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Neue Autos von BMW: Eine Ende der dicken Autopanzer?

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Ist die „Vision M Next“ wirklich „der bestaussehende BMW seit 1979“?

Auf die viel gestellte Frage, wie die Zukunft des Automobils aussieht, kann man schon jetzt eine ziemlich präzise Antwort geben: Die Zeit der Allrounder ist vorbei. Die Zeit, in der man mit dem Volkswagen Käfer (früher) oder mit dem großen SUV (heute) sowohl zur Arbeit als auch in die Ferien, zum Bäcker wie zum Kindergarten fuhr, wird bald ihr Ende finden, denn etliche der aktuellen Probleme des Planeten rühren daher, dass sehr viele Leute es angemessen finden, mit einem über zwei Tonnen schweren, über 240 Stundenkilometer schnellen Komfortpanzer ein etwa ein Meter großes Kleinkind zum Kindergarten zu fahren und anderweitige innerstädtische Kurzstrecken zu erledigen und die dortige Luft gleich mit. Wäre es nicht viel sinnvoller, zu unterscheiden zwischen sehr kompakten, sehr leichten Vehikeln für die Innenstadt und Überlandautos für weite Fahrten – und zwischen dem Auto als Fortbewegungsmittel und dem Auto als Kunstwerk, das man nicht für den alltäglichen Transport, sondern für Ausfahrten und zum Spaß bewegt?

Bei einigen der blechummantelten tonnenschweren Sofagarnituren, die auch BMW gerade im SUV-Segment in die Verkaufsräume rollt, kann man sich fragen, wo die viel beschworene „Freude am Fahren“ da bitte sein soll – und entsprechend erleichtert ist man, dass der Autohersteller trotz der Geschmacksverirrungen von Marketingabteilung und Kundschaft offenbar noch in der Lage ist, wieder an den Punkt zurückzukehren, an dem der gute Ruf der Marke als Hersteller leichter, eleganter, eher kompakter Sportlimousinen einmal entstanden ist.

Kürzlich hat BMW die „Vision Neue Klasse“ vorgestellt, ein helles Konzeptauto, das mit seiner kleinen Haifischnase, dem Hofmeister-Knick und dem vielen Glas ein bisschen an die guten alten Sportlimousinen der Sechziger- und Siebzigerjahre erinnert, ohne zu retro zu sein, und diesmal von einem Elektroantrieb bewegt wird. Innen gibt es zur Verbesserung von CO₂-Bilanz und Laune statt dickem Chrom und echtem Leder gelben Cordstoff und weiße Recyclingmaterialien, die Rückleuchten sind architektonisch und klar gezeichnet wie ein Couchtisch der Ulmer Schule. Die Außenhaut des Konzeptautos ist so glatt wie ein iPad oder iPhone. Das Objekt, das das 21. Jahrhundert prägt, das Mobiltelefon, beeinflusst heute auch das Design des Automobils, das das vorangegangene Jahrhundert prägen durfte.

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Die „Vision Neue Klasse“ erinnert an die 60er und 70er Jahre, ohne retro zu sein – und das mit Elektromotor

Neuer M2 erinnert an die Klassiker von BMW

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„M2“: Gesamtkunstwerk aus Motorklang, Körperbeschleunigung und Form

Bevor die neue Klasse auf den Markt kommt, nimmt BMW ein Auto ins Programm, das die alten, im SUV-Zeitalter verloren gegangenen Tugenden in Szene setzt: Das aktuelle 2er Coupé verkörpert alles, wofür einst der 2002er BMW und der erste Dreier standen: klein, schnell, kompakt, weit zurückgesetztes Greeenhouse, kurzes Stufenheck, zwei runde Scheinwerfer, klare Form. Das neue Modell gibt es mit einem halb vernünftigen Vierzylindermotor und – für diejenigen, die das Auto nicht primär als vernunftorientiertes Fortbewegungsmittel, sondern als unterhaltsames Gesamtkunstwerk aus Motorklang, Körperbeschleunigung und Form betrachten – auch als „M2“ mit Dreiliter-Reihensechszylinder und 460 PS. Dieses Modell erkennt man an einer Front, an der es überhaupt kein Chrom mehr gibt. Während die Konkurrenz von Mercedes immer mehr dem Lamettakitsch verfällt – leuchtende Mercedes-Sterne als Kühlergrill, Swarovski-Steine in den Scheinwerfern, falsche, heftig umchromte Auspuffrohrimitate –, setzt die Designabteilung von BMW mit der geometrischen Plastiknase des M2 auf eine Ästhetik, die an das italienische Industriedesign und die brutalistische Architektur der Siebzigerjahre erinnert.

Die Front des M2 mit den chromlosen Nüstern ist Plastik im doppelten Sinn – als Material und als Synonym von „Skulptur“. Was vielleicht kein Zufall ist, wenn man weiß, welchen Hintergrund der Mann hat, der ihn entwarf: José Casas, Senior Exterior Designer bei BMW, wurde in Mexiko City geboren, in dem Land, in dem das Auto auch gebaut wird, seine Eltern sind Architekten. Als Kind, erzählt er, sei er nach der Schule immer in deren Büro gegangen und habe gezeichnet, schon früh konnte er sich für deutsche und italienische Autos begeistern und für die Idee, dass man ein Objekt entwerfen kann, das dann wirklich massenhaft auf den Straßen auftaucht, „das man berühren und benutzen kann“ und das Menschen im doppelten Sinn bewege, sagt Casas. Schließlich geriet er auf abenteuerlichen Wegen als Praktikant zur italienischen Karosserieschmiede Pininfarina – und dann zu BMW, wo er die Studie „Vision M Next“ entwarf, die vom Automagazin „Autostrada“ als „der bestaussehende BMW in ungefähr 15 Jahren, nein seit 1979“ gefeiert wurde. Die Studie war stilistisch wegweisend: Die dünnen Rückleuchten, die profilierten Nüstern, die wie zwei Tunnelröhren an der Front des Wagens prangen und das Nierenmotiv geometrisch komplex variieren – alles an dieser Form war eher architektonisch als barock-biomorph und ganz anders als so viele andere Autos der letzten Jahre, die eher an aufgequollene chinesische Drachen erinnerten.

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Der in Mexiko geborene BMW-Designer José Casas

Viele typisch deutsche Autos werden von ausländischen Designern entworfen

Darin erinnert Casas’ Idee von Autodesign an einen Großen des Fachs, an den vor Kurzem verstorbenen Marcello Gandini, der 1968 mit einem radikalen Schnitt das Zeitalter der anthropomorphen Automobile mit ihren schwellenden Blechkörpern und runden Scheinwerferaugen beendete und stattdessen Architektur auf Rädern machte: Gandinis Alfa Romeo Carabo und der von ihm entworfene Lamborghini Countach waren Keile, deren plane Flächen kunstvoll komponiert waren, es gab kein Chrom und kein Deko-Holz, und außer den Rädern und dem Lenkrad war nichts an ihnen rund.

Auch er sei, sagt Casas, ein Fan des Einfachen, er wolle nicht Hunderte von Löchern und Ausbeulungen und Lufteinlässen und Texturen. Dass die Form seiner BMWs dann doch geometrisch komplex und dynamisiert wird, verdankt sich vielleicht Casas’ Interesse für den 2002er BMW aus den Siebzigern, den er als Referenz zitiert, vielleicht aber auch seiner Begeisterung für den anderen großen Bereich des Gegenwartsdesigns, in dem noch mehr Geld für technische Optimierung und Verführung durch Form ausgegeben wird: Der Designer hat eine große Sammlung von Sneakern. Man kann die Wurzeln von Casas’ Vorliebe für Pastell-, Neon- und Signalfarben hier vermuten, aber auch in der Firmengeschichte beim 1972er BMW-Turbo-Konzeptauto, das vom legendären französischen Autodesigner Paul Bracq entworfen wurde, der mittlerweile 90 ist.

Hier muss einmal auf ein erstaunliches Phänomen hingewiesen werden: Wie kommt es, dass so viele Autos, die als typisch deutsch, typisch französisch oder typisch italienisch gelten, das Werk von ausländischen Designern sind? Die elegantesten Mercedes-Fahrzeuge der Sechzigerjahre, der Pagoden-SL und der Strich-Achter, entstammen der Feder von Paul Bracq, der nach dem Wechsel zu BMW Anfang der Siebzigerjahre den Fünfer- und dann den Dreier-BMW entwarf, die noch heute das Image der Marke prägen. Der Amerikaner Tom Tjaarda entwarf den 124er Fiat Spider als Ausdruck der totalen Dolce Vita – und den De Tomaso Pantera gleich dazu; der futuristischste, noch heute wegweisende Porsche, das Modell 928, wurde 1977 von dem Letten Anatole Lapine entworfen; der legendäre französische Citroën DS ist ein Werk des Italieners Flaminio Bertoni und der Renault Clio eins des Niederländers Laurens van den Acker – und wenn kein Franzose den Fünfer entwarf, war es ein Italiener wie Ercole Spada (1988) oder ein Amerikaner wie Chris Bangle (2003).

Es muss manchmal vielleicht erst einer aus der Ferne kommen, um den Ortsansässigen zu zeigen, was ihre Qualitäten sind oder sein könnten, und vielleicht ist Autodesign und -formgebung immer auch eine sehnsuchtsvolle Projektion aus der Fremde und in die Ferne. In Zeiten wachsender Nationalismen wäre das eine gute Nachricht. 

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