- Automobilbranche drohen Milliardenstrafen
- Millionen Arbeitsplätze bedroht – Hoffnung auf Notfallartikel
- Umweltschützer sind empört: „Ein Armutszeugnis“
- Autoindustrie einer der größten Arbeitgeber
Der europäischen Autoindustrie droht ein massiver Jobverlust imago images/Ralph Sondermann
Krisenstimmung in der Autoindustrie: Ein internes Papier aus der Branche warnt vor massivem Jobabbau und Milliardenstrafen. Grund ist die bevorstehende Verschärfung der EU-Klimavorgaben.
Hintergrund sind die sogenannten Flottengrenzwerte. Diese legen einen Grenzwert für den CO2-Ausstoß von Autos fest. Im Durchschnitt aller in der EU in einem Jahr zugelassenen Fahrzeuge darf dieser nicht überschritten werden. Derzeit liegt dieser Wert bei 115.1 Gramm CO2 pro Kilometer, pro Fahrzeug – gemessen anhand des sogenannten WLTP-Testverfahrens. Er soll 2025 auf 93,6 Gramm und 2030 auf 49,5 Gramm sinken. Für zu viel ausgestoßenes CO2 müssen Hersteller Strafe zahlen.
Der europäische Automobilverband Acea teilte auf Anfrage mit, das Papier sei dem Verband bekannt. Acea betont, es sei kein offizielles Papier des Lobbyverbandes. Nach dpa-Informationen ist das Schreiben authentisch und kursiert innerhalb der europäischen Automobilbranche. Zuvor hatte auch der Finanzdienstleister Bloomberg über das interne Papier berichtet.
Automobilbranche drohen Milliardenstrafen
„Es gibt keine reinen Verbrennungsmotoren, die weniger als 95,6 g CO2/km ausstoßen“, heißt es darin. Auch kaum ein Hybrid – also ein Auto, das sowohl einen Elektromotor mit Akku als auch einen Verbrennungsmotor hat – schaffe es, den Grenzwert einzuhalten. Da aber ein Durchschnittswert gebildet wird, können Hersteller beispielsweise durch die Zulassung von Elektroautos theoretisch trotzdem unter dem Grenzwert bleiben.
Daher könnten Strafzahlungen in Höhe von 13 Milliarden Euro allein für den Verkauf von Pkw bevorstehen. Hinzu kämen drei Milliarden Euro Strafe für leichte Nutzfahrzeuge wie Transporter. Diese haben zwar andere Grenzwerte, fallen aber ebenfalls unter das Gesetz. Für die ohnehin schon angeschlagene Autoindustrie ist das eine weitere Belastung.
Millionen Arbeitsplätze bedroht – Hoffnung auf Notfallartikel
Das Papier nennt als Möglichkeit, den Strafen zu entgehen, die Produktion und der Verkauf von mehr als zwei Millionen Autos mit Verbrennungsmotoren könnte eingestellt werden. Das entspreche der Leistung von acht Fabriken. Damit verbunden wäre der Verlust von Millionen Arbeitsplätzen.
Damit es nicht so weit kommt, wird vorgeschlagen, einen Notfallartikel zu nutzen, der schon bei Corona zum Einsatz kam. Nach der im Papier vertretenen Auffassung könne die EU-Kommission so die Einführung schärferer Vorgaben um zwei Jahre verschieben. Jüngst hatte auch VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch eine Verschiebung gefordert. Der deutsche Auto-Lobbyverband VDA drängt darauf, dass früher als vorgesehen überprüft wird, ob die EU-Vorgaben machbar sind.
Umweltschützer sind empört: „Ein Armutszeugnis“
Der in dem Papier bemühte Artikel sei für wirkliche Notfälle wie Corona oder den Ukraine-Krieg gedacht. „EU und Bundesregierung dürfen nicht zulassen, dass der Klimaschutz dem Managementversagen einiger Autokonzerne zum Opfer fällt“, so Bock.
Für Marion Tiemann von Greenpeace ist es „ein Armutszeugnis, wenn VWs Chefaufseher kurz vor knapp mehr Zeit beim Klimaschutz fordert.“ Die Flottengrenzwerte seien vor mehr als fünf Jahren beschlossen worden, der Konzern habe reichlich Zeit gehabt, sich anzupassen. „Das Jammern über angeblich zu strenge Grenzwerte kann die fehlende langfristige Strategie nicht verdecken.“
Autoindustrie einer der größten Arbeitgeber
Nach Branchenangaben arbeiten im europäischen Automobilsektor allein in der Herstellung knapp drei Millionen Menschen. Rechnet man alle Tätigkeiten aus dem Umfeld der Autobranche wie etwa den Verkauf von Fahrzeugen hinzu, sind es laut Acea rund 13 Millionen Menschen.
Von Von Marek Majewsky, dpa