Finanzen

Tesla

Wirtschaft

Wirtschafts-nachrichten

Der Tesla-Flüsterer aus Pflugdorf

der tesla-flüsterer aus pflugdorf

Jürgen Zimmermann Pflugdorf in Tesla-Werkstatt

Der Tesla-Flüsterer aus Pflugdorf

Pflugdorf – Wer die Homepage der Firma Autoteile-­Zimmermann (ATZ) besucht, bekommt, neben vielen Informationen rund um das Unternehmen, schlechte Nachrichten: „Wir sind gerührt und stolz, dass wir einen so hohen Zulauf haben. Jedoch sind auch wir nur Menschen und sind als Team an unsere Grenzen des Möglichen gelangt. Verstärkt trifft leider auch uns der Fachkräftemangel. Daher müssen wir schweren Herzens den Schritt gehen, und können vorerst auf unbestimmte Zeit keine Neukunden mehr aufnehmen.“ Telefonisch ist ATZ derzeit nicht zu erreichen, eine Bürokraft kümmert sich um die bis zu 80 E-Mails, die täglich eintrudeln, und um einen Termin bitten. Die meisten bekommen eine Absage oder werden mit der Warteliste vertröstet.

Marco Türk kann sich zu den Glücklichen zählen, die zu den festen ATZ-Kunden gehören. Der Eigentümer eines Tesla S kommt von Biberach in Oberschwaben nach Pflugdorf in Oberbayern. Er weiß: „Tesla ist nicht in der Lage, das Werkstattnetz so auszubauen, dass ich mich in guten Händen fühle. Früher musste ich nach Stuttgart oder München fahren. Wenn man einmal hier bei ATZ war, hat man das Vertrauen in die Werkstatt und die hundert Kilometer Anreise sind mir das Wert.“

Die freie Autowerkstatt, die sich auf die Instandsetzung und Reparatur von Fahrzeugen mit elektrischem Antrieb spezialisiert hat, erlebt seit einigen Jahren einen Boom ohnegleichen. Und das im beschaulichen Pflugdorf, dem Ortsteil der Gemeinde Vilgertshofen, mit rund 500 Einwohnern. Wie konnte es dazu kommen?

Jürgen Zimmermann ist gelernter Kfz-Mechatroniker und absolvierte seine Ausbildung bei einem „ganz normalen“ Betrieb in Landsberg. 2009 wurde er Geselle, konnte sich mit seinem Arbeitgeber aber nicht auf ein adäquates Gehalt einigen, gründete die Werkstatt „Autoteile-Zimmermann“ und wagte damit den Sprung ins kalte Wasser: die Selbständigkeit. Während er den Ein-Mann-Betrieb aufbaute, besuchte er abends die Meisterschule in Weilheim und schloss sie 2012 erfolgreich ab. Er widmete sich Verbrennungsmotoren und hatte kaum Berührung mit E-Fahrzeugen.

Das änderte sich erst drei Jahre später, als er mit seiner Schwester nach München fuhr, um für sie einen Gebrauchtwagen zu kaufen. Zufällig führte sie ihr Weg in die Blumenstraße 17, wo Tesla einen Showroom hat. „Lass uns doch da mal reinschauen“, sagte Jürgen Zimmermann ohne jeden Hintergedanken. Zwar kaufte sich die Schwester keinen Tesla, aber der Kfz-Meister vereinbarte einen Termin für eine Probefahrt, die zwei Wochen später zu seinem Erweckungserlebnis wurde. „Bist du jetzt blöd geworden?“, dachte er nach dem Test, denn er hatte spontan einen Kaufvertrag mit Finanzierung über 95.600 Euro unterschrieben und war Besitzer eines Tesla S85, den er wenig später im Servicecenter in Feldkirchen abholen konnte: „Ich hatte ein breites Grinsen im Gesicht, nachdem ich das erste Mal ordentlich Gas gegeben hatte. Im ersten Monat bin 10.000 Kilometer mit dem Tesla spazieren gefahren. Ich habe diesen Kauf noch keine Sekunde bereut.“

Umgehend absolvierte Zimmermann eine Weiterbildung und bekam den Hochvolt-­Schein als Voraussetzung für die Arbeit mit E-Fahrzeugen. Seinen eigenen Tesla nahm er mehrfach komplett auseinander und lernte das Innenleben kennen. „Aber was sollte ich tun? Ich konnte ja schlecht meinen 250 Kunden mit Verbrennern mitteilen, dass ich nun nur noch Elektroautos annehmen würde. Im September 2019 habe ich es dann aber getan und allen einen Brief geschrieben“, berichtet Jürgen Zimmermann von seinem Schritt in die neue Richtung. Die Reaktionen reichten von verständnisvoll über enttäuscht bis wütend, aber neue Kunden standen bereits vor der Tür, auch wenn sie zunächst nur zum Reifenwechsel kamen. Selbst dafür braucht ein Kfz-Meister den Hochvolt-Schein.

Zimmermanns wichtigster Kunde wurde ein lokales Taxi-­Unternehmen, das auf Tesla gesetzt hatte: „Der Wagen hatte in zweieinhalb Jahren 400.000 Kilometer runter und ich habe ihn dabei betreut. Das war ein Geschenk des Himmels, denn ich konnte nun genau sagen, wann welches Bauteil kaputt geht. Das hat mir einen Vorsprung vor allen anderen Werkstätten verschafft.“

Rasante Entwicklung

Mitte 2020 vergrößerte Jürgen Zimmermann seine Halle auf 470 Quadratmeter und stellte Personal ein. Heute hat er zwei Achsprüfstände, drei Hebebühnen, zwei Mechatroniker und eine Bürokraft. „Ich könnte auch die zehnfache Fläche haben und wäre immer noch komplett ausgelastet. Woran es mir vor allen Dingen mangelt, sind Fachkräfte“, klagt Jürgen Zimmermann.

Seine Kunden kommen nicht nur aus ganz Deutschland, sondern auch aus England, Frankreich, Schweiz und Österreich. ATZ fertigt gemeinsam mit Partnern seine eigenen Ersatzteile, auf die fünf Jahre Garantie geboten werden. Der Service rund um das Fahrwerk reicht bis zur kompletten Tieferlegung mit Spurverbreiterung. „Ich bin durchaus stolz darauf, dass wir viele Kunden haben, die mit ihrem nagelneuen Tesla direkt zu mir kommen und sich das Fahrwerk einstellen lassen, bevor sie den Wagen regelmäßig nutzen“, beschreibt Zimmermann den Ruf, den er mittlerweile in der Szene hat. Dazu beigetragen hat auch sein professioneller YouTube-­Kanal, wo er seinen knapp 28.000 Abonnementen alles rund um Tesla erklärt. „Tesla hasst mich wahrscheinlich“, sagt er lachend, „denn ich kann den Finger in viele Wunden legen, die bei den Neuwagen ab Werk auftreten. Ich kann dir nach fünf Minuten sagen, ob dein Tesla in China, USA oder Deutschland gebaut wurde, denn die Qualität ist sehr unterschiedlich.“

Mittelfristig möchte er „ATZ“ als eigenes Label aufbauen und vermarkten, ähnlich wie es „Alpine“ und „Abt“ seit vielen Jahren tun. Ein Logo hat er entworfen und die Gründung einer GmbH steht kurz bevor. „Der Kunde zahlt dann eine fixe Summe und bekommt ein perfekt eingestelltes Fahrwerk, für das wir auch die Garantie übernehmen. Dann kommt da mein Label drauf und der Wagen fährt hier als ATZ-Tesla vom Hof“, beschreibt Jürgen Zimmermann seinen Traum, den er wohl bald verwirklichen wird.

TOP STORIES

Top List in the World