Grenzwerte verschieben sich mit der neuen Abgasnorm nicht. Doch die Bedingungen, unter denen sie eingehalten werden müssen, reichen viel weiter als bisher.
- Das Neue
- Onboard-Diagnose der Abgasreinigung
- Motorkontrollleuchte und amtliche Kontrolle
- Geräuschvorschriften: 0.01 weiter
- Werden die Motorräder leiser?
- Zusätzliche Kontrollen
- Mehr zum Thema Motorrad
(Bild: Clemens Gleich)
Mit der Abgasnorm Euro 5 kam eine Flut neuer Anforderungen auf die Motorradhersteller zu. Da die Norm Euro 5 auf Autos zugeschnitten war, signalisierte die EU schon früh, dass für die Anwendung aufs Zweirad Anpassungen zu erwarten seien. Die Anpassungen kamen in Relation zu typischen Fahrzeug-Entwicklungszyklen relativ spät, nämlich 2019 und 2020, kurz bevor Euro 5 ab Anfang 2020 für Motorräder gelten sollte.
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Für viele Experten unerwartet war zudem der Bereich, in dem die EU Zugeständnisse machen wollte: ausgerechnet das Abgas. Das hätten nach dem Riesen-Halligalli um Volkswagens Abgas-Skandal nur wenige erwartet. Die Grenzwerte für die Schadstoffe blieben erhalten, doch die schwierigen Nachweise über die Dauerhaltbarkeit der Abgasnachbehandlung wurden auf 2025 verschoben, auf die Nachtischnorm Euro 5+, wie sie jetzt heißt.
Das Neue
Bei der seit 2020 gültigen Norm Euro 5 (ohne Plus) durften die Hersteller die Dauerhaltbarkeit noch durch ein relativ einfaches Verfahren belegen. Bei Motorradmodellen mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von über 130 km/h fuhr ein Homologationsmodell 3500 km, also 10 Prozent der für Motorräder von der EU als “Dauerhaltbarkeit” vorgesehenen Strecke von 35.000 km. Hierbei mussten die Werte 30 Prozent besser sein als in der Norm vorgeschrieben in der Erwartung einer linearen Degradierung über die restlichen 90 Prozent der Fahrstrecke.
So war es früher zu Euro 3, hier an der BMW R 1200 GS: Eine Lambdasonde pro Krümmer misst vor dem Katalysator. Diese Konfiguration konnte in Euro 4 und Euro 5 bis dieses Jahr zugelassen werden, ab 2025 muss für Euro 5+ mehr Technik her.
(Bild: BMW Motorrad)
Neu ist für Euro 5+, dass diese Extrapolation nicht mehr reicht. Es muss ein stärkerer Nachweis über die Dauerhaltbarkeit erbracht werden. Hersteller können dazu zum Beispiel die kompletten 35.000 km auf einem Prüfstand in einem vorgegebenen Messzyklus absolvieren und die Ergebnisse messen. Sie dürfen jedoch auch die Hälfte der Strecke messen und die zweite Hälfte aus den Messergebnissen ableiten. Da der Katalysator primär thermisch altert, können die Hersteller alternativ auf die gleichen Methoden der thermischen Alterung des Kats zurückgreifen, wie sie im Pkw-Bereich üblich sind. Der auf diese Weise künstlich gealterte Kat wird ins Testfahrzeug gebaut, das vermessen wird. Stimmen die Abgaswerte noch, kann das Modell so zugelassen werden.
Onboard-Diagnose der Abgasreinigung
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Bei der Kat-Diagnose überwachen die zwei Lambdasonden den Sauerstoffgehalt des Abgases im Kontext verschiedener Motor-Betriebszustände. Der Katalysator speichert Sauerstoff. Läuft der Motor fett, also mit Treibstoff-Überschuss und zu wenig Sauerstoff, gibt der Kat Sauerstoff frei. Läuft der Motor mager, also mit Luftüberschuss, lagert der Kat Sauerstoff ein. Die zwei Sonden messen die Werte vor und nach dem Kat. Zusammen mit Daten zum Abgasstrom berechnet die Motorsteuerung daraus das Sauerstoff-Verhalten des Katalysators. Aus diesen Daten lässt sich der Zustand des Bauteils bestimmen, weil das Sauerstoff-Verhalten mit der kompletten Kat-Wirkung korreliert.
Die KTM 1390 Super Duke R wurde bereits für Euro 5+ homologiert. Auf der linken Fahrzeugseite ist die zweite Lambdasonde zu erkennen, die hinter dem Kat den Sauerstoffgehalt des Abgases misst. Die erste Lambdasonde liegt auf der rechten Fahrzeugseite am Krümmer ganz nah am Auslass.
(Bild: KTM)
Motorkontrollleuchte und amtliche Kontrolle
Fehler im laufenden Betrieb erfährt der User im Sattel primär über die Motor-Warnleuchte. Zwar bleiben die Abgas-Grenzwerte für Euro 5+ grundsätzlich die gleichen wie für Euro 5. Die Onboard-Diagnose muss jedoch bei deutlich geringeren Abweichungen im Betrieb die Motor-Warnleuchte anschalten. Das betrifft die Werte von unverbrannten Kohlenwasserstoffen, Kohlenmonoxid und Stickoxiden. “Die Kunden sollten bei den nach Euro 5+ zugelassenen Fahrzeugen natürlich nicht häufiger die Warnleuchte sehen als bei früheren Modellen”, sagt Dr. Frank Schwarz. “Deshalb legen wir das System entsprechend robust aus.”
Die zu den funktionalen Diagnosen erhobenen Daten protokolliert das Motorsteuergerät. Die Werkstatt liest sie beim Service aus und die Hersteller übermitteln die Daten an das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA). Die Behörde erhält somit Belege für das korrekte Verhalten der Diagnosen im Regelbetrieb der Fahrzeuge.
Geräuschvorschriften: 0.01 weiter
BMWs 1300er-Boxermotor kann mit moderaten Änderungen an der Steuerung ins nächste Verkaufsjahr gehen, weil BMW die meisten Vorgaben für Euro 5+ schon vorher fertig hatte.
Stattdessen werden mehr Betriebszustände überprüft innerhalb der “zusätzlichen Bestimmungen zu Geräuschemissionen” (Additional Sound Emission Provisions, ASEP). Sie wurden mit der R41.04 eingeführt für Neuzulassungen ab 2016 und gelten für rund 80 Prozent der in Deutschland zugelassenen Motorräder (Klasse III). Die R41.05 erweitert die ASEP erheblich. Ab 2025 müssen die ASEP-Grenzwertkurven bis hinauf zu 80 Prozent der maximalen Drehzahl und im Geschwindigkeitsbereich 10 bis 100 km/h eingehalten werden. Zudem wird in allen Gängen gemessen.
Werden die Motorräder leiser?
“In den Betriebszuständen, in denen schon vorher gemessen wurde, verändert sich nichts”, antwortet Frank Schwarz. “In den Bereichen dagegen, in denen vorher nicht gemessen wurde, werden die meisten Motorräder leiser. Die R41.03 konzentrierte sich noch sehr auf das Szenario 'Beschleunigen am Ortsausgang'; die R41.04 stark auf Szenarien im innerstädtischen Bereich. Das neue Verfahren deckt weitere Teile, wie zum Beispiel einen Großteil aller Fahrbereiche im Landstraßenbetrieb ab.” Der Aufwand steigt damit erheblich. Es gibt etwa drei- bis viermal so viele Messpunkte wie vorher. Frank Schwarz sieht auf seinem Laptop nach: “Bei dieser Messung hatten wir zum Beispiel vorher fünf Messpunkte. Jetzt sind es 20.”
“WAAS!? WIE BIDDEEH?!” Hondas aktuelle Fireblade ist brutal laut. Diese Entwicklung konnte so einfach nicht nachhaltig weitergehen.
(Bild: Honda)
Zusätzliche Kontrollen
Ein weiterer Nachteil der R41.04 war, dass die Hersteller sich bis November 2019 selbst maßen und die Korrektheit bescheinigten. Die Behörden sollten hier eine Stichprobe aus der laufenden Produktion nachmessen. Seit November 2019 misst ein unabhängiger technischer Dienstleister (in Deutschland also TÜV oder Dekra) bereits zur Homologation. Dieser Prozess bleibt in der R41.05 erhalten. So werden Überschreitungen früher im Prozess erkannt.
Die neuen Lautstärkeregelungen werden also in den üblichen Landstraßenbereichen für geringere Motorgeräuschemissionen sorgen. Sowohl der Verband als auch die Hersteller haben sich um eine nachhaltige, soziale Lösung bemüht. Jetzt müssen auch die Fahrer und die Zubehörhersteller mitziehen.
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(cgl)