Polestar

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Spaßmobil: unterwegs im Polestar 2 LR Dual Motor mit Performance-Paket (Update)

spaßmobil: unterwegs im polestar 2 lr dual motor mit performance-paket (update)

Bildschöne Sportlimousine: der Polestar 2 mit Performance-Paket.

Elektrolimousinen sind gar nicht mehr so rar. Da gibt es die Stromer von Tesla, die Luxusstromer von Mercedes-Benz, BMW und den günstigen aber eingestellten Hyundai Ioniq. Für den kommt demnächst der IONIQ 6, der mit der bestens eingeführten 400/800 Volt-Architektur der absolute Schnelllade-Überflieger sein wird. Und dann sind da noch die Porsches und Audis mit Preisen weit jenseits der 130.000-Euro-Schallmauer, wenn man auf Performance und Luxus steht. Und demnächst streben BYD, NIO und Xpeng auf den deutschen Markt. Viel Konkurrenz für der Polestar 2.

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Android automotive: die Responsivität des Betriebssystems ist so gut wie bei den neuesten Smartphones. Google-Navigation (Maps) weist auch die Restladung bei Zielankunft aus.

Ein Betriebssystem der Spitzenklasse

Den Polestar 2 konnten wir bei Einführung 2020 bereits in der AWD-Version mit 408 PS für einen Nachmittag lang testen. Die Limousine war das erste Fahrzeug, das mit Googles Betriebssystem Android Automotive ausgestattet war. Schon damals zeigte sich, dass diese Entscheidung weitsichtig war. Warum selbst mit viel Aufwand und wenig Erfahrung ein schlechteres OS entwickeln, wenn man ein hervorragendes von der Stange kaufen kann? Ganz so einfach ist das freilich nicht, denn natürlich hat Polestar das OS an seine Bedürfnisse angepasst. Die Spracheingabe funktioniert übrigens prächtig.

Nun, zwei Jahre später, ist das OS wie guter Wein gereift. Die Responsivität ist auf modernem Smartphone-Niveau, die Funktionen intuitiv erfassbar, die Einstellungsmöglichkeiten auf der ersten Ebene übersichtlich. Natürlich kann man tiefer im Menü noch zahlreiche Anpassungen vornehmen, die es anfänglich noch nicht gab. Soll der Aussenspiegel beim Rückwärtsfahren nach unten drehen, soll das Auto, wenn man von der Bremse geht kriechen oder nicht. Für jede wichtige Einstellung gibt es nachvollziebare Individualisierungsparameter. One-Pedal-Fahren beherrscht der P2 ohnehin. Und selbst die Apple-Afficionados können endlich CarPlay benutzen – Wermutstropfen: leider nur mit Kabel. Das wird der kommende Polestar 3 bereits drahtlos anbieten.

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Hochwertige harman/kardon-Anlage, „goldene“ Applikationen. Der „Performance-P2“ demonstriert seine Leistung auch nach draussen …

Verarbeitungsqualität und Ausstattung

Natürlich war der Testwagen mit allem ausgestattet, was die Optionsliste so hergibt. Die Farbe „Snow“ kostet 1.200 Euro Aufpreis, und neben dem Performance-Paket, das dem Wagen 350 kW (476 PS) Leistung spendiert, war das Pilot Lite-Paket und das Plus-Paket inbegriffen. Das wars auch schon. Für diese 66.725 Euro vor Subventionen bekommt man Verarbeitungsqualität auf „Mercedes-Niveau“, ein typisch nordisch-kühles aber klares Innendesign, hochwertige Materialien und Features wie 360° Kamera, Querverkehrswarner, harman/kardon Premium-Sound-System, Panorama-Glasdach und natürlich ein dynamisches Fahrwerk mit geschmiedeten 20-Zoll-Leichtmetallrädern. Die goldenen Sicherheitsgurte und Brembo-Bremsbacken fanden wir nicht so prickelnd, aber irgendwie muss das Marketing ja ein Unterscheidungsmerkmal nach aussen tragen. Natürlich verfügt der P2 über eine Wärmepumpe.

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Nicht alle Ladesäulen sind gleich. Die EnBW im Westen von München machte nur knappe 95 kW in der Spitze**. Bei 80% sinkt die Ladeleistung wie üblich rasant. Eine andere EnBW-Säule in Bad Wörishofen kam zumindest anfänglich über 100 kW. Verbrauch: rund 22,5 kWh sind für die sportliche Bewegung akzeptabel.

Laden und Stromverbrauch

Die Batterie hat eine nutzbare Kapazität von 75 kWh, das Laden mit AC geht maximal mit 11 kW und entspricht so dem Klassenstandard. Beim DC-Laden merkt man dass der P2 noch „Elektroavantgarde“ für das Unternehmen war. Rund 150 kW in der Spitze sind zwar nicht langsam, aber verglichen mit den moderneren Limousinen am unteren Ende der Skala. Zudem hält der P2 die hohe Ladeleistung nicht lange durch. Die Ladekurve fällt schnell ab**, was wir bei den Schnellladern von EnBW beobachten konnten. Man muss also durchaus Zeit einplanen, wenn man von 10 auf 80% Zwischenladen möchte. Da sind 40 Minuten an manchen Stellen fast untertrieben.

Der Testverbrauch lag bei 22,4 kWh/100 km. Dabei muss man einräumen, dass wir den P2 artgerecht bewegt haben. Wir fuhren auf der Autobahn grundsätzlich 130 – 140 km/h und in limitierten Zonen immer so, wie man das üblicherweise tut, also nicht Strich, sondern ein „bißchen“ schneller. Kurzzeitig gaben wir auch mal Gas und beschleunigten, wenn es die Verkehrsverhältnisse zuliessen, auf rund 190 km/h. Auf der Landstraße hingegen gaben wir dem P2 die Sporen, natürlich innerhalb der gesetzlichen Vorgaben.

e-engine Normrunde

Die Normrunde fuhren wir wie immer sportlich. Die Kurvenhatz mit dem Polestar macht richtig Laune, die Sicherheitsreserven sind hoch, der Motor hängt, wie das bei Stromern so üblich ist, bestens am Gaspedal. Da kommt hin und wieder sogar Sportwagen-Feeling auf, wenngleich man einräumen muss, dass man das Gewicht durchaus spürt. Die rund 2,2 Tonnen lassen sich halt nicht wegdividieren. Bei der „Rüttelstrecke“ blieb der P2 erstaunlich komfortabel, im Vergleich sogar komfortabler als ein Tesla Model Y Performance. Auf der Normrunde verbrauchte der P2 21,3 kWh auf 100 km, bei einer Außentemperatur von 16°C. Das ist nicht wirklich sparsam, aber auch nicht wirklich viel. Bei zurückhaltender Fahrweise wären sicher um die 20 kWh drin. Da zeigt sich das einzige Manko des Stromers. Deutlich unter 20 kWh dürfte man den P2 kaum bringen.

Der Polestar 2 ist also kein ausgesprochen sparsames Elektroauto. Das muss er in unseren Augen auch nicht sein, denn die sportlichen Gene des Wagens wollen „fair behandelt“ werden. Klar, ein Tesla Model 3 Performance dürfte hier effizienter unterwegs sein, aber bereits der EQE 300 (RWD) von Mercedes-Benz liegt hier bei Strich 120 km/h bereits fast auf diesem Niveau.

Apropos Spritverbrauch: Wer zu Hause und mit Unterstützung einer Photovoltaik-Anlage laden kann, der ist fein heraus. Dann kosten die 100 km gerade mal um die 5 Euro. Wer das nicht kann und weitgehend die Schnelllader der einschlägigen Anbieter frequentiert, der zahlt mithin mehr als 15 Euro für 100 km. Das ist den hohen Strompreisen geschuldet. Eine der Autobahn-Strecken fuhren wir zum Vergleich mit einem großen Diesel (Jaguar XF II). Der brauchte da 5,7 Liter Sprit laut Bordcomputer. Lassen wir es 6 Liter sein. Selbst bei den exorbitanten Preisen derzeit, also 2,20 Euro pro Liter, fährt die große Verbrennerlimousine die selbe Distanz für weniger Geld. Unserer Meinung nach bremsen die hohen Strompreise hierzulande den Hochlauf der Elektromobilität regelrecht aus.

Die Schattenseiten

Gabs auch Schattenseiten? Leider ja, auch wenn das „Jammern auf hohem Niveau“ ist. Beim Laden und beim „Anlassen“ des Fahrzeugs hört man ein venehmliches Brummen aus dem Vorderwagen. Polestar meint, dass es sich hier um die Wärmepumpe oder Klimatisierung der Batterie handele. Das glauben wir auch, zumal das Brummen auch beim Laden vernehmlich zu hören ist.

Apple CarPlay ist mit an Bord, aber leider kabelgebunden. Das ist schade, denn ständig geht das Verbindungskabel in der Mittelkonsole im Weg herum und stört das „nordische Design“. Nicht sehr einsichtig, zumal der Testwagen auch induktives Smartphone-Laden beherrschte. Möglicherweise gibt es dazu eines Tages ein OTA-Update.

spaßmobil: unterwegs im polestar 2 lr dual motor mit performance-paket (update)

Die Karte hinter dem Lenkrad verschwand zwei Mal nach Durchfahren eine Tunnels. Offenbar „hing“ die Umschaltung von Nacht- auf Tagmodus …

Software-Glitches

Aber das sind Petitessen. Am nervigsten war allerdings ein zweimaliger Ausfall der Navigation, wenn man durch ein Tunnel fuhr. Ja, Sie haben richtig gehört. Hinter dem Lenkrad kann man sich Google-Maps mit Navigation einblenden lassen. Das ist dann ganz praktisch, wenn man auf dem Touchscreen in der Mitte CarPlay laufen hat. Das Tolle: Google-Maps gibt bei Navigationseingabe die Restladung an, mit der man am Bestimmungsort ankommt. Die Berechnung ist, so haben wir in dieser Testwoche festgestellt, tatsächlich sehr präzise. Fährt man nun mit aktivierten CarPlay durch ein Tunnel, schalten die Displays wie vorgesehen auf Nachtmodus um. In diesen zwei Fällen schaltete das Display hinter dem Lenkrad nicht mehr richtig auf Tagmodus zurück, mit dem Ergebnis, dass die Karte mit der Navigation gar nicht mehr zu sehen war. Übrig blieb im wahrsten Sinne des Wortes ein schwarzes Loch. Ein Abschalten von CarPlay und Verwenden der Google-Maps auf dem Konsolenbildschirm zeigte, dass die Navigation zudem gelöscht war. Erst ein „Neustart“ des Fahrzeugs brachte die Karte hinter dem Lenkrad zurück.

Fazit

spaßmobil: unterwegs im polestar 2 lr dual motor mit performance-paket (update)Der Polestar 2 in der Performance-Ausstattung ist ein tolles Auto, das wir nur widerwillig wieder abgegeben haben. Auch wenn er nicht so effizient wie andere Stromer ist, hat der Wagen seine Qualitäten. Kleine Abstriche gibts nur beim Verbrauch, die Software-Bugs sollten beim nächsten OTA-Update passé sein. Beim ersten Test des Polestar 2 vergaben wir 4 Sterne. Schon damals sprachen wir von einer „4 Plus“. Für einen weiteren „halben Stern“ hats nicht gereicht. Diesmal bekommt der P2 wegen des hohen Spaßfaktors den halben Stern zusätzlich zugesprochen.

Man kann das Performance-Paket übrigens auch nachträglich kostenpflichtig herunterladen, sollte sich dann aber im Klaren darüber sein, dass man die Zulassungsdaten bei den Behörden dann anpassen lassen muss!

Bericht: Bernd Maier-Leppla
Fotos: Bernd Maier-Leppla/Polestar

** Update: Erläuterung zur Ladekurve oben: ein Leser wies uns (in ziemlich unverschämtem Tonfall) darauf hin, dass die Ladeleistung wegen eines parallel verlaufenden Ladevorgangs ja reduziert war (siehe Foto der Ladekurve). Tatsächlich ludt der Polestar die ersten 20 Minuten alleine, weil ein großer Verbrenner-Lieferwagen die zweite Ladebucht blockierte. Zumindest anfänglich hätte dann die Ladeleistung weit höher sein müssen, zumal die Säule theoretische 170 kW anbot. Sie blieb trotzdem selbst bei einem anfänglichen Ladestand von 28% deutlich unter 100 kW. Das kann natürlich auch an der Ladesäule gelegen haben, das wollen wir überhaupt nicht ausschliessen. Erst in den letzten 10 Minuten sank die Kurve etwas deutlicher, als ein VW ID.3 mit an der Ladesäule stand.

spaßmobil: unterwegs im polestar 2 lr dual motor mit performance-paket (update)

Bei weniger als 30% Ladung sollte die Leistung über 100 kW gehen. Dem war, zumindest an dieser EnBW-Säule in München nicht so.

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