tesla damals machen musste mit dem Auto-Erstlingswerk, mit dem Einstieg in eine für sie neue Industrie, mit allen Startup-Wehen, mit allen technischen Learnings zu Lithium-Ionen-Batterien in Fahrzeugen, die sind heute schlicht nicht mehr relevant. Start-ups heute können einen fertigen, hochintegrierten E-Antrieb als E-Achse bei mehreren Herstellern einfach zukaufen, genauso wie alle anderen Funktionsteile inklusive der Batterie, und sie können für kleine Serien einfach eine Fabrik zur Fertigung mieten, zum Beispiel die von Magna. Warum sollen sie da ein uraltes E-Auto-Design nachbauen, das mit über 100 W Standby-Stromverbrauch seine eigene Batterie in kurzer Zeit schrottet?
Tesla Roadster auf Bergpass. Diese Autos wurden sehr selten gebaut und noch seltener fahren sie heute noch. Sie sind ein Stück Fahrzeugkultur und als solches bewahrenswert. Dabei helfen Teslas Wartungsdaten.
Aus historischer Sicht sind diese Daten jedoch wertvoll, weil sie einen Einblick geben in ein Stück Fahrzeuggeschichte. Aus der erhaltungshistorischen Sicht der Fahrzeug-Szene sind die vielfältigen Wartungsdaten ebenfalls Gold wert, weil sie helfen, die seltenen verbliebenen Roadster auf der Straße zu halten. Der Roadster hat deshalb einen besonderen historischen Wert, weil er auf der kleinen Startup-Skala zeigt, welche Dinge für Li-Ion-Batterien als Energieträger für Autos ausprobiert wurden, aber verworfen werden mussten (z. B. Bordnetz ohne 12-V-Pufferbatterie wie in den ersten Baureihen des Roadster) und welche Dinge sich als richtige Idee entpuppten (z. B. Thermomanagement mit flüssigem Wärmeträger). Um diese historischen Lehren zu ziehen, brauchen Sie als wahrscheinlich zu fast 100 Prozent Roadster-Reparatur-Laien allerdings weder Schaltpläne noch Werkstattbücher.
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(cgl)