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Volkswagen: Friedrich Merz sieht geplante Einschnitte als Weckruf für Ampelregierung

CDU-Chef Friedrich Merz wertet die angedachten drastischen Einschnitte bei Volkswagen als Warnung an die Ampel: »Das zeigt jetzt auch dieser Bundesregierung endgültig, wo wir stehen.«

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Volkswagen: Friedrich Merz sieht geplante Einschnitte als Weckruf für Ampelregierung

Volkswagen steckt in einer tiefen Krise: Das Management bringt sowohl Werksschließungen in Deutschland als auch Entlassungen ins Spiel. CDU-Chef Friedrich Merz sieht in diesen verschärften Sparplänen einen wirtschaftspolitischen Weckruf für die Bundesregierung. »Deutschland ist nicht mehr wettbewerbsfähig genug«, kritisierte Merz bei einer CDU-Veranstaltung in Osnabrück. Es könne sein, dass VW mit einer einseitigen Festlegung auf die Elektromobilität einen Fehler gemacht habe.

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Allerdings seien mittlerweile große Teile der deutschen Industrie nicht mehr wettbewerbsfähig, neben der Autoindustrie etwa auch die Chemie und der Maschinenbau, sagte Merz. Dafür seien zuallererst die politischen Rahmenbedingungen verantwortlich.

Volkswagen sei seitens des Vorstandes zum »Sanierungsfall« erklärt worden, sagte Merz. »Das zeigt jetzt auch dieser Bundesregierung endgültig, wo wir stehen. Das ist keine konjunkturelle Frage des Weltmarktes.«

Auch Volkswirte sehen in den Problemen bei VW ein Anzeichen für die aktuellen Standortprobleme Deutschlands.

ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski sagte, die Entwicklungen bei VW zeigten, was die langfristigen Folgen von jahrelanger wirtschaftlicher Stagnation und struktureller Veränderung in einem Umfeld ohne Wachstum seien. »Sollte jetzt so ein industrielles Schwergewicht wirklich den Sparkurs verschärfen und Werke schließen müssen, ist es vielleicht der überfällige Weckruf, dass die bisherigen wirtschaftspolitischen Maßnahmen deutlich aufgestockt werden müssen.«

Betriebsrat kündigt Widerstand gegen Streichungspläne an

Volkswagen ist der größte industrielle Arbeitgeber in Deutschland und hatte mitgeteilt, dass die Kernmarke VW im Rahmen eines Sparprogramms Werkschließungen und betriebsbedingte Kündigungen nicht länger ausschließt.

Für das Unternehmen ist das ein Novum: Bislang galten Werksschließungen als ausgeschlossen. Entsprechend hart fällt die Kritik bei Gewerkschaft und Betriebsrat aus. Betriebsratschefin Daniela Cavallo warf dem Vorstand Versagen vor und kündigte Widerstand gegen die Pläne an. »Für uns kommen Standortschließungen nicht infrage«, sagte sie.

VW-Chef Oliver Blume sagte bei einer Führungskräfteveranstaltung, die Autoindustrie befinde sich in einer sehr anspruchsvollen und ernsten Lage. Der Standort Deutschland falle bei der Wettbewerbsfähigkeit weiter zurück. »In diesem Umfeld müssen wir als Unternehmen jetzt konsequent agieren.«

Das Management räumte Rückschläge beim laufenden Sparprogramm des Autobauers ein. Das mache weitere milliardenschwere Einsparungen nötig, um die Marke vor Verlusten zu bewahren. Nach SPIEGEL-Informationen klafft im Finanzplan der Marken Volkswagen und VW Nutzfahrzeuge aktuell eine Lücke von vier bis fünf Milliarden Euro.

Angeblich geraten die Gewinne noch stärker als bislang unter Druck, unter anderem wegen gestiegener Materialpreise und weil Kunden in der aktuellen Konjunkturdelle weniger teure Autos mit Sonderausstattung kaufen. Hinzu kommt eine Schwäche des US-Marktes, wo VW wieder in die roten Zahlen gerutscht sei, heißt es. Ein Problem sind außerdem die vergleichsweise geringen Gewinnmargen von Elektroautos.

Bericht über geringe Auslastung

In einer Mitteilung des Betriebsrats hieß es, das Management halte mindestens ein größeres Autowerk sowie eine Komponentenfabrik für überflüssig. »Damit geraten alle deutschen Standorte in den Fokus – egal ob Standort der Volkswagen-AG oder Tochter-Standort, egal ob west- oder ostdeutsch«, hieß es. Welche Werke konkret wegfallen könnten, blieb zunächst offen, ebenso, wie viele Stellen in Gefahr sind.

Nach Berechnungen der »Automobilwoche« lag die Auslastung in den VW-Werken deutlich niedriger als bei den anderen Autobauern. Schlusslicht war demnach 2023 das Werk in Osnabrück mit einer Auslastung von weniger als 20 Prozent, gefolgt von der Gläsernen Manufaktur in Dresden mit 30 Prozent Auslastung.

Betriebsratschefin Cavallo forderte einen strategischen Befreiungsschlag. Die aktuelle Krise bei VW sei strukturell und weitgehend unabhängig von kurzfristigen Faktoren, erklärte sie in einer internen Mitteilung. »Wenn jetzt nicht entschieden gegengesteuert wird, droht uns ein Zustand wie Anfang der 1990er Jahre, als auch Arbeitsplätze akut in Gefahr gerieten und uns am Ende nur noch die Viertagewoche mit Entgelteinbußen retten konnte.«

Experte sieht VW »einbetoniert in seinen Strukturen«

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil räumte ein, dass die deutsche Automobilindustrie und auch der VW-Konzern in einer schwierigen Lage seien, die durch rückläufige Verkäufe und ein neues Wettbewerbsumfeld gekennzeichnet sei. Dass Handlungsbedarf bestehe, sei unstrittig. Dazu gehöre auch, die Kosten auf den Prüfstand zu stellen.

Die niedersächsische Regierung unterstütze den Plan des Vorstands. Entscheidend sei nun aber, über das »wie« der Einsparungen zu diskutieren. »Dabei erwarten wir, dass sich die Frage einer Schließung von Standorten durch die erfolgreiche Nutzung von Alternativen schlichtweg nicht stellt.«

Dabei dürfte die besondere Struktur bei VW eine Rolle spielen: Ein Fünftel der Stimmrechtsanteile liegen beim Land Niedersachsen, zudem hat der Aufsichtsrat laut VW-Gesetz weitgehende Mitbestimmungsrechte bei Entscheidungen zu den Werken. Ohne die Zustimmung der Arbeitnehmer ist es demnach nicht möglich, ein Werk zu bauen oder zu verlegen.

Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des Center Automotive Research in Bochum, sagte, das Gesetz und die Stimmrechtsaktien bei Niedersachsen lähmten das Unternehmen. »Es ist wie einbetoniert in seinen Strukturen.«

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