In Nordamerika mutierte der Turnier zum Mercury Capri Station Wagon
Das Stöbern in Konzernarchiven hat immer den besonderen Charme einer Wundertüte. Schließlich weiß man nie, was sich so alles findet. Etwa kürzlich bei der Suche nach historischen Fotos bei Ford. Unter dem Stichwort “Capri” tauchte plötzlich nicht nur der uns wohlbekannte Sportwagen von 1969 bis 1986, sondern noch ganz andere Capri auf.
Wir reden jetzt nicht vom über zwei Tonnen schweren Elektro-SUV namens Capri, welches Fußball-Legende Eric Cantona in Werbespots etwas bemüht als cool herausstellt. Sondern von einem Kombi mit dem schönen Namen Mercury Capri Ghia Station Wagon aus dem Jahr 1972. Sie sehen ihn oben. Und denken sich vermutlich: Aber das ist doch der Taunus TC Turnier, wie es ihn bei uns zwischen 1970 und 1975 gab.
Korrekt. Und trotzdem gab es mal einen Capri Kombi. Allerdings wohl nicht in Serie, zumindest findet man keinen Verkaufsprospekt mit ihm drin.
Bildergalerie: Mercury Capri und Capri Station Wagon (1971-1979)
Ford
Die erste Generation des Ford Capri wurde Anfang 1969 in Europa eingeführt (und von Ford of Britain unter Verwendung von lokal beschafften Komponenten des Cortina MkII und des Escort entworfen, wobei die Pläne bis ins Jahr 1964 zurückreichten, als die Entwicklung einer europäischen Variante des Mustang begann) und ab April 1970 von der Lincoln-Mercury Division vermarktet.
Obwohl er als Teil der Mercury-Modellreihe vermarktet wurde, trug der Capri keinen Markennamen, sondern nur den Schriftzug “Capri” auf der Haube. Mit einem Preis von 2.300 Dollar zum Zeitpunkt seiner Einführung wurde der Capri als preiswertes, sportliches Coupé vermarktet (ohne gehobene Ausstattungsstufen, anders als seine Varianten auf dem europäischen Markt, wie GT, RS, L, XL und XLR), das weitaus kleiner als der Mercury Cougar und Montego war.
Bei der Anpassung an den amerikanischen Markt erfuhr der Capri einige geringfügige Überarbeitungen, wobei die beiden rechteckigen Scheinwerfer des Ford Capri durch vier runde Scheinwerfer ersetzt wurden (wie bei einigen gehobenen Capri-Modellen für den europäischen Markt, z. B. dem RS oder GT – die rechteckige Beleuchtung entsprach nicht den Vorschriften), sowie durch am Kühlergrill montierte Blinker und Seitenmarkierungsleuchten; Rostyle-Räder gehörten zur Standardausrüstung.
Mercury Capri (1971)
Für 1973 wurde die vordere Stoßstange überarbeitet, um die 5-mph-Stoßstangennorm (8 km/h) zu erfüllen. Die bisherige Chromstoßstange wurde mit einem Stahlrohr verstärkt und mit Stoßdämpfern am Rahmen befestigt (was die Karosserie um einige Zentimeter verlängerte). Im Zuge dieser Änderungen wurden auch der Kühlergrill, die Rückleuchten und die hinteren Zierleisten des Capri verändert.
Im Rahmen einer Überarbeitung des Innenraums erhielt der Capri ein neues Lenkrad, ein neues Armaturenbrett und eine neue Sitzverkleidung sowie einen neu gestalteten Kabelbaum. Für das Jahr 1974 wurden vorne und hinten fette 5-mph-Stoßstangen angebracht.
Mercury Capri (1977, Kanada)
Eine Mercury-Version des Ford Mustang II mit der Bezeichnung Capri (ein Vorschlag, bei dem die 2+2-Karosserie des Mustang II mit einem abgerundeten hinteren Viertelfenster und einer charakteristischen Karosserieform verwendet wurde) wurde kurzzeitig in Erwägung gezogen, aber die starken Verkäufe des Europa-Capri als konzerneigener Import ließen diese Pläne fallen.
Nach dem Modelljahr 1977 beendete Lincoln-Mercury den Import des Capri II von Ford of Europe, wobei nicht verkaufte Exemplare noch im Modelljahr 1978 veräußert wurden. Insgesamt wurden von 1970 bis 1978 satte 513.500 Capri/Capri II von Lincoln-Mercury abgesetzt. Auf seinem Höhepunkt waren die jährlichen Capri-Verkäufe in Nordamerika die höchsten aller Importfahrzeuge (mit Ausnahme des Volkswagen Käfer).
Mercury Capri (1979, Kanada)
Mercury Capri (1990-1994)
Und was ist nun mit dem Taunus Turnier alias Mercury Capri Ghia Station Wagon? Nun, die Bildunterschrift aus dem Archiv vermerkt das Kürzel CN, offenbar wurde das Fahrzeug in Kanada angeboten.
Die logischste Erklärung: 1970 entfiel der Falcon als Einstiegsmodell von Ford aus dem Nordamerika-Programm, ihn löste der Maverick ab. Doch diesen gab es im Gegensatz zum Falcon nicht als Kombi. Das Mercury-Schwestermodell des Maverick war übrigens der Comet. Ab 1977 folgten der Ford Fairmont und der Mercury Zephyr, diese beiden gab es wieder als Kombis. Womöglich erwog man den Import des für nordamerikanische Verhältnisse kompakten Taunus Turnier, vor allem mit Blick auf GM.
Denn auch General Motors ging in der ersten Hälfte der Siebziger ähnlich vor: Von Oktober 1970 bis Juli 1975 wurden Ascona A und Manta A unter der Bezeichnung “Opel 1900” und “Opel 1900 Sport Coupé” (Modelljahre 1971/72), ab Modelljahr 1973 “Opel Manta” über Buick auch in den USA verkauft. Hier gab es einen dreitürigen Kombi namens “Sportwagon”.
Alle Modelle wurden von Opels 1,9-Liter-Vierzylindermotor angetrieben, der bei einer Verdichtung von 7,6:1 hier 76 DIN-PS (56 kW) leistete; zum Modelljahr 1975 erhielt er eine Bosch-Einspritzung und kam damit auf 82 DIN-PS (60 kW). Von der 1900-Serie (Ascona und Manta) wurden in den USA rund 170.000 Stück abgesetzt.