Motorrad

Yamaha R1​ im Test: Ihr letztes Rennen​ in Freiheit

Eine Ikone des Sports wird es nach 26 Jahren nicht mehr für den Straßenverkehr geben. Grund genug, sich ein letztes Mal auf die legendäre Yamaha R1 zu schwingen

yamaha r1​ im test: ihr letztes rennen​ in freiheit

(Bild: Gach)

“Die R1 wird Ende des Jahres eingestellt!”: Mit dieser Nachricht versetzte Yamaha seine Superbike-Fans in Schockstarre. Dann wurde noch die Information nachgeschoben: Nur die Version mit Straßenzulassung wird es nicht mehr geben, für die Rennstrecke wird sie weiter als R1 Race produziert werden, ohne Licht, Rückspiegel, Kennzeichenhalter und was sonst noch für die Straßenverkehrszulassung gebraucht wird. Genauso verfährt Yamaha mit der R6 Race schon seit einigen Jahren.

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Der Grund liegt in den zu geringen verkauften Stückzahlen, es lohnt den Entwicklungsaufwand nicht, die R1 auf die ab nächstem Jahr verbindliche Abgasnorm Euro 5+ zu bringen. Ob Yamaha die R1 technisch, also ohne Rücksicht auf Euro 5+, weiterentwickelt wird, ist noch unbekannt, aber da die Marke voraussichtlich weiter an der Superbike-WM teilnimmt, müssten sie es eigentlich tun, um konkurrenzfähig zu bleiben. Suzuki hat die Weiterentwicklung seiner GSX-R 1000 schon vor drei Jahren eingestellt und seitdem in Deutschland nicht mehr verkauft. Die Produktion in Japan wird dieses Jahr auslaufen. Honda hingegen beglückt seine Fans aktuell mit einer weiterentwickelten Fireblade, auch Kawasaki, BMW, Ducati und Aprilia halten an ihren Superbikes fest.

Erstes Superbike mit einem Liter Hubraum

Wir wollten die letzte R1 aber noch einmal auf der Straße ausführen. Vor 26 Jahren betrat die YZF-R1 – wie sie damals noch hieß – mit einem Paukenschlag die Bühne. Sie war das erste Superbike, das einen Liter Hubraum vollmachte und gleichzeitig so zierlich und leicht wie eine 600er war. Der Reihenvierzylinder leistete 150 PS, die Maschine wog mit vollem Tank nur 198 kg. Auf der Rennstrecke war sie damit die unangefochtene Königin. Sie rannte eindrucksvolle 270 km/h und gab sich dennoch ausgesprochen handlich. Es dauerte nicht lange, bis die Konkurrenz das Konzept kopierte. Ab 2004 wurde das Reglement der Superbike-WM entsprechend für Vierzylindermotorräder von 750 auf 1000 cm3 erhöht.

Yamaha R1 Details (10 Bilder)

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Das Design der R1 wirkt modern und sportlich, ohne allzu aggressiv aufzutreten. (Bild: Gach)

Bing-Bang-Motor

Seitdem hat die R1 etliche Weiterentwicklungen und Evolutionsstufen erfahren. Das aktuelle Modell mit dem Typencode RN65 leistet 200 PS bei 13.500/min sowie 113 Nm bei 11.500/min. Es ist die stärkste und schnellste R1 aller Zeiten, nicht zuletzt dank ausgeklügelter elektronischer Assistenzsysteme, die die gewaltige Power geregelt auf den Asphalt bringen. Der Reihenvierzylinder mit Crossplane-Kurbelwelle basiert auf dem M1-Motor von Yamahas MotoGP-Werksrenner. Die Kurbelwelle hat um 90 Grad versetzte Hubzapfen und zündet in der Reihenfolge 270 – 180 – 90 – 180 Grad, unter Race-Fans bekannt als „Big-Bang“-Motor.

Optimierte Aerodynamik

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Die R1 lehnt sich auch im Design an die MotoGP der Vor-Winglets-Ära an. Die Scheinwerfer verstecken sich unter der Vorderkante der Vollverkleidung, zwei sehr schmale Tagfahrlichter (alles LED) sind darüber integriert. Zentral dazwischen öffnet sich der Schlund, der die Luft direkt in die Airbox drückt. Die Aerodynamik des Superbikes wurde vor zwei Jahren optimiert, verzichtet aber weiterhin auf Winglets, wie sie die Konkurrenz inzwischen benutzt. Optisch kommt es der R1 zugute. Sie wirkt sehr dynamisch und dennoch leicht. Die Heckverkleidung weist zwei große Durchlässe auf und die Tankabdeckung vier wie mit dem Messer gestochene Löcher.

Mächtiger Rahmen

Ihr mächtiger Deltabox-III-Rahmen sorgt unter allen Umständen für absolute Ruhe auf der Rennstrecke, selbst bei noch so brutalen Brems- und Beschleunigungsmanövern gibt es weder Verwinden noch Pendeln. Das Fahrwerk stammt von KYB und ist komplett einstellbar, wobei die Grundabstimmung straff geriet. Der Pilot kann es jedoch ganz auf sich und seine Präferenzen abstimmen. Um das Fahrwerk an seine Grenzen zu bringen, braucht es schon einen Profi, der Normalo-Fahrer staunt nur über die Fähigkeiten der R1. Das trifft auch auf die radialen Advics-Bremsen zu, die gewaltig zubeißen. Es empfiehlt sich unbedingt, das Bremskontrollsystem auf Stufe 2 zu lassen, damit das Kurven-ABS aktiviert ist.

Reichlich Einstellmöglichkeiten

Womit wir zum ausufernden Thema Elektronik kommen. Das TFT-Display ist mit seinen fünf Zoll Größe fast schon etwas klein geraten, um die Mengen an Informationen anzeigen zu können. Bei der R1 braucht es ein paar Stunden intensiven Studiums der Bedienungsanleitung, um alle Möglichkeiten der elektronischen Assistenzsysteme zu begreifen. Wir wollen es aus Platzgründen hier nicht zu sehr vertiefen, deshalb nur die grundlegenden Einstellungen.

Yamaha R1 (4 Bilder)

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Es ist der letzte Jahrgang der Yamaha R1 mit Straßenzulassung. Eine Ikone der vergangenen 26 Jahre verlässt das Straßenbild. (Bild: Gach)

Die R1 verfügt über vier Fahrmodi A bis D, wobei D für Regen und A für den Renneinsatz gedacht ist. Aber bereits Modus B für den Straßeneinsatz hält so unglaublich viel Kraft bereit, dass es einem glatt den Atem verschlägt, wenn die 200 PS loslegen. Jeder Modus kann zudem in den Parametern Power (Gasannahme), TCS (Schlupfregelung), Slide-Control-System und Engine-Brake eingestellt werden. Hinzu kommen die Einstellbarkeit des Quickshifters, der Wheelie-Kontrolle und des Kurven-ABS. Manche Funktionen wie die Schlupfregelung und die Slide Control lassen sich sogar ganz abstellen, wovon wir aber dringend abraten.

Agil und präzise

Dass die R1 viel mehr kann als die meisten Fahrer, steht außer Frage. Dennoch lässt sie sich leichter chauffieren als vermutet. Sie gibt sich in der Stadt handzahm, abgesehen vom manchmal etwas holprigen Anfahren, was auf den sehr langen ersten Gang zurückzuführen ist. Tempo 50 im hohen Gang bereiten ihr hingegen keine Probleme. Auf der Landstraße erweist sie sich als überaus agil, lässt sich locker einlenken und präzise durch Kurven zirkeln. Die vorne schmale Sitzbank und der hinten schlank gehaltene Tank machen dem Fahrer das Turnen von einer Seite auf die andere leicht. Natürlich verführt das Superbike dazu, das Knie auszuklappen und es in Richtung Asphalt tasten zu lassen.

Topspeed 285 km/h

Die Vollverkleidung schützt den Fahrer wirklich gut, was neben der gewölbten Scheibe vor allem auch an der sportlichen Sitzposition liegt. Bei einer Höchstgeschwindigkeit von 285 km/h ist das auch dringend nötig. Allerdings werden die Arme bei der weit vorgebeugten Haltung auf Dauer merklich belastet, auch der Kniewinkel richtet sich durch die hoch positionierten Fußrasten nach den Ansprüchen der Rennstrecke. Wahre Virtuosen waren bei der Soundabstimmung am Werk: Bei langsamen Geschwindigkeiten noch verhalten, erhebt der Bing-Bang-Motor im mittleren Drehzahlbereich seine Stimme, um dann im fünfstelligen Bereich zu einem unverkennbaren Röhren überzugehen.

Die R1 gibt es ab 20.994 Euro. Noch, denn die letzten R1 werden dieses Jahr sich bestimmt großer Beliebtheit erfreuen und der kleine Vorrat dürfte bald ausverkauft sein. Nur Rennstrecken-Fans dürften sich nächstes Jahr für eine R1 Race ohne Straßenzulassung interessieren.

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(mfz)

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