Porsche

E-Porsche im Test Macan Turbo: das vielleicht attraktivste Elektroauto – unter einer Bedingung

Das hier ist ein Fahrzeug mit 2,5 Tonnen. 2,5 Tonnen. Leer. Und 4,78 Meter lang. Immer wieder muss ich mir diese Tatsache ins Gedächtnis rufen. Denn der neue Porsche Macan fühlt sich nach vielem an, aber weder schwer, noch groß. Es ist schon erstaunlich, was Porsche hier auf die Räder gestellt hat. Doch fangen wir von vorne an.

Der Porsche Macan hat es nicht leicht – und das noch bevor er überhaupt bei den Kunden in der Garage gelandet ist. Porsche hat sich für die neueste Baureihe des SUV eine schwerwiegende Änderung einfallen lassen. Es gibt dieses Auto nur noch mit elektrischem Antrieb. Auch wenn man in Leipzig, wo das Auto gebaut wird, lieb “bitte” sagt, pflanzen die Monteure hier keinen V6 mehr ein. Das sorgte schon bei der Ankündigung des Wagens für einen Aufschrei – und es wird bei Puristen wohl auch so bleiben.

Der Hersteller legt bei den elektrischen Autos allerdings besonderen Wert auf zwei Dinge: Sie sollen sich anfühlen und fahren wie ein Porsche. Dass der Macan natürlich auch kostet wie ein Porsche, versteht sich von selbst. Für den gezeigten Testwagen müssen Interessierte exakt 137.614 Euro und 60 Cent bezahlen. Das ist nicht nur dem Basispreis des Macan Turbo geschuldet, der bei 114.600 Euro liegt, sondern auch den teils hochpreisigen Optionen, die Porsche verbaut hat. Einige davon seien allerdings dringend empfohlen. Mehr dazu später.

Porsche Macan Turbo: in der Spitze bis zu 639 PS

Schon die Basisdaten des Porsche Macan Turbo lesen sich, wie man es von diesem Hersteller erwartet. Der Wagen hat 584 PS und holt bei Benutzung der Launch Control sogar 639 PS aus dem System. Gepaart mit einem Drehmoment von 1130 Newtonmetern ist das mehr als genug, um jeden im Regen stehen zu lassen. Der Punch ist zwar nicht ganz so extrem wie im Taycan Turbo GT (hier die Testfahrt), presst die Passagiere aber trotzdem massiv in die Sitze. In 3,3 Sekunden ist die 100 geknackt, das Ende ist beim Macan Turbo laut Hersteller erst bei 260 erreicht,. Im Test waren es Tacho 270. Dann allerdings wird das Auto durch den Gegenwind auch sehr laut.

Die Batteriekapazität beträgt 100 Kilowattstunden – geladen wurde im Test mit maximal 280 Kilowatt. Das wird aber nur erreicht, wenn man eine entsprechende Säule findet. Übersetzt: Nach 20 bis 22 Minuten ist der Akku von 10 auf 80 Prozent gepumpt. Das ist zwar nicht der aktuelle Rekord, aber verdammt schnell und mehr als einen Kaffee schafft man in dieser kurzen Zeit kaum.

Test

Nur noch elektrisch: Das ist der Porsche Macan in Bildern

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Viel Zeit hat man hingegen an der Wechselstrom-Säule, denn der Macan schluckt hier nur 11 der üblichen 22 Kilowatt. Bei einem kurzen Einkauf macht das schon einen großen Unterschied und ist dieser Preisklasse unwürdig. Die beidseitig vorhandenen Ladeanschlüsse sollten hingegen Branchenstandard sein. Äußerst praktisch.

Wer auf die Tube drückt, verbraucht massiv Strom

Die Reichweite beträgt bei voller Batterie laut Hersteller 549 Kilometer, in der Praxis kann man bei gut gemischten Strecken etwa 100 bis 150 Kilometer abziehen. Die 400 Kilometer erreicht man bei vollem Akku in der echten Welt aber immer. Der Verbrauch pendelte sich im Test bei etwa 22 Kilowattstunden auf 100 Kilometer ein. Das ist ganz gut. Fährt man viel Autobahn, sind es eher 24 – auch das ist okay, geht aber natürlich merklich auf die Reichweite. Extremverbrauch kann der Macan Turbo aber auch. Beim Test der Höchstgeschwindigkeit standen am Ende der rund 50 Kilometer langen Fahrt 39,8 kWh/100km auf der Uhr.

Egal wie schnell oder kurvig es zugeht, der Macan liegt sicher auf der Straße. Beim Testwagen, der sowohl mit der optionalen Hinterachslenkung als auch mit der im Turbo serienmäßigen “adaptiven Luftfederung mit Niveauregulierung und Höhenverstellung inkl. Porsche Active Suspension Management (PASM)” ausgestattet ist, könnte man meinen, dass es sich um einen kleinen spritzigen Sportwagen handelt. Bei schneller Fahrt pumpt sich der gesamte Wagen runter und wird straffer, dank Hinterachslenkung kommt der eigentlich große SUV spielend um jede Kurve. Der kleine Spoiler fährt dann auch aus und erhöht die Stabilität zusätzlich. Fährt sich wie ein Porsche? Check.

Seines hohen Preises würdig

Kommen wir zum Look and Feel. Der optionale Motorsound, der sehr an ein Raumschiff erinnert, ist die Zusatzkosten in Höhe von 452,20 Euro kaum wert. Wenn schon elektrisch, dann gerne auch in aller Stille. Den markigen Sound hat der Macan beim Generationswechsel also naturgemäß verloren.

Sportwagen

Der neue Porsche 911 wird erstmals elektrisch – aber nur ein bisschen

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Die Optik ist jedoch mehr als gelungen. Flacher Aufbau, schöne Zierelemente, tolle Felgenauswahl und ein niedriger cw-Wert von 0,25 sprechen eine deutliche Sprache: Ja, dies ist ein hübsches und effizientes SUV. Die LED-Beleuchtung ist dabei nicht nur in puncto Funktion überzeugend, sondern schafft auch optisch einen echten Mehrwert. Aufpeppen lässt sich das ganze noch mit Carbonteilen oder besonders auffälligen Farben. Porsche setzt im umfangreichen Konfigurator fast keine Grenzen.

Die hohe Qualität findet sich auch im top verarbeiteten Innenraum. Das Leder, die Knöpfe – das hat alles Hand und Fuß. Vielleicht hätte man die Türfächer im Fond wertiger gestalten können, aber nichts knarzt, alles ist übersichtlich und formschön untergebracht. Das gilt nicht nur für den optionalen Sport-Chronographen auf dem Armaturenbrett, sondern auch für die bis zu drei großen Monitore im Cockpit. Das Instrumentendisplay hätte gerne analoge Elemente haben dürfen, aber auch Porsche entwickelt sich in diesem Bereich (leider) weiter. Selbst der neue 911 hat keinen analogen Tachometer mehr.

Für das Ertragen der digitalen Übermacht wird man mit pfeilschneller Technik belohnt. Das Porsche-Infotainment reagiert in Sekundenschnelle, nichts hakt und die kabellose Einbindung von Android Auto und Apple Carplay funktioniert tadellos. Der App-Store ist ein netter Zusatz, denn wer das Beifahrerdisplay bucht, zieht tatsächlich einen Nutzen aus Apps wie Youtube oder den Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten. Live-TV im Porsche? Auch das geht – und ist bei Ladepausen ein enormer Gewinn.

Anti-Nerv-Knopf

Trotz der vielen Funktionen ist das vergleichsweise kleine, dafür aber sehr handliche Lenkrad nicht völlig mit Knöpfen überladen. Die Bedienung ist daher einfach zu lernen und sehr intuitiv. Besonderer Dank gilt dem Ingenieur, der die individuell konfigurierbare Taste auch für das Abstellen der akustischen Tempowarnung freigeschaltet hat. Die nervt, wie in jedem anderen Wagen auch, ganz enorm. Zumal die Schildererkennung, an der sich der Wagen orientiert, manchmal zickt und falsche Infos liefert, etwa bei zeitlich begrenzten Limits, die in Großstädten üblich sind.

Die Kirsche auf der Torte, wenn man sie bezahlt, ist das große Head-up-Display über dem Lenkrad. Hier bekommt man sofort alle wichtigen Infos zur Fahrt auf einen Blick und sogar Pfeile auf den Straßen angezeigt, in die man einbiegen soll, wenn das Navigationssystem läuft.

Nur die große Schalttafel für die Klimaanlage hätte Porsche vielleicht etwas kompakter gestalten können. Sie nimmt doch einen beachtlichen Bereich in der Mittelkonsole ein, dafür, dass sie im Kern nur für das Raumklima sorgt. Außerdem ist sie aus Klavierlack – das sieht nur so lange schön aus, bis man es anfasst.

Insgesamt ist der Innenraum aber sehr stimmig und eine kleine Wohlfühloase, die mit sehr bequemen Sitzen überzeugt. Erwähnenswerter Negativpunkt: Im Fond gibt es für sehr große Menschen einen Hauch zu wenig Platz. Doch fühlt der Macan sich an wie ein Porsche? Check.

Fazit: Porsche Macan Turbo

Ginge es nur um den reinen elektrischen Fahrspaß, wäre man günstiger und diesbezüglich beinahe gleichwertig bedient, griffe man zum Hyundai Ioniq 5N (hier im Test). Der Porsche Macan ist – als Turbo – aber nicht nur furchterregend flott, sondern qualitativ allererste Güte.

Alles wirkt wie aus einem Guss, die Hardware greift mit der Software nahtlos ineinander und es fühlt sich an, als hätte man hier ein Elektroauto auf die Räder gestellt, welches erst einmal als Benchmark zu betrachten ist. Dazu bietet der Porsche einen luxuriösen Innenraum, top Verarbeitung und kontert das Gerücht, Elektroautos seien im Vergleich zu ihren Verbrenner-Pendants billige Plastebomber, mit Bravour.

Der Spagat ist schon erstaunlich: Ein SUV, das fährt wie ein kleiner Sportwagen. Dazu aber 2,5 Tonnen wiegt und eine Batterie an Bord hat, die für die meisten Strecken reicht und bei Ladepausen in etwa einer Kaffeelänge wieder auf 80 Prozent schießt.

Aber: Der Macan ist auch eine gefährliche Wette. Denn mit Einstiegspreisen von 80.700 Euro für den Macan Electric bis 114.600 Euro für den Turbo ist der Wagen nicht nur teurer als sein Vorgänger, sondern betritt umstrittenes Terrain. Der Taycan, ebenfalls ein tolles Auto, wird von Enthusiasten, die das Geld hätten, im Vergleich zu den Verbrennern geradezu verschmäht. Dieses Schicksal könnte dem Macan auch drohen, wenn auch SUV-Käufer vielleicht besser mit einem elektrischen Antrieb leben können, als Hobbyrennfahrer. Es wird sich zeigen, ob Porsches Commitment sich auszahlt, oder am schlechten Stand von Elektroautos scheitert.

Letzteres wäre völlig ungerechtfertigt, denn der Macan ist durchweg gelungen und vielleicht eine Blaupause für künftige Elektroautos. Leider, wie mehrfach erwähnt, ist er aber nur für die richtig dicken Geldbörsen in Reichweite. Und genau das ist die eine Bedingung, unter der der Macan zum derzeit vielleicht attraktivsten Elektroauto wird: wenn Geld keine Rolle spielt.

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