Mitglieder der Fahrrad- und Bahnbranche beschweren sich, dass sie beim Mobilitätsgipfel im Kanzleramt außen vor bleiben. Nach SPIEGEL-Informationen wurde die Teilnehmerliste aber ergänzt – um den Elektroautohersteller Tesla.
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Damit wird offenbar der Tatsache Rechnung getragen, dass Tesla seit der Werkseröffnung im vergangenen Jahr auch zu den deutschen Autoproduzenten zählt. Von Anfang an auf der Liste standen die Vorstandsvorsitzenden der drei deutschen Autokonzerne: Oliver Blume (Volkswagen), Oliver Zipse (BMW) und Ola Källenius (Mercedes-Benz), ebenso wie die jeweiligen Betriebsratschefs Daniela Cavallo, Martin Kimmich und Ergun Lümali.
Etliche Verbände kritisierten vor dem Gipfel, dass die Autoindustrie das Treffen dominiert. »Ein Mobilitätsgipfel sieht anders aus«, erklärte Kerstin Haarmann, die Bundesvorsitzende des Verkehrsclubs Deutschland (VCD). Von einem »Etikettenschwindel« sprach Dirk Flege von der Allianz pro Schiene, die Transformation der Mobilitätswirtschaft werde ohne Bahn- und Fahrradbranche nicht im Großen und Ganzen betrachtet. Statt nur die Angst vor schwindenden Jobs im Geschäft mit Verbrennungsmotoren zu beschwören, könnte seine Industrie auch Chancen für neues Wachstum aufzeigen, sagte Burkhard Stork, Geschäftsführer des Zweirad-Industrie-Verbands. »Aber wenn der Kanzler nur mit den Autokonzernen redet, werden diese Möglichkeiten nicht vorkommen.«
Auch die Bauindustrie beklagte, dass ihre Expertise beim nötigen Ausbau der Infrastruktur nicht einbezogen werde. Aus Kreisen der Autoindustrie hieß es, dass die Zulieferer mit ZF als einzigem Unternehmen schwächer vertreten seien als auf früheren Autogipfeln unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Dabei seien die Herausforderungen für die oft auf Teile von Verbrennungsmotoren spezialisierten Zulieferer weitaus größer als für die Fahrzeughersteller.
Politisch brisant ist die Einladung, weil Tesla-Chef Elon Musk sich seit seiner Übernahme des Kurznachrichtendienstes Twitter vermehrt als Sprachrohr für Rechtsaußen-Positionen gibt. In der US-amerikanischen Heimat wurde Musk bislang nicht zu derartigen Treffen von Präsident Joe Biden mit Branchenvertretern eingeladen – und beklagte sich wiederholt öffentlich darüber. Biden gebe den traditionellen Herstellern den Vorzug.
So wurden etwa höhere Sätze der Kaufprämien für Elektroautos an die Bedingung geknüpft, dass die Fahrzeuge aus gewerkschaftlich organisierten US-Werken stammen.
Tesla versucht die Bildung von Gewerkschaften in seiner Belegschaft zu verhindern. In Grünheide wurde zwar ein Betriebsrat gewählt, die Mehrheit der Stimmen ging bei der Wahl kurz vor Werksöffnung aber an eine aus dem Management gebildete Liste. Die IG Metall, die in den anderen deutschen Autowerken den Ton angibt und mit ihrem Vorsitzenden Jörg Hofmann auch am Autogipfel teilnimmt, erreichte nur eine Minderheit der Stimmen.