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Auto-Experte Dudenhöffer zur VW-Krise: Baunatal hat einen großen Nachteil

Kritik am VW-Gesetz

Auto-Experte Dudenhöffer zur VW-Krise: Baunatal hat einen großen Nachteil

auto-experte dudenhöffer zur vw-krise: baunatal hat einen großen nachteil

Die Folgen einer Schließung des Baunataler VW-Werks wären groß: Experte Ferdinand Dudenhöffer schätzt, dass die Region 10 bis 15 Jahre leiden müsste.

Für die Krise bei VW macht Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer vor allem die Politik verantwortlich. Im Interview erklärt er auch, was der Nachteil des Werks in Baunatal ist.

Baunatal – Ferdinand Dudenhöffer ist Deutschlands gefragtester Auto-Experte, aber kein Auto-Fan, wie er einmal sagte: „Ich verstehe nicht viel von ihnen und interessiere mich nicht wirklich für sie.“ Die Meinung des Wirtschaftswissenschaftlers zur Lage der Autoindustrie ist trotzdem gefragt, weil er gut analysieren kann. Hier erklärt der 73-Jährige, warum VW in der Krise steckt und wieso man sich gerade auch in Baunatal Sorgen machen muss.

Herr Dudenhöffer, zuletzt sagten Sie, dass „eine toxische Mischung aus Berlin und Brüssel“ dem Autostandort Deutschland schade. Inwiefern ist die Politik mitverantwortlich für die Krise bei VW?

Zu einem Großteil. Wir betreiben fast ausschließlich aktionistische Politik. Immer wieder gibt es kurzfristige Maßnahmen, die dann geändert werden. Das sorgt nur für Verwirrung, während man in China eine langfristige Strategie verfolgt. Dort blühen die Märkte von Batterieherstellern, E-Autos und Software. In Deutschland und Europa macht die Politik dagegen alle drei Tage etwas anderes. Erst wird mit viel Geld eine Halbleiterfabrik in Magdeburg angesiedelt, dann streicht man die Subventionen für E-Autos, teilt Schecks für grünen Stahl aus, will mit Milliarden Batteriefabriken bauen, dabei ist die Logistikstruktur verkommen und die Bahn eine reine Katastrophe. Und dann verhängt man Zölle für E-Autos aus China, was auch den deutschen Autobauern noch wehtun wird. Es herrscht Chaos. Für vieles ist die Ampelregierung und vor allem Wirtschaftsminister Robert Habeck verantwortlich.

Betriebsrat und Gewerkschaften kritisieren die Konzernführung. Welche Management-Fehler hat man in Wolfsburg gemacht?

Warum funktioniert es bei Skoda und in Wolfsburg nicht? Hören Sie mir auf, Betriebsräte und Gewerkschaften reden in solchen Situationen immer von Management-Fehlern. Wir haben es hier jedoch mit Deutschland-Fehlern und Brüssel-Fehlern zu tun. Zudem hat VW eine schwierige Verfassung. Das lähmt den Autobauer. 20 Prozent der Anteile von VW werden vom Land Niedersachsen gehalten. Das sorgt dafür, dass man sich nicht verändert, sondern notwendige Entscheidungen hinauszögert. So schafft es VW nicht, sich im Wettbewerb zu messen. Nehmen Sie Diesel-Gate.

Den Abgasskandal von 2015, als bekannt wurde, dass VW in Diesel-Fahrzeugen eine illegale Abschalteinrichtung zur Motorsteuerung verwendete, um die US-Abgasnormen zu erfüllen.

Es war der größte Betrugsfall in der Geschichte der Autoindustrie. Man kam schon damals nicht mehr mit den Kostenstrukturen klar und hat darum angefangen zu betrügen. So etwas passiert immer wieder in Unternehmen, die sich nicht anpassen. Bei VW liegt dies an den Besitzverhältnissen, mit denen Strukturen zementiert werden. Man kann die Welt nicht aus dem Kirchturm in Wolfsburg regieren.

Aber was machen andere Autobauer wie Opel denn besser als VW?

Sie richten sich besser am Markt aus und passen sich immer wieder an. Opel, Mercedes und andere Konkurrenten verändern sich permanent, auch bei den Kosten, die bei VW einfach zu hoch sind. Zudem haben wir in Deutschland die höchsten Energiepreise weltweit, Regulierungen und Genehmigungsverfahren sind hoch kompliziert. Damit schädigen wir systematisch unsere Industriestruktur. Wir sind gefangen in unserer Demokratiestruktur. Demokratie ist gut, aber sie darf nicht blockieren.

Inwiefern hat Sie die Aufkündigung des Tarifvertrags überrascht?

Das war zu erwarten. Es wäre fast ein Wunder gewesen, wenn das VW-Management das nicht gemacht hätte. Damit hätte man sich unglaubwürdig gemacht, der ganze Restrukturierungsprozess wäre im Sand verlaufen. Man muss jetzt alles auf den Tisch legen und miteinander reden. In eine niedersächsische Käseglocke einzutauchen, würde alles so lassen, wie es ist. Damit würde man übermorgen in existenziellen Problemen enden.

In Nordhessen macht man sich vor allem Sorgen um das Volkswagen-Werk in Baunatal. Wie gut ist das Werk aus Ihrer Sicht aufgestellt?

Das ist schwierig, weil ich die einzelnen WV-Werke zu wenig kenne. Klar ist jedoch: Wenn VW Werke schließen will, wird man Niedersachsen immer verschonen. Das Machtzentrum liegt in diesem Bundesland – wegen der Landesbeteiligung und der IG Metall. Für die anderen Werke wie in Baunatal, Dresden und Zwickau ist das ein immenser Nachteil. Die VW-Struktur lähmt: VW ist eher ein Staatsunternehmen als ein privatwirtschaftliches Unternehmen.

Was würde eine Schließung des Werks in Baunatal für eine Region wie Nordhessen bedeuten, die auf dem Land als strukturschwach gilt?

Das wäre ein großer Verlust, den man nicht in vier Jahren wegstecken kann. Die Region würde mindestens 10 bis 15 Jahre leiden, wenn man so einen Industriebetrieb zumachen würde.

Der Kasseler Wirtschaftsprofessor Guido Bünstorf meint, die Auswirkungen für Nordhessen könnten fast solche Dimensionen erreichen „wie das, was in Ostdeutschland nach der Wende passiert ist“.

Das halte ich für übertrieben. Die Strukturen in Nordhessen sind nicht wie in der DDR. Der sozialistische Staat war 1989 eine Ruine. Nordhessen ist nicht am Boden zerstört. Trotzdem wird es schwer werden, neue Arbeitsplätze aufzubauen, weil es ja nicht nur um die Stellen im Werk geht, sondern auch um Zuliefererbetriebe und vieles mehr.

Sehen Sie eine Alternative zum Sparkurs?

Nein, aber auch der Sparkurs allein wird nicht die Lösung sein. Das VW-Gesetz muss weg. Die Stimmrechte müssen weg vom Land Niedersachsen. Eine starke Mitbestimmung ist gut, aber sie darf nicht übertrieben sein wie jetzt. Nur so kann sich der Konzern neu ausrichten.

Es wird aber auch immer wieder kritisiert, dass VW zu sehr auf große Autos gesetzt habe. Ein VW-Mitarbeiter aus Baunatal klagte zuletzt: „Uns fehlt es an wirklichen Volkswagen.“

Das ist, sorry, nur Geschwätz. Es gibt zwar nicht mehr den klassischen Käfer, aber den T-Roc, den Golf und den Tiguan. Mit der ID-Linie hat man den Geschmack der Kunden nicht hundertprozentig getroffen, das ist richtig. Trotzdem arbeitet VW auch in China an kostengünstigen Modellen. Und auch Skoda baut mit ähnlichen Autos Volkswagen im eigentlichen Sinn. Allerdings gilt auch: Ein E-Auto für 20 000 Euro ist nicht darstellbar. Dafür sind die Batterien noch zu teuer. Das wird sich erst in einigen Jahren ändern.

Nicht nur CDU-Chef Friedrich Merz fordert eine Abkehr vom Verbrenner-Aus. Würde die europäische Autoindustrie nicht noch weiter ins Hintertreffen gegenüber China geraten, wo man bei der E-Mobilität schon viel weiter ist?

Was 2035 ist, interessiert doch heute keinen Autokäufer und Wähler. Es ist grundverkehrt, dass man die Menschen instrumentalisiert und ihnen den Wandel „ausredet“. Warum macht Merz das? Weil er glaubt, mit einer „Bild“-Headline drei Wählerstimmen zu fischen. Traurig.

Wie groß ist Ihre Hoffnung, dass VW die Wende schafft?

Es kommt auf die Voraussetzungen an, und es sollte nachhaltig sein. Wenn man jetzt die Kosten und Kapazität reduziert, ist das ein erster wichtiger Schritt. Aber langfristig braucht VW die Befreiung aus der Niedersachsen- Umklammerung. Auch die Landesregierung in Niedersachsen gewinnt damit, denn es macht VW stabil.

Wie wird es mit der von Ihnen so heftig kritisierten Ampelregierung weitergehen?

Jeder Tag, den die Bundesregierung länger im Amt ist, ist ein weiterer Leidenstag für das Land. Deutschland braucht eine neue Zukunft und ein Bündnis aus staatstragenden Parteien – ohne die AfD und das BSW. Durch Brüssel ist das Land gelähmt. Die Regulierungswut macht uns das Leben schwer.

Haben Sie eigentlich ein E-Auto?

Nein, ich fahre viel zu wenig Auto, allenfalls 3000 Kilometer im Jahr. Darum habe ich nur ein altes Auto hier rumstehen. Ich versuche, mich so wenig wie möglich zu bewegen, weil ich nicht im Stau stehen will und schon gar nicht mit der Bahn fahren will. Stattdessen mache ich Video-Calls. (Matthias Lohr)

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