Motorrad

MV Agusta Enduro Veloce: Premium für den Dreck

MV Agusta stellt ihr erstes Adventurebike vor. Mit einem neuen Dreizylinder und langen Federwegen soll sie sich im Gelände wacker schlagen. Der Preis: Premium.

mv agusta enduro veloce: premium für den dreck

(Bild: MV Agusta)

MV Agusta hat in seiner langen Historie alle Höhen und Tiefen durchgemacht. Ab den 50er bis in die frühen 70er-Jahre war sie sportlich die erfolgreichste Marke der Welt, dann kam 1980 die Pleite. Anschließend ging sie durch einige Hände. Zuletzt hatte der Russe Timur Sardarov das Sagen, bevor sich 2022 KTM zunächst als Teilhaber einkaufte und dieses Jahr die Marke ganz übernahm. KTM-Boss Stefan Pierer machte jedoch sofort klar, dass er die Produktion nicht, wie er es damals mit der Marke Husqvarna gemacht hatte, an den Hauptsitz nach Mattighofen in Österreich verlegen, sondern in Varese belassen wollte. Ein Aufatmen ging durch die italienische Belegschaft. Dennoch dürfte kräftiger Wind durch die heiligen Hallen von MV Agusta wehen. Vor allem die Situation im Einkauf und Vertrieb wird sich jetzt bessern, denn ein Konzern wie die Pierer Mobility AG hat natürlich aufgrund seiner Größe viel Einsparpotenzial.

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MV soll Sportmarke werden

Was die Modelle angeht, ist vieles offen. Die meisten MV Agusta-Modelle werden von einem in die Jahre gekommenen 800er-Dreizylinder angetrieben, die wenigen anderen von einem noch älteren 1000er-Reihenvierzylinder. MV Agustas sind immer echte Hingucker, manche wirken allerdings schon etwa über-designt. Allen gemein ist jedoch ihr sehr hoher Preis. MV Agusta betrachtet sich als Edel-Schmiede, die keine Billig-Bikes herstellt. Doch hat genau das ihre Verkaufszahlen stets sehr eingeschränkt. Höchstwahrscheinlich wird KTM seine neue Firma als reine Sportmarke weiter ausbauen. Die Österreicher produzieren nur Ein- und Zweizylindermotoren, MV Agusta wird wohl mit leistungsstarken Drei- und Vierzylindern aufwarten.

MV Agusta Enduro Veloce (8 Bilder)

mv agusta enduro veloce: premium für den dreck

Die Enduro Veloce wirkt schlank und durchtrainiert. (Bild: MV Agusta)

Der 800er-Motor wird auslaufen

Es ist zu erwarten, dass die 800er-Modelle von MV Agusta auslaufen werden, aktuell werden schon die Brutale und Dragster mit hohen Nachlässen in den Markt gedrückt. Stattdessen werden die Italiener zukünftig auf den neuen Dreizylinder mit 931 cm3 setzen. Als erstes Modell darf sich die Enduro Veloce mit ihm schmücken. Um sie gab es schon im Vorfeld Streit mit dem neuen Besitzer. Stefan Pierer sieht die Enduro von MV Agusta – zurecht – als Konkurrent seiner eigenen Adventure-Modelle von KTM und Husqvarna. Dass die Italiener ihre neue Enduro dennoch auf den Markt bringen dürfen, liegt wohl am Preis: MV Agusta verlangte zunächst satte 23.990 Euro, reduzierte den Preis jedoch schon nach wenigen Wochen auf immer noch stolze 22.000 Euro. Die KTM 890 Adventure und Husqvarna 901 Norden sind dagegen schon ab etwa 15.000 Euro zu haben. Selbst wenn es die beiden wohl bald mit dem neuen 990er-Zweizylinder von KTM geben wird, dürften sie sich preislich unterhalb der MV Agusta bewegen.

Dreizylinder mit 124 PS

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Von der Leistung her sind die Enduro Veloce und der 990er-KTM-Motor fast identisch: In der MV Agusta leistet er 124 PS bei 10.000/min und bietet ein Drehmoment von 102 Nm bei 7000/min, der österreichische Motor jeweils ein PS und Nm weniger, bei minimal geringeren Drehzahlen. Allerdings hat die Italienerin einen Zylinder mehr zu bieten und das könnte den dynamischen Unterschied ausmachen, in der Spitze soll sie über 220 km/h rennen. Den Design-Vergleich gewinnt die MV Agusta jedenfalls, sie wirkt eleganter und harmonischer. Ihre Verkleidung wird von zwei LED-Scheinwerfern mit Tagfahrleuchten geprägt, ein fast senkrechte stehender Schild leitet den Wind über den Fahrer. Ein Lüftungsgitter befindet sich seitlich am hochbauenden 20-Liter-Tank. Die Sitzbank ist gut gepolstert und in 850 oder 870 mm Sitzhöhe einstellbar. Ein schicker Gitterrohrrahmen bildet den Heckrahmen, der Gepäckträger ist genauso serienmäßig wie der Motorschutz und die Handprotektoren.

Lange Federwege

Die Enduro Veloce ist mit 210 mm Federwege vorne und hinten hochbeinig genug, um sich in fast jedes Gelände zu trauen. Die Upside-down-Gabel und das hintere Federbein stammen von Sachs und sind voll einstellbar. Wie es sich für ein echtes Gelände-Bike gehört, rollt sie auf Drahtspeichenrädern, vorne im 21-Zoll-Format, hinten in 18 Zoll. Vorn montiert ist ein relativ dünner Enduroreifen von Bridgestone der Dimension 90/90-21, hinten einer in 150/70-18 – hier setzen die Italiener auf Handlichkeit, vielleicht um den langen Radstand von 1610 mm zu kompensieren.

Reifenempehlungen für Enduros

Für ein leichteres Einlenken soll wiederum die gegenläufige Kurbelwelle sorgen, weil sie die Kreiselkräfte der Räder teilweise neutralisiert. Bei den Bremsen lässt MV Agusta nichts anbrennen und verbaut zwei Stylema-Vierkolbenbremszangen von Brembo mit 320 mm Bremsscheiben am Vorderrad, auch die hintere Zweikolbenbremszange stammt von Brembo. Gezackte Fußrasten mit abnehmbaren, vibrationsdämmenden Gummiauflagen runden das Enduro-Erscheinungsbild ab.

MV Agusta Enduro Veloce (0 Bilder)

Motor wiegt 57 kg

Stolz ist MV Agusta, dass die Enduro Veloce trocken angeblich 224 kg wiegt, mit allen Betriebsstoffen dürften es knapp 240 kg werden. Maßgeblich dazu beitragen soll der Motor mit seinen lediglich 57 kg. Natürlich kommt die Enduro Veloce mit dem vollen Elektronik-Paket, deren Herzstück eine sechsachsige IMU ist. Vier Fahrmodi, Kurven-ABS mit Abhebeerkennung des Hinterrads, einstellbare Schlupfregelung, Motorbremsmoment-Kontrolle, Tempomat und Launch-Control erleichtern das Fahren. Die Informationen liefert ein sieben Zoll großes TFT-Display mit Bluetooth- und WiFi-Konnektivität, das seitlich zwei USB-Stecker bietet.

Optisch überzeugend

Die Enduro Veloce ist zweifellos ein gelungenes Adventure-Bike, das nicht nur optisch überzeugen kann, sondern auch viel Kraft für die Straße und lange Federwege für Schotterstrecken bietet. Bleibt die Frage, ob sie auf Dauer im Modell-Programm der bald 80 Jahre alten Traditionsmarke MV Agusta bleiben wird. Wenn Stefan Pierer nicht glücklich mit ihr ist, könnte er schnell den Daumen senken.

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(fpi)

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