Finanzen

Volkswagen

Wirtschaft

Wirtschafts-nachrichten

Wissen & Technik

Volkswagen prägt das Überleben einer Stadt – alles hängt am Erfolg der E-Autos

Verbrenner gehen ins Ausland

Volkswagen prägt das Überleben einer Stadt – alles hängt am Erfolg der E-Autos

volkswagen prägt das überleben einer stadt – alles hängt am erfolg der e-autos

Roboter von Kuka im Autowerk

Der Autokonzern Volkswagen hat 1,2 Milliarden Euro in sein VW-Werk in Emden investiert. Aktuell läuft die Produktion der E-Autos noch schleppend. Für die Stadt Emden steht dabei viel auf dem Spiel.

Emden – Seit dem 1. März 2024 ist die Zukunft des VW-Werks in Emden „nahezu vollelektrisch“. An diesem vergleichsweise milden Wintertag lief das letzte Auto des legendären Models Passat vom Band des Produktionsstandortes in Ostfriesland. Nach 47 Jahren und rund zehn Millionen Fertigungen verlegte Volkswagen die Produktion in die Slowakei – nach Bratislava. Einzig das Verbrenner-Auto Arteon Shooting Brake wird als letzte Erinnerung an die Vergangenheit in Emden verweilen. Zumindest vorerst: Laut der Nordwest-Zeitung (NWZ) soll auch diese Ära im kommenden Jahr auch vorbei sein – dann wäre die Zukunft „vollständig elektrisch“.

Volkswagen hat große Pläne in Emdener Werk: Fertigung von 190.000 E-Autos im Jahr 2025

Doch bereits seit März sollen sich die rund 8.000 Beschäftigten auf die Produktion der drei Elektroauto-Modelle ID.4, des ID.7 und des ID.7 Tourer fokussieren. Laut eigenen Angaben hat Volkswagen über eine Milliarde Euro in die Anlage in Emden gesteckt. Bis Ende des Jahres soll das Fertigungsvolumen 140.000 E-Autos umfassen, 2025 gar 190.000 – das hat laut NWZ Werksleiter Uwe Schwartz bei einer Veranstaltung des Wirtschaftsverbandes Ems-Achse verkündet. Das letzte Wort haben aber natürlich die Konzern-Chefs um Oliver Blume in Wolfsburg, die allerdings auch nicht abgeneigt scheinen.

Sogar eine Ausweitung der Produktion sei nicht abwegig, zumal die Bestelleingänge durchaus positiv verlaufen seien. „Die aktuelle Nachfrage dieser Modelle entspricht unseren Prognosen und Erwartungen“, bestätigt auch Werkssprecher Wolfgang Sebastian gegenüber der NWZ.

Absatz von VW für E-Autos kriselt Anfang 2024 – Ist der ID.4 ein Ladenhüter?

Doch der Optimismus ist aus verschiedenen Gründen trügerisch. Aktuell steckt der Absatz der Elektroautos in einem Zwischentief. Der VW-Konzern konnte im ersten Halbjahr laut eigenen Absatzzahlen nur 317.200 E-Fahrzeuge verkaufen – nur sieben Prozent von insgesamt 4,4 Millionen Exemplaren. Speziell der ID.4 kriselte im ersten Quartal 2024 mit rund einem Viertel weniger Verkäufen als noch im Vorjahreszeitraum. Das liegt natürlich nicht allein am Standort in Emden. Der ID.4 wird auch in einem VW-Werk in Zwickau produziert. Außerdem geben Branchenexperten auch der Ampel eine Teilschuld an der mauen Phase. Diese hatte immerhin Mitte Dezember 2023 plötzlich die Kaufprämie für E-Autos gestrichen – zwei Jahre früher als eigentlich angedacht.

Und dennoch hatte das Werk in Ostfriesland auch mit Startschwierigkeiten zu kämpfen: Aufgrund der mangelnden Nachfrage des Limousinen-Modells ID.7 – eigentlich als Lückenfüller für den Passat gedacht – stampfte man die Spätschicht der E-Auto-Produktion ein. Gleichzeitig erhielten die zuständigen Arbeiter verlängerte Werksferien. Der Motor stotterte augenscheinlich.

Emden investiert in seinen Seehafen: Volkswagen verschifft 1,5 Millionen Euro jährlich

Dabei hängt für die Stadt Emden viel vom Erfolg der E-Autos von Volkswagen ab. Sie selbst hat Investitionen in den Seehafen an der Mündung der Ems getätigt, berichtet Business Punk. Sich an einem eigenen Zulieferer-Terminal für VW beteiligt – als Wette auf die Zukunft. Immerhin sei der Emdener Seehafen „für den Volkswagen-Konzern sogar der größte Umschlags- und Fahrzeugaufbereitungsplatz“, erklärt Dirk Surma, Geschäftsführer der Emder Verkehrs- und Automotive Gesellschaft mbH gegenüber der Wolfsburger Allgemeinen Zeitung. VW verschiffe von hier rund 1,5 Millionen Fahrzeuge jährlich. Zwar kommen nur fünf Prozent aus dem VW-Werk selbst, doch hängen an diesem riesigen Umschlagsplatz zahlreiche weitere lokale Arbeitsplätze.

Laut Business Punk sind rund 10.000 Menschen im Kontext der VW-Arbeiten beteiligt, hinzu kommen weitere Arbeitskräfte von Zulieferer-Firmen. Auch die lokale Gastronomie und Hotelbranche wird von so manchem externen Gast größerer internationaler Konzerne angekurbelt.

Emdens Schuldenstand liegt bei 227,18 Millionen Euro

Aber über allem thront die Gewerbesteuer, die Emden jährlich einnimmt. Auch hier ist VW „bester Kunde“. „Das ist schon eine Riesenhausnummer“, erklärte Emdens parteiloser Oberbürgermeister Tim Kruithoff gegenüber Business Punk. Angesichts des für Dezember 2024 erwarteten Gesamt-Schuldenstand von 227,18 Millionen Euro ist die Kleinstadt auf Steuer-Einnahmen angewiesen. Allein für 2024 war für den Jahres-Etat ein Minus von 30 Millionen Euro einkalkuliert worden.

Angeblich hat das bereits die Kommunalaufsicht des Landes Niedersachsen auf den Plan gerufen. Kruithoff habe daraufhin mit seinen Ratskollegen Einsparungen über acht Millionen angeboten. Darunter sollen Verwaltungskosten gesenkt werden, aber auch Leistungen für Schwimmbäder oder Vereine gestrichen werden. Natürlich schaut sich Emden nach zusätzlichen Industriezweigen um, die am Emdener Seehafen eine neue Heimat finden könnten.

Wasserstoff- oder Batterieproduktionen nach Emden locken? Der Versuch ist erstmal gescheitert

Als perfekte Ergänzung zur VW-Infrastruktur waren hier etwa Unternehmen mit Fokus auf Wasserstoffproduktion und Batteriezellenfertigung im Gespräch. So würde man sich fast doppelt absichern: einmal mit neuen zukunftsweisenden Industrien – und weiteren Steuer-Einnahmen. Und zudem würde das auch die Attraktivität des VW-Standortes in Ostfriesland steigern. Die Nutzung von ökologischen Antriebstechnologien für Autos streben nun mal auch die Wolfsburger an.

Leider blieb dieser Plan ohne Erfolg: Wie der Bürgermeister Business Punk mitteilte, gingen die Interessenten lieber nach Frankreich oder in die USA. Natürlich ist es vorerst unwahrscheinlich, dass Volkswagen Emden verlässt. Zu umfangreich waren die Investitionen in das neue Werk, um die Produktion der ID.4- und ID.7-Modelle zu gewährleisten. Und dennoch bestehen für Emden große Abhängigkeiten. Es wäre für sie besser, wenn die Zukunft tatsächlich voll elektrisch ausfallen würde.

TOP STORIES

Top List in the World