Es wäre so schön: Das E-Auto bezieht während der Autobahnfahrt Strom, solange man als Fahrer eben durchhält – ohne Grenzen des Akkus. Wo bleibt die Technik?
Ein Kleinwagen und ein Bus fahren eine Teststrecke entlang und werden dabei induktiv mit Strom versorgt.
(Bild: Electreon)
Wenn jemandem das Problem der deutlich geringeren Energiedichte bei Akkus im Vergleich zum Tank bewusst wird, kristalliert sich häufig eine charakterabhängige Wunschlösung heraus. Für viele Tank-Verwöhnte hieß sie: Wasserstoff. Für mich hieß sie: induktive Stromversorgung auf Fahrstreifen. Beiden Ideen ist gemein, dass sie nie so richtig aufdrehen konnten, und bei beiden hat das den gleichen Grund, den ich unter Vermeidung aller Internetartikel-Sollmansomachens gleich am Anfang verrate: Beide Lösungen sind zu teuer bei zu wenigen Vorteilen gegenüber den günstigeren Alternativen. Mehr dazu dann aber tatsächlich gegen Ende des Textes.
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Start mit Vollgas
Diese Projekte schliefen wieder ein, beziehungsweise: Sie schafften die nächsten Schritte vom proof-of-concept in die echte Welt nicht. Statt Fraunhofers induktiven 200-Sachen-Fahrspuren erhielt Siemens den Zuschlag für die “E-Highways”, bei denen LKW Stromabnehmer wie bei Eisenbahn-Triebwagen oder bei elektrischen Oberleitungs-Stadtbussen aufgesetzt wurden. Die Ergebnisse waren durchwachsen, das ganze Projekt eher ein Artefakt der Förderlandschaft als eine wirkliche Alternative zum stationären Aufladen mit Steckern. Das größte Problem der E-Highways bleibt, dass der Strom nur für LKW zur Verfügung steht. Induktive Fahrbahnen dagegen könnten auch Lieferwagen und PKW versorgen. So ein Projekt an der Autobahn fand jedoch bisher nicht den Weg ins Fördergeldparadies, auch wenn Ansätze gelingen könnten. Auch die Briten kennzeichneten 2017 still und leise ihre Projektseiten mit dem Hinweis “zurückgezogen” und “Dieser Artikel ist nicht mehr aktuell”. Stattdessen baut Highways England nun Schnellladeparks mit Steckern.
Urbane Neustartversuche
Die Firma Electreon mischt bei der Mehrzahl der Projekte induktiver Fahrspuren mit. Sie hat ein modulares System entwickelt und bietet Gesamtpakete an: Charging as a Service
(Bild: Electreon / Stadtwerke Balingen)
2020 spülte es induktive Fahrspurprojekte wieder in die Presseverteiler. Ein prominenter Hersteller hatte sich in der Mehrzahl davon durchgesetzt: der israelische Hersteller Electreon. Dessen Angebot umfasst stationäres Laden beim Parken und dynamisches Laden während der Fahrt und schnürt auf Wunsche auch gleich ein Komplettpaket eines induktiven Systems, bei dem nur noch monatliche Gebühren entrichtet werden. Alles vom Bau bis zur Abrechnung erledigt die Firma (Charging as a Service). Electreons Technik besteht aus fertigen, in Serie produzierbaren Modulen, um die Kosten zu senken. Die Spulen werden unter dem Asphalt verlegt, am Straßenrand stehen dann nur noch in regelmäßigen Abständen Verteilerkästen für die Stromversorgung. Electreon hat die Technik so gestaltet, dass sie möglichst einfach ausgerollt werden kann. Die Spulenmodule etwa sind fest vergossen und liegen aneinander. Bei der Verlegung kann parallel das Stromversorgungskabel vom selben LKW abgerollt werden.
Anzeige Verlegung der Spulenmodule unter dem Asphalt auf dem EnBW-Werksgelände.
Ein Empfangsmodul zieht bei Electreon 35 kW. Das reicht für einen PKW auf der Autobahn, wenn auch bei 130 km/h der Großteil der Leistung für die Aufrechterhaltung der Geschwindigkeit gegen den Windwiderstand draufgeht. Bei größeren Fahrzeugen wie LKW oder Busse kommen mehrere Empfängerspulen zum Einsatz, üblicherweise sind es drei Stück mit demzufolge 105 kW Bruttoleistung. Der baden-württembergische Energieversorger EnBW testete das System 2020 zunächst mit einem eigenen Bus, der vom Werksgelände zu den Linien des öffentlichen Nahverkehrs fährt. Ab 2023 kamen öffentliche Verkehrslinien in Balingen dazu, zuerst das Bus-Shuttle zur Gartenschau, Ende 2023 begann der Linienverkehr in der Stadt. Allen diesen Fällen ist gemein, dass die Induktionsstrecke aus Kostengründen nur so lange gebaut wird, wie zum Betrieb der Linienstrecke nötig. Die drei induktiven Fahrbahnen in Balingen sind zwischen 100 und 500 m lang, dazu kommt eine Lademöglichkeit an der Haltestelle Stadthalle. Die Stadt Balingen erhofft sich vom Projekt ein “innovativeres Image”, eine “Aufwertung der innerstädtischen Freibereiche” und einen Beitrag zu den vorgegebenen Dekarbonisierungsmaßnahmen.
Zwei Buslinien in Balingen wurden/werden teilweise induktiv elektrifiziert. Die Ladespuren müssen dabei so lang sein, dass der Bus über den Tag kommt. Im Hintergrund einer der nötigen Verteilerkästen.
Das Unendlichauto kommt nicht
Wie so oft ist also die Technik nicht das Problem. Es wäre möglich, Fahrzeuge auf der Autobahn induktiv mit Strom zu versorgen, sodass ein E-Auto auf solchen Strecken beliebig weit fahren kann. Die Pausen wären dann wie bei einem großen Dieseltank eher menschlich bedingt. Es zählt aber wie immer nicht, was technisch möglich ist, sondern was wir bezahlen und was wir für diese Kosten erhalten. Der zusätzliche Komfort der Energieversorgung während der Fahrt dürfte jedem klar sein. Die Kosten dafür liegen jedoch vergleichsweise hoch. Es gibt ein Beispielprojekt in Detroit, bei dem Electreon-Spulen verlegt wurden. Die öffentliche Hand beteiligte sich mit 1,9 Millionen US-Dollar am Projekt. Die Strecke war eine Meile lang, also rund 1,6 km. Macht rund 1,2 Millionen Dollar oder 1,1 Millionen Euro pro Kilometer. Dazu kommt der nicht kommuniziert private Investitionsteil. Dazu kommen die Empfängereinheiten in Autos, die 750 bis 1000 Euro Mehrkosten pro Stück montiert ausmachen.
Der Streckenabschnitt 2 in Balingen im Bau aus der Vogelperspektive. Die Spuren sind nur so lange, wie sie zum Betrieb der Buslinie sein müssen. Trotzdem stellt sich die Kosten-Nutzen-Frage.
(Bild: EnBW / Stadtwerke Balingen)
Verantwortliche aus Politik und Wirtschaft signieren eine Electreon-Spule zum Start des Betriebs in Detroit, vor dem elektrischen Demo-Lieferwagen. Die öffentliche Hand schoss knapp 2 Millionen Dollar zu für eine Meile Induktion.
(Bild: Michigan Department of Transportation)
Fraunhofer erstellte schon 2009 eine Studie zum Thema, deren Prognose sich als korrekt erwiesen hat:
Zur Ladung von Elektrofahrzeugen ist aus wirtschaftlicher Sicht aufgrund deutlicher Mehrkosten gegenüber der konduktiven Ladung vorläufig keine flächendeckende Durchsetzung der induktiven Technik zu erwarten. Prinzipiell kann sich unter bestimmten Voraussetzungen aber eine regional gebundene Nischenanwendung ergeben.
Das kann man weitere 15 Jahre so stehen lassen.
(cgl)