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Xpeng P7 und G9: Doppelter Strom-Schlag

xpeng p7 und g9: doppelter strom-schlag

Mit dem sportlichen P7 und dem SUV G9 setzt Xpeng zum Auftakt auf Größe. Vergleiche mit europäischen Herstellern müssen die Chinesen nicht scheuen.

Mut haben sie bei Xpeng, das muss man ihnen lassen. Gerade mal drei Jahre nach dem Start im europäischen E-Auto-Mutterland Norwegen und Ablegern in Schweden, Dänemark und den Niederlanden wagt der erst 2014 gegründete chinesische Hersteller den großen Strom-Schlag im Land des unbegrenzten Fahrens. Mit ebenso großen Ambitionen. Noch setzt die Marke im Reich der Mitte gerade mal 140.000 Fahrzeuge ab, die Kapazitäten der drei Fabriken indes reichen für 600.000. Auch über ein Werk außerhalb Chinas wird schon nachgedacht.

Punkten will Xpeng mit klassischem Design, ordentlich Power, einer zukunftsgerichteten Software-Architektur – und einem klassischen Vertrieb. „Händler mit langer Markterfahrung sollen das Gesicht unserer Marke sein“, sagt Deutschland-Chef Markus Schrick, nicht erst seit seiner Zeit bei Hyundai ein Kenner fernöstlicher Gepflogenheiten. „Testen und erleben – das geht am besten vor Ort.“

Marktstart im Mai

Auftakt ist im Mai mit einem durchaus grobmaschigen Händlernetz aus einem Dutzend Partnern mit 24 Standorten. Bis 2026 allerdings sollen sich diese Zahlen mindestens verfünffacht haben, verspricht Schrick. Auch auf dem für Start-ups eher schwierigen Terrain der Ersatzteilversorgung will sich Xpeng mit einem eigenen Deutschland-Lager stark aufstellen. Und wer bei China und Qualität immer noch ein bisschen Bedenken trägt: Xpeng gewährt sieben Jahre Garantie (maximal 160.000 Kilometer) auf das Auto und acht Jahre auf die Batterie.

Bei den Modellen für ihr hiesiges Abenteuer haben sie sich in Guangzhou optisch wie technisch nicht lumpen lassen und schick was auf die Federbeine gestellt: eine sportliche Mittelklasse-Limousine namens P7 und mit dem G9 selbstverständlich ein SUV. Beide 4,90 Meter lang, der P7 allerdings geduckt und mit breitschultrigem Heck, das auch von einem Aston Martin stammen könnte – der G9 wuchtig und mit jeder Menge Platz. Beim P7 geht’s trotz einer sensationellen Überkopfverglasung in zweiter Reihe nicht ganz so ausladend zu – aber ohne ein bisschen Demut vor dem Design sitzt sich’s halt nicht.

Innen haben sich die Neuen schön angreifbar gemacht. Statt Hartplastik findet sich jede Menge Umschäumtes, Bespanntes und Gestepptes. Auch nach unsauberen Spaltmaßen sucht man vergebens. Sehr viel einladender kriegt man es auch bei Deutschlands Premium-Produzenten nicht. Sicherer übrigens ebenso wenig. Serienmäßig wacht eine Armada an Assistenz über das Wohl der Insassen. Sie wahrt Tempo, Spur und Abstand, späht in tote Winkel, assistiert im Stau und wirft im Notfall selbstverständlich den Anker. Lediglich ein Head-up-Display sucht man vergebens. Dafür gibt’s im G9 einen separaten 15-Zoll-Bildschirm für die Beifahrerseite.

Aufgeräumtes Cockpit

xpeng p7 und g9: doppelter strom-schlag

Der Xpeng G9 verfügt über ein großes Display; es reicht fast über die gesamte Breite. Foto: Xpeng

Höchst aufgeräumt zeigt sich hier wie dort der Kommandostand. Was alles sensationell dezent aussieht, aber selbst bei einfachen Dingen den Touchscreen erfordert. Das kann man mögen – muss man aber nicht. Die Luftströme dort per Finger zu dirigieren verleiht einem vielleicht die Erhabenheit des Windgottes Aiolos – ein ganz irdisch verschiebbares Gitter täte es aber womöglich auch. Hoffentlich noch ein Manko der frühen Exemplare: Die Xpeng erkennen zwar Tempolimits, nicht immer jedoch die zeitliche Beschränkung auf nächtliche Stunden.

Jenseits der Silhouette gibt es auch technisch erhebliche Unterschiede. Der P7 basiert auf einer 400-Volt-Architektur, die Batterie verfügt über eine Kapazität von 86,2 kWh. Das Modell „Long Range“ mit Heckantrieb bringt es auf 203 kW (276 PS) und eine WLTP-Reichweite von 576 Kilometer. Dennoch gilt der Satz von Rallye-Ikone Walter Röhrl, wonach ein Auto mit zwei getriebenen Rädern eben bloß eine Notlösung ist.

Bei der „Performance“-Version haben die Chinesen dieses Prinzip beherzigt und an die Vorderachse noch einen Motor mit 145 kW (197 PS) gepackt. Damit büßt man zwar 70 Kilometer Radius ein, schafft die dreistellige Tachoanzeige aus dem Stand aber in 4,1 Sekunden. Für Genießer gibt es den Allradler auch in der „Wing Edition“ mit vertikal schwenkenden Türen – und serienmäßig neidischen Blicken.

SUV mit 800 Volt

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Rund drei Jahre nach dem Europadebüt in Norwegen kommt der G7 nun nach Deutschland. Foto: Xpeng

Das SUV-Flaggschiff G9 haben die Chinesen standesgemäß schon mit 800 Volt auf Kiel gelegt. Die Versionen „Standard“ (78,2-kWh-Batterie und 460 Kilometer Reichweite) sowie „Long Range“ (98 kWh und 570 Kilometer) treiben achtern mit 230 kW (312 PS), das Modell „Performance“ – ebenfalls mit großem Akku – wartet hier neben Allradantrieb und 405 kW (550 PS) mit serienmäßiger Luftfederung und einem Standard-Spurt in 3,9 Sekunden auf. Der Radius liegt bei maximal 520 Kilometern. Auch in China gilt schließlich Buch eins der Batterie-Bibel: Dynamik kostet Distanz.

So oder so ist irgendwann der Saft alle. Für das Laden von 20-80 Prozent benötigt die P7 Limousine 25 Minuten bei maximal 175 kW, der G9 zieht mit 800 Volt und 300 kW gerade mal eine Viertelstunde. An der Wallbox indes schaffen beide Modelle lediglich 11 kW. Das kann die Konkurrenz oft genug doppelt so gut.

Ansonsten fahren sich beide Modelle, wie man es von einem potenten E-Auto erwarten darf. Der P7 agil und ausreichend straff, auch wenn die Lenkung stärker das Gefühl vermitteln dürfte, dass Vorderräder und Volant in enger Beziehung stehen – der G9 souverän, aber eben nicht wirklich leichtfüßig. Gewicht drängt bei zügiger Bogenfahrt selbst auf 21-Zöllern unwiderstehlich Richtung Tangente. Besser man genießt die entspannte Reise in gut konturierten Sitzen und bestens gedämmt gegen all den Lärm von draußen.

Piepen und bimmeln überall

xpeng p7 und g9: doppelter strom-schlag

Sportlich: die Limousine Xpeng P7. Foto: Xpeng

Leider nicht gegen den von innen. Die geballte Assistenz nämlich sorgt für ordentlich Akustik. Aus allen Richtungen piepst, bimmelt und warnt es. Und das schon, wenn man irgendeiner Linie auch nur einen Hauch zu nahekommt. Fünf Sterne beim NCAP-Test können manchmal auch ein Fluch sein. Immerhin gibt’s ab Werk nahezu Vollausstattung mit LED-Licht, Parkassistent mit 360-Grad-Kamera, Sitzheizung auf allen Plätzen, Navi, Sound-System, sensorgesteuerter Heckklappe, Memory-Sitzen Klimaautomatik, 15-Zoll-Bildschirm und Sprachsteuerung.

Der hohe technische Standard hat natürlich seinen Preis. Der P7 startet bei 49.600 Euro, für den Top-Allradler öffnen sich die Flügeltüren ab 69.600 Euro. Beim G9 ruft Xpeng zwischen 57.600 und 69.600 Euro auf. Das ist nicht wenig Geld und dennoch eine echte Ansage gegenüber denen, die im Wappen Stern, Ringe oder Weiß-Blau tragen. Und wem knappe fünf Meter womöglich zu wuchtig sind – fürs kommende Jahr versprechen die Chinesen ein weniger ausladendes SUV und für 2026 einen kleinen Crossover. Die Offensive aus dem Reich der Mitte dürfte also anhalten.

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