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Volvo EX90 (2024) im Test: Was lange währt...

Stimmen Qualität, Reichweite und Fahrverhalten beim größten und bisher teuersten Volvo wirklich?

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Es fühlt sich inzwischen ja fast schon an wie Dauerschleife, wenn wir uns die Finger wund tippen über die trübe Situation der E-Mobilität. Und irgendwie hat auch keiner, also wirklich keiner, ein Patentrezept zur Hand. Oder auch nur irgendeine Ahnung, wo der große Zug mit den verschiedenen Antriebskonzepten denn hinfahren könnte in den nächsten Monaten/Jahren.

Die von Natur aus etwas arg progressiven Menschen bei Volvo können sich der undurchsichtigen Gemengelage natürlich auch nicht entziehen. Der Plan, bis 2030 rein elektrisch zu sein, ist extremer als bei vielen anderen Herstellern, scheint aber unumstößlich. Für massive Strategie-Wendemanöver mangelt es schlicht an Größe.

Doch auch die Skandinavier müssen auf die aktuelle Realität reagieren, bringen jetzt nochmal ein Facelift für ihr Verbrenner-Flaggschiff XC90 – das umfassendste seit der Markteinführung 2015 wohlgemerkt.

Mitten rein in die Verunsicherung platzt jetzt die Markteinführung des neuen Elektro-Anführers EX90. Wobei reinplatzen wohl der falsche Ausdruck ist, denn die Vorstellung des Chef-SUVs liegt beinahe zwei Jahre zurück. Im November 2022 zeigte man uns den etwas opulenteren Bruder des Polestar 3. Da sehen Sie mal, verehrte Leser, nicht nur der Volkswagen-Konzern hat Beef mit der eigenen Software-Komplexität.

Nun ist er aber da und topfit und bereit und wir konnten das neue Alpha-Tier im Volvo-Portfolio erstmals für Sie in die Mangel nehmen. Folgendes haben wir dabei herausgefunden.

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Was ist das?

Basis ist wie beim erwähnten Konzernbruder Polestar 3 die neue Plattform Scalable Product Architecture II (SPA II). Wie groß die Bande nach China zum Mutter-Konzern Geely sind, ist dabei immer so eine Sache. Anders als beim kompakten Crossover EX30, der ja eng mit dem Smart #1 und dem Zeekr X verwandt ist, scheint das Zepter hier aber schon hauptsächlich in Schweden geschwungen zu werden.

Zum Marktstart gibt es den Volvo in zwei Allradversionen und einer Basis-Hecktriebler-Variante. Der Single Motor RWD leistet 205 kW/279 PS, der Twin Motor AWD bringt es auf 300 kW/408 PS und die Chefpartie Twin Motor Performance AWD stellt 380 kW/517 PS zur Verfügung.

Interessanterweise ist bei der 300-kW-Version der vordere Motor stärker, bei der Performance-Variante aber der hintere. Vorne wie hinten kommen Permanentmagnet-Synchronmotoren (PSM) zum Einsatz. Wird der hintere (sekundäre) Antrieb nicht gebraucht, kann er per Kupplung vom Antrieb getrennt werden, um die Schleppverluste zu minimieren.

Als Energiespeicher wird die gleiche CATL-Batterie wie beim Polestar 3 verwendet. 17 Module mit prismatischen NMC-Zellen sorgen für eine Netto-Kapazität von 107 kWh. Aufgeladen wird mit bis zu 250 kW Gleichstrom. Um die Batterie thermisch auf das Schnellladen vorzubereiten, lässt sich per App eine Vorkonditionierung aktivieren. Wenn man eine Ladestation als Ziel ins Navi eingibt, geschieht die Vorkonditionierung automatisch.

Bildergalerie: Volvo EX90 (2025) im Test

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So soll man in etwa 10 Minuten Strom für 180 km in den Akku pressen können. Von 10 auf 80 Prozent geht es bestenfalls in etwa 30 Minuten. Das komplette Aufladen mit Wechselstrom ist nicht über Nacht möglich: An einer dreiphasigen Wallbox mit 16 Ampere dauert eine Komplettladung 11 Stunden. Als erstes Volvo-Modell besitzt der EX90 zudem die Hardware fürs bidirektionale Laden.

Im offiziellen Datenblatt ist für die zweimotorigen EX90 eine WLTP-Reichweite von 570 bis 614 Kilometer angegeben. Die einmotorige Einstiegsvariante soll 580 Kilometer schaffen.

Besonders wichtig ist Volvo die Sicherheitstechnik. Den EX90 nennen sie “das sicherste Auto, das wir je gebaut haben”. Dazu wird neben Kameras und Radar auch ein Lidar-Sensor auf dem Dach eingesetzt. Innen erkennen spezielle Sensoren und Kameras, wenn die Person am Steuer abgelenkt, schläfrig oder anderweitig unaufmerksam ist. Reagiert man nicht auf Warnungen, kann der Volvo EX90 selbstständig am Fahrbahnrand anhalten.

Schnelle Daten  Volvo EX90 Twin Motor Performance Ultra
Motor
Leistung 380 kW (517 PS); 180 kW vorne; 200 kW hinten
Drehmoment 910 Nm; 420 vorne; 490 hinten
0-100 km/h 4,9 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit 180 km/h
Verbrauch keine Angabe
Batterie 107 kWh netto
Reichweite 570 – 614 km (WLTP)
Ladedauer DC 250 kW: 10-80 Prozent in 30 Minuten
Preis 107.400 Euro

Zu den Hauptkonkurrenten zählen der BMW iX, das Mercedes EQE SUV, der Nio EL6 oder der Kia EV9. Die Preise starten bei 83.700 Euro für den Single Motor-Fünfsitzer (es gibt auch Konfigurationen mit sechs und sieben Sitzplätzen). Der 300-kW-Twinmotor kostet mindestens 91.700 Euro und die Topmotorisierung ist ab 96.800 Euro zu haben. Die zweimotorigen EX90 sind nicht als Fünfsitzer erhältlich.

Exterieur

Beim Design ihres neuen XL-SUVs hat die Volvo-Kreativen das Glück ganz offensichtlich nicht verlassen. Der Quasi-Nachfolger des XC90 beamt dessen überaus ansehnliche Formen gekonnt in die Zukunft. Ein ziemlich scharfes Gimmick, das wir so auch noch nicht gesehen haben, ist der Augenaufschlag der Thors Hammer-Scheinwerfer. Jap, die Lichter blinzeln Sie wirklich an, wenn Sie das Auto aufsperren.

Weitere bemerkenswerte Features sind die Lidar-Sensoren-Beule auf dem Dach, die ausfahrenden Türgriffe oder die Kameras unter den Außenspiegeln. Der cW-Wert von 0,29 ist inzwischen selbst für ein Fahrzeug dieser Statur keine Besonderheit mehr.

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Mit einer Länge von 5.037 mm ist der EX90 ein gutes Stück ausladender als Mercedes EQE SUV und BMW iX. Die Breite von 1.964 mm und 2.985 mm Radstand sind in etwa auf dem Niveau der Konkurrenten.

20-Zöller sind Serie, die von uns gefahrene “Ultra”-Ausstattung kommt ab Werk mit 21-Zoll-Rädern. Die schicken 22-Zöller, die Sie hier sehen, kosten beim Ultra 960 Euro Aufpreis.

Abmessungen Volvo EX90 Twin Motor AWD Performance
Länge x Breite x Höhe 5.037 mm x 1.964 mm x 1.744 mm
Radstand 2.985 mm
Kofferraumvolumen  324 – 1.955 Liter + 49 Liter Frunk
Leergewicht 2.787 kg
Zuladung 603 kg
Anhängelast 2.200 kg
Stützlast 100 kg

Interieur

Manchmal kommt alles zusammen. Vor ein paar Wochen fuhr ich kurz einen EX30 und war trotz der schicken Sitzbezüge einigermaßen entsetzt von der generellen Innenraum-Qualität. Hier wohnt trotz Volvo-Logo gefühlt dann doch das chinesische Hartplastik-Tier. Zudem las ich kurz vor meinem Trip zum EX90 einen Bericht, in dem die Autoren dem großen SUV der Schweden ein ganz ähnliches “Raumgefühl” unterstellten. Wagners Haptik-Sensoren waren also maximal auf Krawall beim Erstkontakt.

Nun, machen wir es kurz: Ich kann Ihnen guten Gewissens mitteilen, dass die Autoren des erwähnten Artikels (ich weiß wirklich nicht mehr, von wem er kam) einen ordentlichen Unsinn von sich gegeben haben. Materialauswahl und Verarbeitung im Innern des EX90 machen einen sehr guten Eindruck, wirken nicht weniger wertig als im XC90.

Das Gestühl in Reihe Eins ist großzügig gestaltet und bietet auch auf längeren Strecken einen anhaltend guten Sitzkomfort. Auch die Kopfstützen sind sehr bequem. Obendrein funktioniert die elektrische Sitzverstellung mit nur einem Würfel an der Sitzseite ausgesprochen einfach.

Die Rückbank ist verschieb-, klapp und umlegbar. Zudem klappt sie in Gänze nach vorne, um den Einstieg in die dritte Reihe zu erleichtern. Der Beinraum im mittleren Abteil ist gigantisch, relativ unabhängig davon, wie weit man die Bank gerade nach vorne geschoben hat.

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Reihe Drei hingegen ist wirklich nur für kleinere Kinder geeignet. Der Fußraum würde mir mit meinen 1,85 Meter zwar etwas Restwürde lassen, wenn die Bank davor ganz vorne eingerastet ist, aber am Kopf fehlt es doch himmelweit (kein Wortspiel beabsichtigt).

Das Kofferraumvolumen beträgt 324 (dritte Sitzreihe aufgestellt) bis 1.955 Liter. Dazu kommt ein 49-Liter-Frunk. Außerdem gibt es noch etwas Stauraum unter dem Kofferraumboden. Die dritte Sitzreihe lässt sich vom Kofferraum aus auf Knopfdruck umlegen.

Etwas skeptisch war ich anfangs wegen des doch recht zierlichen Instrumentendisplays hinterm Lenkrad, aber der schmale Schacht zeigt mehr an als man anfangs denken mag (eigentlich alles, was man auf deutlich größeren Displays der Konkurrenz findet, inklusive Navikarte) und das auch sehr übersichtlich. Zudem gibt es ja ein großes Head-up-Display.

Volvo vertraut natürlich auch bei seinem Flaggschiff auf Google als Infotainment- und Navipartner und einmal mehr macht es einfach nur richtig viel Sinn. Wir loben das Setup ja seit Jahren in anderen Volvos und Polestars. Gerade, was die Routenführung und die Sprachbedienung angeht, gibt es wohl nichts besseres. Erstmals in einem Auto der Skandinavier gibt es nun Google HD Maps. Das ist auch die Basis (mit den unendlich vielen Sensoren des Autos) für späteres autonomes Fahren.

Deutliche Abzüge gibt es für die sagenhaft umständliche Einstellung von Außenspiegeln und Lenkrad im Zentraldisplay. Diese Aufreger werden ja gerne als Mumpitz wichtigtuerischer Autojournalisten kritisiert, weil man die Dinger in echt einmal einstellt und dann nie wieder, aber das stimmt nun mal nicht. Man justiert häufiger mal nach oder hat Fahrerwechsel und dafür jedes Mal ins x-te Untermenü zu müssen, um das Ganze dann etwas hüftsteif per Lenkradtasten zu korrigieren, ist ziemlich unglücklich.

Ebenfalls nicht ganz verständlich bei einem Auto dieser (Preis-)Klasse: Es gibt lediglich eine Smartphone-Ladeschale und keine Haltegriffe über den Fenstern. Toll dagegen: Der große, luftige KrimsKrams-Stauraum unter der Mittelkonsole mit Schlaufe zum Befestigen von Gegenständen.

Sicher eine Überlegung wert: Das herausragende Bowers&Wilkins-Dolby-Atmos-Soundsystem für vergleichsweise moderate 3.000 Euro Aufpreis.

Fahrbericht

Sie haben es vermutlich schon in den Daten-Boxen gesehen: Volvo brachte als einzige Alternative den Twin Motor AWD Performance mit der Topausstattung “Ultra” als Siebensitzer mit zum Fahrtermin.

517 PS treffen hier auf nahezu 2,8 Tonnen Lebendgewicht. Aber natürlich schiebt der EX90 mit der Kraft der zwei größtmöglichen Herzen dennoch jederzeit souverän und sehr zügig nach vorne. Wobei es schon einen sehr spürbaren Unterschied macht, ob man die Performance-Taste auf dem Home-Screen gedrückt hat oder nicht. Da hat der Große dann doch deutlich mehr Bizeps.

Der Spurt von 0-100 km/h in 4,9 Sekunden sollte auch Beschleunigungsjunkies zufriedenstellen. Die 180 km/h Höchstgeschwindigkeit vermutlich weniger, aber das kennen wir ja inzwischen von Autos mit dem Kreis und dem Pfeil nach oben.

Der Testwagen war mit dem adaptiven Luftfahrwerk für 2.700 Euro ausgestattet und nach allem, was ich mit selbigem erleben konnte, wäre es durchaus klug das Kreuzchen im entsprechenden Kästchen zu machen.

Der Fahrwerkskomfort des EX90 ist tatsächlich ziemlich herausragend. Das gilt wohlgemerkt in der weicheren der beiden Einstellungen. Da gibt er dann ganz den luftigen, generösen Gleiter, den man von so einem Fünf-Meter-Luxus-SUV allerdings auch irgendwie erwarten darf.

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Stellt man Federung und Lenkung scharf (einmal mehr im Infotainment-Untermenü), macht das Auto aber durchaus Dinge, die man vielleicht nicht unbedingt erwarten würde, wenn man es so von außen ansieht.

Das ist natürlich immer der Vorteil an den elektrischen Wandschränken mit ihren riesengroßen Akkus im Unterboden. Aber was rede ich, Sie haben es inzwischen tausendmal gehört, niedriger Schwerpunkt, klebt auf der Straße, blablabla.

Das Irritierende ist nach wie vor, dass die Fahrzeuge im Feldversuch meistens genau das machen. Zumindest, wenn sie vernünftig abgestimmt sind. Und das ist dieser Volvo zweifelsfrei. Auf den extrem kurvigen Teil der Testroute hatte ich ehrlich gesagt nicht ganz so viel Lust. Ich hoffe, der EX90 nimmt es mir nicht krumm, aber Größe, Gewicht, Aufbau … er wirkt jetzt nicht wie der allernatürlichste Kurvenräuber.

Aber er kann Kurven. Besser als es ein XC90 jemals können wird. Die Federung ist jetzt deutlich straffer (hier ist die viel beschworene Spreizung tatsächlich mal deutlich spürbar), das Auto verblüffend resistent gegen Karosseriebewegungen und so pfeift er dann recht unbeeindruckt rum ums Eck. Gerne auch schneller. Bis es irgendwann ein wenig quietscht im Reifen und er sanft nach außen schiebt, aber das passiert erstaunlich spät. All das mit einer eher leichtgängigen, aber präzisen und insgesamt sehr befriedigenden Lenkung.

Er ist also auch fahrerisch ein erfreulich rundes Ding, der liebe EX90. Das muss man dann schon mal sagen dürfen, wenn einfach gute Arbeit geleistet wurde. Zumal das Auto keinen Schabernack treibt, wenn man es selber machen lässt. Hier sehr angenehm: Das super simple Betätigen des “Autopiloten” per einfachem Zug am Gangwahlhebel. Allerdings ist Lenkrad aus der Hand geben wie etwa beim neuen BMW 5er noch nicht drin. Mal sehen, was da noch kommt. Der Durchschnittsverbrauch während der etwa 300 Testkilometer lag übrigens bei 21,9 kWh.

Fazit

Das Problem des Volvo EX90 ist nicht er selbst, sondern, dass er – zumindest in Europa – zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt auf den Markt kommen wird. Dabei kann man ihm, wenn man die Summe seiner Eigenschaften betrachtet, nur gönnen, dass er sich vernünftig verkauft.

Ein sehr attraktiv gestaltetes SUV mit qualitativ hochwertiger Verarbeitung, luxuriöser Ausstattung, größtenteils guter Bedienbarkeit, herausragendem Fahrkomfort und sogar ziemlich vernünftiger Fahrdynamik. Eine echte Reichweite von 500 Kilometern erscheint absolut machbar.

Punktabzüge gibt es für die umständliche Einstellung von Lenkrad und Spiegeln sowie die eher beklemmenden Platzverhältnisse in Reihe Drei. Naja, und gerade günstig ist der Spaß natürlich auch nicht.

Für mich nach dem Bewertungsschema unserer Schwesterseite Motor1 eine 8,5 von 10.

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