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Was Elon Musk mit dem Chaos rund um Teslas "Full Self-Driving"-System zu tun hat

Mehr als 360.000 Fahrzeuge musste Tesla Mitte Februar zurückrufen. Grund waren Probleme mit dem umstrittenen “Full Self-Driving”(FSD)-System, das die US-Behörde NHTSA damals als nicht verkehrssicher einstufte. Wegen eines Softwarefehlers, so die Beurteilung, habe es ein erhöhtes Unfallrisiko gegeben. Betroffene Autos hätten dadurch gegen Verkehrsregeln verstoßen können, zum Beispiel indem sie die Geschwindigkeitsbegrenzung überschreiten oder auf unvorhersehbare Weise durch Kreuzungen fahren.

Um einen Rückruf im klassischen Sinne handelte es sich zwar nicht. Der Fehler konnte ohne Werkstattbesuch und mittels Software-Update behoben werden, weshalb auch Tesla-Chef Elon Musk das Wording kritisierte. Es ist allerdings ein weiteres Beispiel für die zahlreichen Probleme, mit denen das Autopilot-System des Elektroautobauers zu kämpfen hat. Immer wieder gab es in der Vergangenheit Berichte über Unfälle mit aktiviertem FSD-System, weshalb die NHTSA schon letzten Sommer eine Untersuchung gegen Tesla gestartet hat.

Bald soll es so weit sein

Der Autobauer selbst verspricht auf der anderen Seite Jahr für Jahr, dass die eigenen Fahrzeuge bald wirklich vollautonom fahren können werden. Dabei scheint das Ziel in weiter Ferne zu liegen. Ein aktueller “Washington Post”-Bericht legt nahe, dass dies unter anderem auf eine von Elon Musk forcierte Sparmaßnahme zurückzuführen ist. Im Jahr 2021 kündigte das Unternehmen an, bei der Teilautomatisierung künftig auf kostspielige Radarsensoren zu verzichten – und stattdessen voll und ganz auf Kamerasysteme zu setzen.

Ehemalige Tesla-Mitarbeitende, mit denen die US-Zeitung gesprochen hat, sollen über die Entscheidung des CEO entsetzt gewesen sein und versucht haben, ihm diese wieder auszureden. Ohne die Radartechnologie würden schon ein paar Regentropfen oder direkte Sonneneinstrahlung ausreichen, um die Teslas anfällig für grundlegende Wahrnehmungsfehler zu machen – was wiederum zu Unfällen führen könne. Der Versuch war vergeblich. In Neufahrzeugen sind entsprechende Sensoren seither gar nicht mehr zu finden, in älteren Modellen wurden diese deaktiviert.

Immer mehr Probleme

Dieser Schritt dürfte entscheidend gewesen sein. Laut der “Washington Post” hätten mehrere Interviews mit ehemaligen Mitarbeitenden, Testfahrerinnen, Sicherheitsbeamten und anderen Expertinnen ergeben, dass mit diesem auch ein Anstieg an Unfällen, Beinaheunfällen und anderen Fehlern begonnen habe. Hinzu sei gekommen, dass die Entwicklungsabteilung zu einer frühzeitigen Auslieferung des Autopiloten gedrängt worden sei, obwohl das System noch gar nicht bereit dafür war.

Das Beta-Programm für das FSD-System ist derzeit nur für Kundinnen und Kunden in den USA und Kanada verfügbar. Wer an diesem teilnehmen will, muss derzeit 15.000 Dollar auf den Tisch legen, was laut Elon Musk noch immer viel zu wenig ist. Er selbst bezeichnete FSD als “lächerlich billig”.

Das sehen nicht alle so. “Das System kam intern nur sehr langsam voran”, aber “die Öffentlichkeit wollte ein Produkt in den Händen halten”, sagt der ehemalige Tesla-Testfahrer John Bernal gegenüber den Berichterstattern. “Elon twittert ständig: ‘Oh, wir sind fast da, wir sind fast da.'” Dabei sei man intern noch lange nicht so weit.

Nicht ganz autonom

Das Aufstellen weitreichender – und nicht gehaltener – Versprechen zum Autopilot-System sind allerdings nicht neu. Bis heute ist auf der Unternehmenswebseite ein Werbevideo zu sehen, laut dem “die Person auf dem Fahrersitz … nur aus rechtlichen Gründen dort” sei und das Auto dank “Full Self-Driving” von selbst fahre. Anfang des Jahres bestätigte Teslas Autopilot-Software-Chef Ashok Elluswamy jedoch offiziell, dass die befahrene Route vorab festgelegt wurde – und das Fahrzeug auf Informationen zugreifen konnte, die in der Praxis gar nicht vorhanden wären.

Der FSD-Autopilot dürfte allerdings eine wichtige Rolle für den langfristigen Erfolg von Tesla spielen. Musk selbst bezeichnete das System laut der “Washington Post” als entscheidend dafür, ob Tesla viel Geld oder gar nichts wert ist. Darauf deutet auch der jüngste “Investor Day” Anfang März hin, für den er die Vorstellung eines “Masterplans” für Tesla angekündigt hatte – um dann ein enttäuschend uninspirierendes Event abzuhalten. Die Ankündigung neuer Fahrzeugmodelle oder eines Release-Termins für den heiß erwarteten Cybertruck suchte man vergeblich.

US-Ermittlungen

Die zahlreichen Probleme haben mittlerweile nicht nur die US-amerikanische Verkehrssicherheitsbehörde, sondern auch das Justizministerium auf den Plan gerufen. Wie Ende 2022 bekannt wurde, hat dieses schon 2021 Ermittlungen wegen falscher Werbeversprechen gegen Tesla eingeleitet. Die Staatsanwaltschaft prüft deshalb, ob Tesla Verbraucher, Investoren und Aufsichtsbehörden mit unbewiesenen Behauptungen zur “Full Self-Driving”-Fahrassistenz getäuscht hat. (mick, 21.3.2023)

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