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Warum Volkswagen und Co. schwierige Patienten sind

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Aktivisten halten ein Banner bei der Abschlussdemonstration gegen die Automesse IAA Mobility 2023. Der Druck von Aktivisten hat auch dazu beigetragen, die Dokumentationspflichten für Autobauer in den vergangenen Jahren drastisch zu verschärfen.

Warum Volkswagen und Co. schwierige Patienten sind

Automobilindustrie

Der schwierige Patient

Von Sebastian Schmid

In der deutschen Autoindustrie jagt eine Hiobsbotschaft die nächste. Untaugliche Therapie- ansätze sorgen dafür, dass dieser Zustand länger anhalten dürfte.

Wenn eine Erkrankung diagnostiziert wird, der Weg zur Heilung aber unklar ist, kann das mitunter zu wenig hilfreichen Therapieansätzen führen. In der deutschen Automobilindustrie macht sich eine derartige Malaise breit. Zulieferer und Hersteller kämpfen derzeit mit Symptomen, die mit der Transformation zur Elektromobilität einher gehen: Schleppende Kundennachfrage, anhaltend hohe Kosten, Software-Schwächen und anderen technischen Herausforderungen. Dass es zu Problemen kommen könnte, war den Konzernen schon klar, als die ambitionierten Pläne vor Jahren am Reißbrett entworfen wurden. Doch damals gab es noch das starke Geschäft mit Verbrennern in China als Garant für hohe Cash-flows und Gewinne. Inzwischen ist das Geschichte. Die Elektromobilität ist im Reich der Mitte schneller und in Europa langsamer als prognostiziert hochgelaufen.

Die Zeit drängt

Dadurch drängt nun die Zeit. VW hat in China bei batterieelektrisch angetriebenen Autos trotz deutlich günstigerer Preise nur einen Anteil von gut 3%. Bei Verbrenner-Fahrzeugen liegt man satt im zweistelligen Prozentbereich – doch das Geschäft schrumpft. Konzernchef Oliver Blume weiß, dass er auf den Status Quo nicht bauen kann. Volkswagen muss in Europa und speziell im Heimatmarkt Deutschland schnell profitabler werden. In den auf Ende September vorgezogenen Tarifverhandlungen geht es daher um viel für Blume und Volkswagen. Die Wettbewerber Mercedes und BMW verzeichnen derweil ebenfalls rückläufige Auslieferungen im wichtigen chinesischen Markt.

Die Diagnose ist also klar. Der Druck wächst von allen Seiten. Die Kosten in Europa müssen runter. Volumenmarken wie Volkswagen trifft die Transformation zwar besonders hart. Doch auch die Premiummarken haben zu kämpfen, wie der riesige Rückruf und die Gewinnwarnung von BMW gerade erst gezeigt haben. Im kommenden Jahr hängen milliardenschwere Strafen bei Verfehlen der Flottenemissionsziele als weiteres Damoklesschwert über den Köpfen der Automanager. Renault-Chef Luca de Meo fürchtet Strafen von bis zu 15 Mrd. Euro für die Branche, sollte die E-Auto-Nachfrage in der EU etwa auf dem heutigen Niveau verharren.

Hektisches Kurieren an Symptomen

In Brüssel und Berlin hat die Politik Warnrufe lange heruntergespielt und scheint erst vor einigen Monaten bemerkt zu haben, dass sie für die Malaise von Europas industrieller Kernbranche wesentliche Mitverantwortung trägt. Doch statt ihre Regelungen auszudünnen und besonders schädliche Vorgaben zurückzunehmen, wird hektisch an den Symptomen operiert: die angehobenen Zölle auf Autoimporte aus China sind ein Beispiel dafür. Steuervorteile für immer teurere Elektro-Dienstwagen ein anderes. Die eigentlichen Probleme: Extrem hohe bürokratische Aufwände etwa aus dem Lieferkettengesetz oder künftig der europäischen Batterieverordnung, hohe Energie- und Personalkosten sind politisch zu heiße Eisen. Sie werden lieber gar nicht erst angefasst. Statt einen besseren Rahmen für industrielles Wirtschaften abzustecken, verfällt man in regulatorisches Micro-Management. Das bindet bei den Autobauern Kapazitäten, die an anderer Stelle – etwa der Produktentwicklung – sinnvoller eingesetzt wären.

Mehr Kooperationen nötig

Alles auf die Rahmenbedingungen zu schieben, greift zu kurz. Die Behauptung, die deutschen Autobauer seien wettbewerbsfähig, der Standort sei es nicht, wird von der Realität nicht gedeckt. Das zeigt allein schon die Entwicklung in China. Welchen Therapieansatz braucht es? Zunächst sollte sich die Autoindustrie mehr auf die eigene Genesung konzentrieren dürfen als auf die Erfüllung Brüsseler Vorgaben. Im Krankenhaus wird der Papierkram schließlich auch nicht während der OP erledigt. Zweitens gilt es, sich schlanker aufzustellen, um nachhaltig gesünder aus der Krise hervorzugehen. Und drittens braucht es echte Kooperationen – auch miteinander. Wieso versuchen deutsche Autobauer in Feldern mit gemeinsamem Rückstand immer wieder in Eigenregie aufzuholen? Erst wenn sich sowohl Autobauer als auch Politik eingestehen, über Jahre an der Malaise der Branche mitgewirkt zu haben, gibt es eine reelle Chance auf eine Wende. Bis dahin bleibt die deutsche Autoindustrie ein schwieriger Patient.

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