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Autohersteller in Sparnot: Was Volkswagen jetzt tun kann

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Hatte schon angenehmere Termine: Volkswagen-Markenvorstand Thomas Schäfer zu Besuch am VW-Standort Zwickau

Die Krise des größten europäischen Autokonzerns Volkswagen schlägt immer höhere Wellen. Die Erste Vorsitzende der IG Metall, Christiane Benner, brachte am Donnerstag auf einer Konferenz der Gewerkschaft in Hannover das Modell einer Viertagewoche ins Spiel. Man dürfe jetzt „nichts ungenutzt lassen“, um Werksschließungen und Entlassungen zu verhindern, sagte sie.

Ähnlich äußerte sich das an VW beteiligte Land Niedersachsen. Dessen Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) forderte die Bundesregierung auf, neue Kaufanreize für Elektroautos zu schaffen. Es sei ein „großer Fehler“ gewesen, die staatliche Förderung im vergangenen Jahr praktisch über Nacht zu streichen, sagte er. Das habe die Nachfrage zusätzlich gebremst.

VW hatte am Montag mitgeteilt, wegen der schwachen Autokonjunktur in Europa und des härteren Wettbewerbs seinen Sparkurs verschärfen zu wollen. Die Beschäftigungsgarantie wird gekündigt, mindestens eine Fabrik in Deutschland steht zur Disposition. Im Konzern kommt das einer Zäsur gleich und weckt Erinnerungen an die Neunzigerjahre. Auch damals steckte VW in der Krise und wendete den Abbau Zehntausender Stellen durch eine Viertagewoche mit teilweisem Lohnverzicht ab. Das Management zeigt sich nun irritiert über die Vorschläge.

„So schaffen wir die Transformation nicht“

Man werde sich erst dazu äußern, wenn die Verhandlungen über einen neuen Haustarif beginnen, heißt es im Konzern. Der Start der Gespräche ist eigentlich für Oktober geplant. Er könnte nun vorgezogen werden, um auf die aktuelle Lage zu reagieren. Wie im Flächentarif der Metall- und Elektroindustrie, über den schon von Mitte September an verhandelt wird, fordert die Gewerkschaft Lohnerhöhungen von sieben Prozent. VW hingegen will die Kosten senken und sieht die Zukunft des Unternehmens in Gefahr.

Mit Blick auf die Viertagewoche heißt es in Wolfsburg, die heutige Situation sei nicht vergleichbar mit den Neunzigern, als es darum ging, vorübergehende Nachfrageschwächen durchzustehen. Jetzt sieht sich VW mit dauerhaft niedrigerem Absatz konfrontiert. In Europa fehlten VW die Verkäufe von 500.000 Autos im Jahr, hat Finanzvorstand Arno Antlitz vorgerechnet, das Produktionsvolumen zweier Werke. „Wenn wir so weitermachen, schaffen wir die Transformation nicht.“

VW-Chef Oliver Blume kündigte auf einer Tagung des Managements in Stockholm am Donnerstag eine neue Strategie an, um VW bis zum Jahr 2035 zum global führenden automobilen Technologiekonzern zu machen. Es gehe um Themen wie Design und Software, aber auch neue Modelle, sagte er vor rund 400 versammelten Top-Führungskräften. Details nannte er noch nicht, sie werden erst später im Jahr erwartet.

„Jahrelang falsche Entscheidungen getroffen“

Die Automobilbranche rechnet damit, dass der Markt in Europa in absehbarer Zeit nicht mehr an Absatzrekorde vor der Corona-Pandemie anknüpfen wird. Für Streit sorgt besonders der Umgang mit Elektroautos, die viele Kunden zu teuer finden. Auch die Reichweite überzeugt noch nicht. Niedersachsens Wirtschaftsminister Lies erinnerte am Donnerstag an die Jahre 2008 und 2009, als die Bundesregierung unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Abwrackprämie eingeführt hatte, um die Verkäufe von Neuwagen zu fördern. Wenn es jetzt nicht gelinge, den Absatz von E-Autos anzuschieben, drohten der Branche im kommenden Jahr „Milliarden an Strafzahlungen“, warnte er. Hintergrund ist, dass in der EU eine Verschärfung der Schadstoffgrenzwerte ansteht. Um sie einzuhalten, hatte die Branche vor allem auf E-Autos gesetzt.

Die Ampelkoalition in Berlin hatte diese Woche schon Steueranreize für vollelektrische Dienstwagen beschlossen. Nun müssten Kaufanreize für Privatleute folgen, fordert die IG Metall. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) dämpft dagegen die Erwartungen. Auf die Frage, ob die Automobilindustrie mit staatlichen Hilfen rechnen kann, antwortete er während einer Veranstaltung: „Nein“. Er habe immer gesagt, dass die reine Ausrichtung auf Batteriefahrzeuge ein Fehler gewesen sei, wenn im Rest der Welt noch Verbrenner gefahren würden. sagte Lindner.

Die Opposition fordert, das geplante Aus für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor in der EU im Jahr 2035 ganz zu kippen. Es sei „der Bleigürtel, der die Autoindustrie nach unten zieht“, heißt es etwa vom Bündnis Sarah Wagenknecht, das bei den jüngsten Wahlen in Sachsen und Thüringen aus dem Stand zweistellige Stimmanteile erzielt hat. „Statt die Menschen ins E-Auto zu zwingen, sollte Deutschland zum Hotspot einer spritsparenden Verbrenner-Generation werden.“ Der VW-Konzern hatte schon vor Jahren eine Strategie eingeschlagen, die so stark auf E-Autos setzt wie kaum ein anderer Hersteller. Nun sind Werke schwach ausgelastet, wo solche Fahrzeuge vom Band laufen, etwa in Zwickau. Dort lief am Donnerstag eine weitere Betriebsversammlung, nachdem zuvor schon in Wolfsburg Zehntausende Beschäftigte zusammengekommen waren.

Trotz der Krise hält die IG Metall an ihren Forderungen für die bevorstehenden Verhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie fest. Dass man wegen der Krise in Wolfsburg Abstriche mache, komme nicht infrage, sagte Thorsten Gröger, Bezirksleiter der Gewerkschaft in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Die Beschäftigten brauchten einen Ausgleich für gestiegene Verbraucherpreise, sowohl in der Fläche als auch im VW-Konzern

Die Gewerkschaftsvorsitzende Benner erhob in Hannover schwere Vorwürfe gegen das VW-Management. Das habe „jahrelang falsche Entscheidungen getroffen“, die nun die Beschäftigten ausbaden müssten. Wie zuvor der VW-Betriebsrat kündigte sie Widerstand gegen Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen an. VW wolle mit „Axt, Kettensäge und Bulldozer“ zu höherer Rendite kommen, sagte sie. Das sei mit der Gewerkschaft nicht zu machen.

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