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Polestar 2: die Alternative

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Polestar 2: Die erste ernstzunehmende Alternative, wenn’s um Elektrolimousinen geht.

München, Mittwoch 22. Juli, 8:30. Wir bekommen eine Einführung von Alex Han, Head of Sales Fleet & Business bei Polestar. Trotz Maske spüren wir, wie Han den „Spirit“ des jungen Unternehmens in Reinkultur verkörpert. Seine Erklärungen zur Bedienung und den „Eigenheiten“ des ersten Vollstromers des jungen Joint-Ventures von Volvo und Geely sind kurz, präzise und voller Enthusiasmus. Vor allem der Enthusiasmus steckt uns sofort an, denn das ganze Team des Unternehmens, das hier in München zur Präsentation vor Ort ist, glüht förmlich für den Wagen. Zurecht?

polestar 2: die alternative

Der Polestar 2-Arbeitplatz: Großer Touchscreen in der Mittelkonsole, intelligentes Dashboard hinter dem Lenkrad.

Form und Funktion

Das erste was uns auffällt ist die Größe des Wagens. Wir hatten uns den Zwo ein „bißchen“ kleiner Vorgestellt. Tatsächlich sieht der Stromer wuchtiger aus als ein Tesla Model 3. Kunststück. Auch das Gewicht des Fahrzeugs liegt mit etwas über 2,1 Tonnen deftig über dem des Konkurrenten aus Kalifornien (rund 1.900 kg). Augenfällig ist die klare Linienführung innen wie außen, das „skandinaivische“ Design ist eben etwas ganz besonderes.

Das Interieur des Fahrzeugs macht einen sehr hochwertigen Eindruck, ist auf Augenhöhe mit Mercedes und Audi. Damit endet auch die einzige Ähnlichkeit zu den deutschen Premiummarken. Das Cockpit ist zwar opulenter als das spartanische Pad von Teslas Model 3, gefällt uns aber wegen der intelligenteren Bedienung besser. Gut. Über Geschmack lässt sich nicht streiten.

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Das Infotainment zeigt, wie einfach Touchscreen-Menüführungen sein können. Große klare Darstellungen, keine Rätsel, clevere und intuitive Menüführung. Wer ein Smartphone bedienen kann, hat mit dem Polestar 2 keine Probleme.

Infotainment der Spitzenklasse

Natürlich hat der Zwo alles an Bord, was man erwarten könnte. Das Display in der Mitte hat ein klares Layout, das UI-Design ist vorbildlich, die Touch-Buttons sind groß und können sicher gedrückt werden, selbst wenn man mit höheren Geschwindigkeiten unterwegs ist und nur kurz darauf blicken kann. Die Bedienlogik hat Google-Niveau. Ah. Ist auch kein Wunder, denn der Zwo ist der erste Stromer, der das Autobetriebssystem des US-Softwareriesen benutzt. Und das ist gut so. Wo man bei anderen Premiummarken alles mehrfach und ÜBERDEUTLICH a.u.s.s.p.r.e.c.h.e.n muss, damit die Sprachfunktion überhaupt weiss was man will, funktioniert hier Googles Sprachassistenz wie erwartet nahezu perfekt. Wir haben uns sogar einen Witz erzählen lassen (OK Google, erzähl mir einen Witz!). Der hatte zwar Kalauerformat, aber was soll’s.

Google Sparchassistenz funktioniert perfekt

Auf der Autobahn mal eben Navigationsdaten eingeben? Kein Problem. „Google navigiere mich in die Hagenbacher Straße 45A“ erkennt das System auf’s erste Mal. Und dann führt die „weltbeste“ Navigation unter Einbeziehung aller Verkehrsverhältnisse sicher zum Ziel. Und die Sitzheizung für kühle Winternächte muss man auch nicht suchen. „Google, schalte die Sitzheizung auf der Fahrerseite an“ genügt völlig. Ja, wir sind in der Tat begeistert. Das Infotainmentsystem wartet mit den üblichen Verdächtigen auf und Spotify ist ideal um die richtige Musikuntermalung zu bekommen. Natürlich können vom Google Play-Store weitere Apps heruntergeladen werden. Bis nächstes Jahr sind die iPhoniker noch aussen vor, dann läuft auch Apple Car Play im Zwo. Per OTA-Update geladen, versteht sich.

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Wohltuende Simplifizierung, selbst wenn die Anzeige komplexer wird.

Cockpit mit Kartenfunktion

Auch der Monitor hinter dem (natürlich verstellbaren) Lenkrad (das beheizbar ist) ist kinderleicht über ein paar Tasten zu bedienen. Will man’s spartanisch, etwas opulenter oder soll gleich noch eine Kartendarstellung in 3D eingeblendet werden. Im Gegensatz zu der überbordenen Audi-Darstellung hebt sich die Google-Anzeige hier wohltuend ab. Alles recht fein gemacht.

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Stauraum vorne und hinten. Der „Kofferraum“ ist etwas klein, die zweite Lage zerklüftet. Gute Idee aus dem Hause Volvo: die Klappe die verhindert, dass kleinere Lasten umherfliegen …

Frunk und Trunk

Vorne gibt’s einen kleinen Frunk, der ist zwar nicht so gigantisch bei bei Tesla, bietet aber Platz für die wichtigsten Ladekabel (die serienmäßig dabei sind) und für ein Pannenset. Das ist clever, denn dann kommt man im Fall des Falles ohne Ausladearie an die wichtigen Utensilien: Tirefit, Kompressor und Abschlepp-Öse (wobei Abschleppen bei Stromern keine gute Idee ist!).

Der Kofferraum hat eine schöne große Heckklappe. Platzmäßig nicht unbedingt üppig, weil man den doppelten Boden eingeplant hat. Nimmt man die erste Lage weg, kommt drunter nochmals ein leider für Koffer nicht zu nutzender Stauraum zum Vorschein. Ein vierköpfige Familie dürfte bei den Kofferraumabmessungen ein bißchen in Prioritätsprobleme laufen. Für einen mittleren Golfbag ist Platz, ein großer Golfbag verlangt das Umklappen der Rückbank.

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e-engine-Normrunde mit dem Polestar 2: Unterwegs mit der ersten echten Elektro-Limousinen-Alternative

Die Normrunde

Bis auf einige Petitessen gefällt uns der Polestar 2 ausgesprochen gut, nun muss er beweisen, dass auch die Fahreigenschaften korellieren. Dazu begeben wir uns auf die e-engine-Normrunde. Um volle Vergleichbarkeit zu behalten, fahren wir erst mal zum üblichen Startpunkt bei der Redaktion. Der liegt rund 17 Kilometer von der Lokalität der Präsentation entfernt. Mit einem kurzen Stück über die A99. Und da sehen wir bereits bei Tempo 130 einen Stromverbrauch, der um die 23 kWh liegt. Sollte der Zwo womöglich wieder so ein Stromfresser sein? Mal sehen.

Die erste Hälfte der Normrunde

Daten auf Null gestellt und auf geht’s. Raus aus der Stadt, auf die A99, dann über eine Baustelle bei der A96 in Richtung Ausfahrt Starnberg/Gilching. Der Stromverbrauch bleibt bei harten 22 kWh. Das kann ja heiter werden. Apropos heiter: die Außentemperatur beträgt 23°C und die Klimanlage steht auf 22°C. Es geht nach der Autobahn auf die Landstrasse mit kurzen Kurven. Der Wagen liegt, gemessen am Gewicht, gut in der Kurve, auch kurze Richtungswechsel machen Spaß. Dennoch: die 2,1 Tonnen sind spürbar. Ein Tesla Model 3 auf derselben Strecke fühlt sich spürbar leichtfüßiger an.

Schlechte Straßen sind kein Problem

Es folgen Straßen mit üblem und rissigem Belag. Kein Problem für den Zwo. Der Verbrauch bleibt bei flotter Fahrt um die 21 kWh. Es folgen topografische Spärenzchen. Es geht auf, es geht ab, die Rekuperation wird das erste Mal heftiger in Anspruch genommen. Wir haben den Wagen auf Ein-Pedal-Fahren eingestellt. Ein echtes Bremsen ist nicht notwendig. Vom „Gas“ gehen reicht völlig aus. Toll. Und plötzlich sinkt der Verbrauch stetig. Ob wir noch eine 1 zu sehen bekommen? Ja. Am Ende kommen wir mit 19,3 kWh in der Redaktion an. Das ist ziemlich genau der Wert, den Polestar als „gewichteten Energieverbrauch“ angibt.

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Auf den Punkt: der Polestar 2 benötigte genau 19,3 kWh auf 100 Kilometer bei der e-engine.de Normrunde.

Technische Daten

Zwei Elektromotoren AC synchron, Permanentmagnet Valeo-Siemens/AWD
Leistung 2 x 150 kW (insgesamt 408 PS Spitzenleistung)
Drehmoment 660 Nm
Energieverbrauch (gewichtet) 19,3 kWh/100 km
Testverbrauch (e-engine-Normrunde) 19,3 kWh/100 km
Batterie (Brutto/Netto) 78 kWh/76 kWh
Laden AC bis zu 11 kW (1- oder 3-phasig)
Laden DC bis zu 150 kW (40 Minuten 0–80%)
Spurt 0–100 km/h 4,7 Sekunden
Top-Speed 205 km
Maße (L x B x H) 4.606 x 1.985 x 1.479 mm (inklusive Aussenspiegel)
Staufach vorne/Kofferraumvolumen/Ladevolumen 35 Liter/405 Liter/1.095 Liter bei umgeklappten Sitzen
Gewicht 2.135 kg

polestar 2: die alternativee-engine meint: der Polestar 2 ist ein tolles Auto mit kleinen Fehlerchen. Die Architektur ist keine reine Skateboard-Architektur, man teilt sich vieles mit dem kommenden Volvo XC-40. Zum Beispiel den „Kardantunnel“, der unter der Rücksitzbank verläuft. Der Platz wird für zusätzliche Batteriezellen verwendet. Der Stauraum im Kofferraum könnte größer sein. Dafür sind die Fahrerassistenzsysteme auf Klassenniveau, die Serienausstattung ist üppig. Von der 360° Rundumkamera über elektrische Heckklappe bis zur Verkehrszeichenerkennung und adaptiven Geschwindigkeitsregelung ist alles an Bord, was man sich vorstellen kann. Das Panoramadach mit dem“Polestar“ ist auch ein nettes Gimmick.

Der Testwagen kostet 58.902 Euro bereits abzüglich Umweltprämie und Mehrwertsteuersenkung, jedoch ohne Berücksichtigung der angekündigten Zuschüsse aus dem Konjunkturpaket. Der Grundpreis für den Zwo beginnt bei 53.540 Euro und sinkt bis auf 48.540 Euro nach Abzug der Innovationsprämie. Wir finden, dass der Stromer eine hervorragende Alternative darstellt. Zwar ist der Energieverbrauch etwas höher als beim Tesla Model 3, die Verarbeitungsqualität und das Gesamtpaket machen den Stromer aber zu einem echten Highlight. Wir vergeben 4 von 5 möglichen Punkten. Eigentlich hätte der Zwo eine 4 Plus verdient. Der 5. Stern scheitert ausschliesslich am höheren Energieverbrauch.

Fotos: Polestar, Bernd-Maier-Leppla, e-engine

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