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Besser mit BEV - und schnell billiger: Fahrbericht Ford E-Transit Custom

Wie veraltet sich selbst topmoderne Verbrenner mittlerweile anfühlen wird im direkten Vergleich klar: Der E-Transit Custom fährt dem Diesel bei Effizienz, Komfort und Performance davon. Und bietet dabei kaum weniger Praktikabilität. Zudem kontern niedrige Kosten den nur noch etwa 5.000 Euro höheren Preis. Die erste Runde im Rahmen des “Van of the Year”.

besser mit bev - und schnell billiger: fahrbericht ford e-transit custom

(erschienen bei LOGISTRA von Johannes Reichel)

Was für ein Kontrast: Wer den etwas ungewohnt auf dem Infotainment platzierten Startknopf drückt, erntet im Stromer diskrete Stille – und im Selbstzünder kräftiges Brummen. Der E-Transit Custom ist ganz klar der bessere Custom, der nun mit dem Plug-in-Hybrid auf den Markt kommt: Im Sommer 2024 ist es so weit, der Diesel startete schon im Herbst 2023 durch. Das schönste dabei: Ford hat es geschafft, den Preis des BEV dramatisch zu drücken – und so bleibt nun nur noch eine Lücke von 5.000 bis 7.000 Euro zum Diesel (100 oder 125 kW Automatik, 3 t L1) oder dem etwa preisgleichen PHEV. Sprich: Bei 48.700 Euro netto für den 100-kW-L1-Van stromert man los, 2.000 Euro mehr muss man für die (unnötige) 160-kW-Variante berappen.

Der Stromer bildete auch den Ausgangspunkt der Entwicklung, weil die Unterbringung des mit 64 kWh netto (bei allerdings üppigen 82,5 kWh brutto!) Lithium-Ionen-Akkus im Unterboden und das Heckantriebskonzept die höchste Komplexität aufwiesen. Dadurch mussten die Ingenieure auch von einer im Vorgänger eher harschen und hüftsteifen Starrachse auf eine Einzelradaufhängung umstellen, zwischen deren Armen sich nun die hauseigenen Elektro-Synchronmaschine befindet. Die leistet 100, 160 oder als sportiv-spoilerbewährte, markentypisch wilde MRST-Version gar 210 kW und fährt stets üppiges Drehmoment von 415 Nm aus dem Stand auf. Wer unter der Haube durch den Wegfall des Diesel-Motors dann übrigens einen Frunk erwartet, wird allerdings enttäuscht. Allerhand Nebenaggregate füllen den vielen Raum ein wenig aus. Gut, es gibt ja innen genug Platz, finden auch die Ford-Ingenieure.

Anhängelast wie der Diesel

Weshalb man auch in dieser Klasse auf den Heckantrieb setzt, wird klar, wenn man die Anhängelasten betrachtet: Die liegt mit 2,3 Tonnen fast auf dem Niveau des Diesel (2,5 to) und auch das Gesamtgewicht des 3,2-Tonners ist üppig. Sodass auch im BEV eine gute Tonne Nutzlast übrig bleiben soll, selbst wenn die Akkus trotz moderater Größe hier einen Malus zum besonders nutzlaststarken Selbstzünder (ab 1.780 kg Leergewicht, bis 1.350 kg Nutzlast) bescheren, der nicht wegzudiskutieren ist. Immerhin speckte die gesamte Konstruktion zum Vorgänger um 100 Kilo ab. Im Laderaum gleichen sich Diesel und Stromer dann wie ein Ei dem anderen: In zwei Längen stehen 5,8 bis 8,9 Kubikmeter Volumen zur Verfügung, das Frachtabteil liegt tiefer wie das ganze Fahrzeug und die ganze Karosserie wirkt deutlich hochwertiger verarbeitet als beim teils etwas nachlässig verfugten Vorgänger.

Trotz Mehrgewicht leichteres Handling

Dass sich der BEV trotz höherem Gewicht leichtfüßiger anfühlt als der Diesel, hat mit dem tiefen Schwerpunkt zu tun, obwohl die 250 bis 300 Kilo der Verbrennerantriebseinheit vorn wegfallen. Der Stromer liegt satt und fett auf der Straße, kratzt lustvoll die Kurven auf dem Parcours des Ford-Prüfgeländes in Lommel und fühlt sich an wie aus einem Guss, vielleicht nicht ganz so dynamisch und flummiartig wie der VW ID.Buzz, aber nahe dran. Dazu kommt ein kompakter Wendekreis – und eine gute Übersicht dank tiefer gezogener Frontscheibe und -Partie, erwachsener Spiegel und wahlweise digitalem Rückspiegel.

Schon die 100-kW-Maschine schiebt agil von hinten und lässt sich selbst bei vollem Leistungseinsatz im Sportmodus kaum provozieren, die Räder behalten meist gut Grip, selbst im unbeladenen Fahrzeug. Der „Sport“-Modus lässt das ganze Antriebssetting spitzer ansprechen, ist aber im Lieferalltag irrelevant. Umgekehrt werden im Eco-Modus Klimafunktionen “gedimmt”, was Energie sparen soll.

Hohe Karosseriesteifigkeit

Die erhöhte Steifigkeit der Karosserie fügt sich gut ins Bild, der BEV-Custom verwindet nicht, knistert nicht, wirkt fest und steif zusammengefügt. Ebenso satt und leicht schließen die Türen wie auch das Heckportal, die übrigens per Taster statt Zug am Bügel reagieren. Der E-Motor im Heck ist dabei völlig unauffällig und lässt vorn nicht einmal mehr das typische Sirren hören, die Kraft entfaltet sich wie beim großen Bruder E-Transit wie aus dem Nichts. Kein Vergleich zum – mit Verlaub – zum Radau im Verbrenner, erst recht, wenn man dessen Kraft mit einer Handschaltung und per Kupplung portionieren muss. Umso mehr fällt durch den leisen Motor auf, dass der Custom ein generell leises, gut gedämmtes Fahrzeug ist: Wind- und Abrollgeräusche liegen auf erfreulich niedrigem Niveau.

Viel Platz und ebener Boden

Solche Nöte kennt der Stromer nicht, er braucht auch keinen fetten Schaltknauf mehr, sodass die Beinfreiheit in der topfebenen Kabine für den etwaigen Mittelsitzenden gut ist und der Durchstieg im Zweifel problemlos gelingt. Unter der hochklappbaren Sitzbank findet das Ladekabel Platz – oder größere Utensilien. Die Gangwahl erfolgt über den rechten Lenkstockhebel. Wer allerdings mehr Rekuperation will als die „milde“ im Normalmodus oder “L” per Tipp am Lenkstockhebel, der kann statt in den Untiefen des Sync4-Systems abzutauchen direkt über den Modustaster den „One-Pedal-Drive“ aktivieren.

Der hält dann was er verspricht und man bewegt den E-Custom wirklich wie eine Tram: Stramm ist die Verzögerung und zwar bis zum Stillstand. Das Bremspedal wird da meist arbeitslos. Angenehm im vielen Stau bei der ersten Realfahrt in Frankfurt: Der Stop-and-Go-Assistent, der zuverlässig den Brems- und Anfahrjob übernimmt, Tipp aufs Fahrpedal genügt. Ford verzichtet auch auf einen Kriechmodus, besser dosierbar allemal, beim Rangieren und beim Anfahren. Apropos: Die elektrische Parkbremse löst und legt sich automatisch ein.

Das rechte Maß: Mittelgroßer Akku, hohe Effizienz

Über den Verbrauch lässt sich anhand der schon ziemlich reifen Vorserienfahrzeuge nicht wirklich etwas sagen. Aber hochgerechnet auf die 64 kWh Netto und die angegebenen 337 Kilometer Reichweite wären das knapp 19 kWh/100 km, die sich auch mit den Werten im Bordcomputer decken. Im Stadtverkehr dürften es locker 400 Kilometer sein. Genug für die meisten Strecken, 80 Prozent der Kundschaft fahren nie mehr als 200 Kilometer, laut Statistik der Hersteller. Die erste Tour durch Frankfurt ergab im Minimalfall dann 19 kWh/100 km, mit etwas Überland und Autobahn eher 22 bis 24 kWh/100. Hier geht noch weniger, würden wir sagen! 300 Kilometer sollte der Custom stets packen.

Schneller Lader ist wichtiger als großer Akku

Und wenn doch mehr Reichweite gefragt ist, dann hilft beim E-Custom ein serienmäßiger 125-kW-DC-Lader, der mit dem 11-kW-AC-Lader eine plausible Ladeeinheit bildet. In 10 Minuten sollen sich so 82 Kilometer Reichweite nachfassen lassen, in einer halben Stunde ist man von 15 auf 80 Prozent befüllt. Die Platzierung des Ladeanschlusses ist speziell für schwere DC-Kabel vorn im Stoßfänger noch einigermaßen ok. Allerdings fürchtet man um die empfindliche und teure Ladetechnik bei etwaigen Parkremplern.

Neuartige Wärmepumpe in Serie

Apropos teure Technik: Dass Ford es ernst meint mit dem Stromer zeigt die Tatsache, dass man erstmals eine dampfeinspritzende Wärmepumpe in Serie verbaut, was die Effizienz speziell im Winter hochhalten soll. Ansonsten erhält der Stromer das gleiche zeitgemäße und komplette Package an Fahrerassistenz, das auch den Verbrenner auszeichnet. Premiere feiert die „Exit Warnung“, die per LED in den Spiegeln vor nahenden Radfahrern oder Autos warnt, wie auch die Notbremse natürlich Radler oder Fußgänger erkennt. „City-friendly“ soll der Custom sein. Stand der Dinge und Serie sind dann der recht gefühlvoll regelnde aktive Spurassistent, der intelligente Tempomat mit Verkehrszeichenerkennung, der zügig das erlaubte Tempo adaptiert oder die Einparkhilfe am Heck.

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Alle Assistenz wie beim Verbrenner

Auf teilautomatisches Niveau kommt der Custom dann mit der ebenfalls zuverlässig regelnden adaptiven Abstandsautomatik, Totwinkelwarner inklusive Spurwechselwarnung oder der Querverkehrswarner mit Notbremse und die 360-Grad-Rückfahrkamera. Der Delivery Assist ist eine frei programmierbare Bündelung von Funktionen, die etwa automatisch die Fenster und Fahrertür schließen, den Warnblinker einschaltet, die (wahlweise elektrische) Schiebetür öffnet und so weiter …

Bei der Rückkehr kann man dann schlüssellos entern und starten. Und klar ist auch die gesammelte Ford-Telematik nebst App, Infotainment, 5G-Modem und Alexa-Sprachassistenz mit an Bord. Dann lässt der E-Custom dem Diesel erst recht keine Chance mehr. Zumal Ford verspricht, die Mehrkosten des Stromers über deutlich günstigere Lebenszykluskosten (Total Cost of Ownership), etwa 40 Prozent niedrigere Wartungsaufwände wieder hereinzufahren. Keine Frage, der beste Custom fährt mit Strom. Und Kooperationspartner VW kann sich auf eine feine Basis für den Transporter-Nachfolger freuen.

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