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Wenn das E-Auto havariert: "Neue Gefahren fordern eine neue Ausbildung"

Laut ADAC sind Stromer nicht häufiger von Pannen betroffen als Verbrenner. Doch Elektroautos stellen auch die Pannenhelfer in der Oberlausitz vor besondere Herausforderungen.

Steffen Halgasch ist Batterie-Experte beim Oberlausitzer Havarie- und Abschleppunternehmen Dussa. © Steffen Unger

Bautzen. An diesen Einsatz werden sich die Pannenhelfer von der Dussa GmbH noch lange erinnern. Die Polizei bringt im September 2023 nach einer Verfolgungsjagd in einem Gewerbegebiet in Ebersbach-Neugersdorf ein Auto zum Stehen. Nur wenige Stunden vorher war es in Dresden gestohlen worden. Das Besondere an der Angelegenheit: Bei dem Fahrzeug handelte es sich nicht um einen Verbrenner, sondern um ein E-Auto, das bei der Flucht zerstört wurde. „Es hatte sich in eine Stahlpalette gebohrt. Wir hatten die Aufgabe, es abzuschalten und das Fahrzeug so herzurichten, dass die Beamten nicht in Gefahr geraten“, sagt die Geschäftsführerin des Havariedienstes, Corinna Dussa.

Sicher, ein solcher Einsatz gehört für die Pannenhelfer aus der Oberlausitz mit fünf Niederlassungen in Bautzen, Görlitz, Löbau, Vierkirchen und Zittau nicht zur Normalität. Obwohl die Fallzahlen noch relativ niedrig seien, werde das Thema E-Mobilität für sie und ihre Kollegen aber präsenter. Das gibt Corinna Dussa den Anwesenden beim jüngsten Fernfahrerstammtisch an der A4-Raststätte “Oberlausitz” mit auf den Weg. Von den etwa 15.000 Hilfeleistungen 2023, schätzt Corinna Dussa, entfielen 35 auf Elektrofahrzeuge im hochkritischen oder kritischen Bereich.

Dominoeffekt bei brennenden Teilzellen

Hinter diesem Begriff stehen Unfallfahrzeuge, die unter besonderen Vorsichtsmaßnahmen geborgen und gesichert werden müssen. Die besondere Handhabung erklärt Dussas Kollege Steffen Halgasch. Er ist ein Batterieexperte. Aufgrund der verbauten Hochvoltbatterien stellen E-Fahrzeuge jeglicher Art ein besonders hohes Risiko in Unfallsituationen dar, sagt er. „Es sind R6-Batterien, aber zu Hunderten verbaut. Wenn diese Speicher Sauerstoff bekommen, gibt es eine heftige Reaktion.“ Auch in E-Bikes, E-Rollern, Notebooks und Handys sind vergleichbare Akkus verarbeitet.

Da das Löschen brennender E-Auto-Batterien mitunter tagelang dauern kann und die chemischen Reaktionen nur langsam abklingen, stellt gerade die Bergung schwer verunfallter E-Fahrzeuge für Rettungskräfte und Dienstleister eine Herausforderung dar. „Kommt es zu einem Brand, wird die Energie vor allem im Innern des Akkus freigesetzt, wo der Brand wie bei einem Dominoeffekt von Teilzelle zu Teilzelle überspringt. Um diesen zu löschen, hilft nur kühlen. Damit das gelingt, benötigt man in der Regel mehr Wasser als gewöhnlich“, sagt ADAC-Sprecher Jürgen Grieving.

Pannenhilfe im Spezialanzug und mit Atemschutz

Für Corinna Dussa und ihre Mitarbeiter heißt das Schulbankdrücken. „Neue Gefahren erfordern eine neue Ausbildung. Wir sind vom klassischen Bergeunternehmen zum Havarie-Dienstleister geworden. Jeder Fall ist für uns neu und besonders. Die Klassiker gibt es noch nicht“, sagt Corinna Dussa mit Blick auf alternative Antriebe. Mit Steffen Halgasch arbeiten im Familienbetrieb vier Batterieexperten im 24 Stunden/7 Tage-Dienst, geschult über den Partner ADAC Truckservice. Der hat unter anderem einen Expertenkreis zusammengestellt, um Standards für die Bergung von E-(Nutz)- Fahrzeugen zu erarbeiten.

Insgesamt beschäftigt die Dussa GmbH 70 Mitarbeiter. Die 41-jährige Chefin hat selbst die Schulung für Elektrofahrzeuge und Elektrohybride in Dortmund gemacht, ist aber nicht im Einsatz. Die spezialisierten Pannenhelfer stecken bei ihren (hoch-)kritischen E-Mobil-Einsätzen in Spezialanzügen mit Atemschutz und raten, vor der Ersthilfe immer einen Notruf abzusenden. Häufig seien hybride und vollelektrische Autos schwer identifizierbar. Das E-Kennzeichen sei noch nicht Pflicht, darüber hinaus gebe es herstellerspezifische Merkmale.

Deshalb gilt: „Hände weg von Orange. Wenn ein Akku in eine thermische Reaktion geht, riecht es wie verfaulte Eier. Es knistert“, sagt Corinna Dussa. Mit „Orange“ ist die Kabelfarbe und „Hochvolt“ gemeint. In E-Autos verlaufen Kabel, durch welche bis zu 450 Volt fließen. Zum Vergleich: Aus einer Steckdose kommen 230 Volt.

Häufigste Panne bei E-Autos: eine leere Batterie

Die Spezialisten kommen mit einem separaten Einsatzgespann, wo die sicherheitskritischen Akkus in einer Spezialbox abtransportiert werden können – auf eine Quarantänefläche. Zur Ausrüstung gehören Tablets mit Spezial-Apps, um bei der Fehlersuche zu helfen. Denn viel häufiger als Alarmstufe Rot sind auch bei E-Autos die Klassiker der Pannenhilfe: Bei Elektroautos ist, wie bei Verbrennerfahrzeugen, eine leere Starterbatterie die häufigste Pannenursache, sagt der ADAC-Sprecher. Das ist eine Einschätzung, die auch Corinna Dussa teilt.

Von den bundesweit über 30.000 ADAC-Einsätzen bei rein elektrisch betriebenen Autos entfiel 2023 allein die Hälfte auf eine defekte Starterbatterie. Hybridautos blieben nach der ADAC-Statistik im vergangenen Jahr 43.565-mal liegen, hier war die Starterbatterie in 64 Prozent aller Fälle schuld. Laut Kraftfahrt-Bundesamt waren zum Jahreswechsel 2023/24 in Deutschland etwas mehr als 1,4 Millionen E-Autos zugelassen, das ist gegenüber dem Vorjahr ein deutlicher Zuwachs. Damit ist auch der Zuwachs der Pannen bei E-Autos zu erklären. In Sachsen allerdings gingen 2024 die Neuzulassungen von E-Autos wieder deutlich zurück.

    Laut ADAC-Pannenstatistik wurden bei E-Autos 2,8 Pannen pro 1.000 Fahrzeuge verzeichnet, während die sogenannte Pannenkennziffer bei den Verbrennern bei 6,4 liegt. Laut dem größten Automobilclub Europas würden Elektroautos nicht häufiger brennen als Fahrzeuge mit Benzin- oder Dieselmotor.

    Das Wissen der Dussa-Mitarbeiter in der Oberlausitz ist indes nicht nur auf der Straße gefragt. Sie werden immer häufiger auch von Polizei und Feuerwehr als Experten hinzugezogen – so wie eben beim Einsatz als Havariehelfer und Fahrzeugsicherer in Ebersbach-Neugersdorf.

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