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Verkauft VW absichtlich wenig Elektroautos? Experten kontern Bericht der Wirtschaftswoche

verkauft vw absichtlich wenig elektroautos? experten kontern bericht der wirtschaftswoche

VW verkauft angeblich absichtlich weniger Elektroautos, weil sie keine Gewinne bringen.

2021 ging die Bundesregierung mit einem äußerst ambitionierten Ziel an den Start: Bis 2030 sollen in Zuge der von der Ampel forcierten Mobilitätswende insgesamt 15 Millionen Elektroautos auf deutschen Straßen fahren. In den vergangenen Monaten gerät dieser Plan jedoch immer mehr außer Sichtweite.

Laut Daten des Kraftfahrt-Bundesamts ist die Nachfrage nach E-Autos im ersten Halbjahr 2024 um 16,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr eingebrochen. Die Zahl aller Elektroautos in Deutschland liegt mit rund 1,4 Millionen Fahrzeugen noch deutlich hinter dem anvisierten 15-Millionen-Ziel der Ampel. Als Gründe für die Flaute bei der Nachfrage werden häufig der Wegfall der Kaufprämie durch Wirtschaftsminister Robert Habeck, hohe Strompreise, die Sorge einer unzureichenden Ladeinfrastruktur oder technische Mängel wie beispielsweise bei der Software von VW angegeben. Die Wirtschaftswoche (WiWo) berichtet jetzt allerdings, dass die Hersteller selbst ein Interesse daran haben, wenig Elektroautos zu verkaufen – und das absichtlich tun.

Ein VW-Manager hat demnach der WiWo bestätigt, dass Verbrenner derzeit rentabler seien als E-Autos. Daher würde Volkswagen bis zu den neuen, strengeren CO₂-Vorgaben der EU 2025 noch „pro Kasse, kontra Klimaschutz“ entscheiden. Haben deutsche Hersteller tatsächlich kein wirtschaftliches Interesse daran, Elektroautos zu verkaufen? Wir haben bei der VW-Zentrale in Wolfsburg und Experten nachgefragt.

VW und Co. kurbelten derzeit den Absatz von Dieseln und Verbrennern an, weil sie damit deutlich mehr Geld verdienen würden als mit Elektroautos, heißt es im WiWo-Bericht. Mit dieser Strategie verspreche sich beispielsweise VW größere Chancen, seine Sparziele einzuhalten, die der Konzern für das laufende Jahr zu verfehlen droht, wie das Handelsblatt berichtet.

Angesprochen auf die vermeintliche Verbrenner-Strategie betont VW, dass der Hersteller weiterhin fest davon überzeugt sei, dass der Elektromobilität die Zukunft gehöre, weswegen die Antriebswende entschlossen vorangetrieben werde. „Im Zeitraum 2024 bis 2028 investiert die Volkswagen Group global rund 120 Milliarden Euro“, erklärt ein VW-Sprecher gegenüber der Berliner Zeitung.

Die vermeintliche Elektroflaute in Europa sei vor allem eine deutsche Flaute. Ohne Deutschland hätte VW in Europa im ersten Quartal 2024 neun Prozent mehr Elektroautos verkauft als im Vorjahr. Mit Deutschland seien es lediglich 3,9 Prozent. Das Marktumfeld sei derzeit herausfordernd, gesteht der VW-Sprecher. Trotzdem werde man die Elektrifizierung der Flotte in den kommenden Jahren weiter vorantreiben. Setzt VW also wirklich absichtlich auf Verbrenner? Oder hat der Konzern einfach keine andere Wahl?

Der Autoexperte Wulf Schlachter kritisiert, dass deutsche Autohersteller durch ihr „mangelndes Commitment“ teilweise mitverantwortlich für den schleppenden Ausbau der Elektromobilität seien. Allerdings trage die „Politik einen Großteil der Verantwortung bei diesem Thema“, sagt der Gründer von DXBe Management, einer Firma im Bereich Aufbau und Betrieb von Ladeinfrastruktur, auf Anfrage. „Wir könnten schon viel weiter sein auf dem Weg zum Null-Emission-Ziel.“ Dass die Autohersteller wieder mehr auf Verbrenner setzen würden, sei kein Geheimnis. Allerdings betont Schlachter: „Die höheren Gewinnmargen dienen vornehmlich der Transformation des Unternehmens in Richtung E-Mobilität.“

Frank Schwope, Dozent für Automobilwirtschaft an der Fachhochschule des Mittelstands (FHM) Hannover, bestätigt, dass Elektroautos momentan bei weitem nicht die Rendite erzielten, die mit Verbrennern zu erzielen sei. „Es liegt in der Natur der Dinge, den Gewinn zu maximieren und damit den Verbrenner so lange zu melken, wie es geht“, so der Experte. Es sei verständlich, dass die Hersteller so handeln. Es gebe jedoch bereits jetzt ein durchaus umfangreiches Angebot an Elektroautos, bei dem sich der Verbraucher bedienen könne. Schwope ist sich außerdem sicher, dass das Angebot durch die verschärften Schadstoffwerte der EU ab 2025 „spürbar anziehen wird“.

Durch den derzeitigen Mix aus E-Autos und Verbrennern halten die deutschen Hersteller die aktuellen Grenzwerte der EU ein. Teilweise unterbieten sie diese sogar. Nur deswegen ist es VW überhaupt möglich, mehr auf Verbrenner zu setzen. Ein wesentlicher Grund, warum Elektroautos sich für deutsche Hersteller in diesem Jahr weniger lohnen als Verbrenner, ist aus Sicht von Ferdinand Dudenhöffer der Wegfall der Kaufprämie Ende 2023. „Robert Habeck hat den Hochlauf der Elektromobilität zerstört“, sagt der Autoexperte auf Anfrage. Wenn man im Fußball einer Bundesliga-Mannschaft den Heimvorteil raube, bringe man sie in akute Abstiegsgefahr.

Durch den Einbruch der Nachfrage hätte sich Deutschland keine Produktionsvorteile wie beispielsweise China erarbeiten können. Die Chinesen seien mit ihren Kostenstrukturen deutlich besser. In Deutschland seien Fix- und Entwicklungskosten hoch. „Die Rendite bei Elektroautos ist schlecht“, betont Dudenhöffer. Den Herstellern gehe es eher darum, den Verlust, den Elektroautos erzeugten, überschaubar zu halten. Auf die Frage, ob die deutschen Autobauer mitverantwortlich am schleppenden Ausbau der E-Mobilität sind, sagt er eindeutig: „Absolut nein! Der Schwarze Peter liegt zu 100 Prozent bei Habeck, den konservativen Politikern und der EU.“

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