Aktivisten halten ein Banner bei der Abschlussdemonstration gegen die Automesse IAA Mobility 2023. Der Druck von Aktivisten hat auch dazu beigetragen, die Dokumentationspflichten für Autobauer in den vergangenen Jahren drastisch zu verschärfen.
Warum Volkswagen und Co. schwierige Patienten sind
Automobilindustrie
Der schwierige Patient
Von Sebastian Schmid
In der deutschen Autoindustrie jagt eine Hiobsbotschaft die nächste. Untaugliche Therapie- ansätze sorgen dafür, dass dieser Zustand länger anhalten dürfte.
Die Zeit drängt
Dadurch drängt nun die Zeit. VW hat in China bei batterieelektrisch angetriebenen Autos trotz deutlich günstigerer Preise nur einen Anteil von gut 3%. Bei Verbrenner-Fahrzeugen liegt man satt im zweistelligen Prozentbereich – doch das Geschäft schrumpft. Konzernchef Oliver Blume weiß, dass er auf den Status Quo nicht bauen kann. Volkswagen muss in Europa und speziell im Heimatmarkt Deutschland schnell profitabler werden. In den auf Ende September vorgezogenen Tarifverhandlungen geht es daher um viel für Blume und Volkswagen. Die Wettbewerber Mercedes und BMW verzeichnen derweil ebenfalls rückläufige Auslieferungen im wichtigen chinesischen Markt.
Die Diagnose ist also klar. Der Druck wächst von allen Seiten. Die Kosten in Europa müssen runter. Volumenmarken wie Volkswagen trifft die Transformation zwar besonders hart. Doch auch die Premiummarken haben zu kämpfen, wie der riesige Rückruf und die Gewinnwarnung von BMW gerade erst gezeigt haben. Im kommenden Jahr hängen milliardenschwere Strafen bei Verfehlen der Flottenemissionsziele als weiteres Damoklesschwert über den Köpfen der Automanager. Renault-Chef Luca de Meo fürchtet Strafen von bis zu 15 Mrd. Euro für die Branche, sollte die E-Auto-Nachfrage in der EU etwa auf dem heutigen Niveau verharren.
Hektisches Kurieren an Symptomen
Mehr Kooperationen nötig
Alles auf die Rahmenbedingungen zu schieben, greift zu kurz. Die Behauptung, die deutschen Autobauer seien wettbewerbsfähig, der Standort sei es nicht, wird von der Realität nicht gedeckt. Das zeigt allein schon die Entwicklung in China. Welchen Therapieansatz braucht es? Zunächst sollte sich die Autoindustrie mehr auf die eigene Genesung konzentrieren dürfen als auf die Erfüllung Brüsseler Vorgaben. Im Krankenhaus wird der Papierkram schließlich auch nicht während der OP erledigt. Zweitens gilt es, sich schlanker aufzustellen, um nachhaltig gesünder aus der Krise hervorzugehen. Und drittens braucht es echte Kooperationen – auch miteinander. Wieso versuchen deutsche Autobauer in Feldern mit gemeinsamem Rückstand immer wieder in Eigenregie aufzuholen? Erst wenn sich sowohl Autobauer als auch Politik eingestehen, über Jahre an der Malaise der Branche mitgewirkt zu haben, gibt es eine reelle Chance auf eine Wende. Bis dahin bleibt die deutsche Autoindustrie ein schwieriger Patient.