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Toyota und Daimler kooperieren: Wasserstoff-Hochzeit im Himmel

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Deutsch-japanischer Händedruck: Hino-Chef Ogiso, Toyota-Chef Sato, Daimlers Asienvorstand Deppen und der Chef von Daimler Truck, Daum (von links)

Martin Daum wirkt fast euphorisch, als ihm Toyota -Chef Koji Sato die Bühne überlässt. Seit drei Jahrzehnten sei er nun in dem Geschäft, aber heute sei wirklich der großartigste Tag seiner Karriere, ruft der Vorstandsvorsitzende von Daimler Truck den in Tokio versammelten Journalisten zu.

Der weltgrößte Autohersteller und der weltgrößte Nutzfahrzeughersteller wollen ihre japanischen Lastwagensparten zusammenlegen. Ziel ist es, gemeinsam den asiatischen Markt zu erobern, sich unabhängiger von China zu machen und – vielleicht am wichtigsten – sich Entwicklungskosten für Antriebe zu teilen, die keine Treibhausgase mehr ausstoßen sollen.

Daimler Truck und Toyota gründen dafür ein Gemeinschaftsunternehmen, bei dem noch viele Details offen sind. Zunächst unterschrieben die beiden Konzerne nur eine Absichtserklärung. Auch die Zustimmung diverser Aufsichtsbehörden steht noch aus. Einen Namen oder wer wie viele Anteile halten wird, gaben die Unternehmen noch nicht bekannt.

Überschaubare Position auf dem Weltmarkt

Klar ist jedoch: Beide sollen einen gleich großen Anteil und jeweils mindestens eine Sperrminorität von mehr als 25 Prozent halten. Die Holding, in die Toyota seine Lastwagen-Sparte Hino und Daimler Truck den Hersteller Mitsubishi Fuso einbringt, soll in Tokio an der Börse gelistet sein. Beide Marken sollen auch weiterhin bestehen bleiben; in der Entwicklung, im Einkauf und im Bau der Fahrzeuge hoffen die Unternehmen auf Synergien.

Auf dem Weltmarkt bleibt die Position des kombinierten Unternehmens überschaubar. Toyota-Chef Sato bezifferte die insgesamt auf der Welt verkauften mittelschweren und schweren Nutzfahrzeuge auf 3 bis 3,5 Millionen im Jahr. Hino und Fuso kommen zusammen auf eine Stückzahl von 300.000 bis 400.000. Fuso bringt etwa 100.000 Fahrzeuge ein, etwa ein Fünftel des Gesamtabsatzes von Daimler.

Das neue Unternehmen werde auch künftig japanisch sein, betonte Daimler-Chef Daum, wohl auch, um die japanische Öffentlichkeit zu beruhigen. Doch der Leiter des neuen Gemeinschaftsunternehmens werde mit großer Wahrscheinlichkeit aus den Reihen des deutschen Nutzfahrzeugriesen stammen, sagte Daum in einer separaten digitalen Pressekonferenz mit deutschen Journalisten.

Im Zentrum steht der Wasserstoff

Der Daimler-Konzern, der damals als Daimler-Chrysler fungierte und Großaktionär von Mitsubishi war, war im Jahr 2003 bei Mitsubishi Fuso eingestiegen. Inzwischen gehört den Schwaben das Unternehmen zu 89 Prozent. Geführt wird Fuso von dem Deutschen Karl Deppen, der im Daimler-Vorstand das Ostasiengeschäft leitet. Daimler Truck wurde vor etwa anderthalb Jahren vom Autokonzern Mercedes-Benz abgespaltet und ist seitdem eigenständig. Mercedes-Benz ist weiterhin Großaktionär.

Im Zentrum der neuen Kooperation steht der gemeinsame Glaube an den Wasserstoff, betonten Daum und Sato auf der gemeinsamen Pressekonferenz immer wieder. „Wenn es um die vergangenen 20 bis 25 Jahre geht, gab es bei der Wasserstoff-Brennstoffzelle zwei Pioniere: Toyota und Daimler“, sagte Daum. Für kleinere Fahrzeuge wie Busse setze Daimler schon heute auf die Brennstoffzelle von Toyota. Und in Japan gebe es hohe öffentliche Investments in die Wasserstoffökonomie. Da wolle Daimler eine entscheidende Rolle mitspielen.

„Wir müssen ein Geschäft, das 100 Jahre lang erfolgreich gelaufen ist, innerhalb von zehn Jahren komplett umbauen. Das kann man nicht allein machen“, sagte Daum. Künftig müsse man drei Antriebe beherrschen: Für viele Weltregionen müsse man den Diesel „sauber und effizient halten“, für den innerstädtischen Verkehr benötige man den Batterieantrieb. Dieser schaffe es aber nicht, 40 Tonnen schwere Lastwagen über den Berg zu bringen, dafür sei die Brennstoffzelle oder ein Wasserstoff-Verbrennungsmotor nötig. Für jeden dieser Antriebe wolle er mit dem Partner zusammenarbeiten, „der das am besten kann“. Toyota-Chef Sato fügte hinzu, dass es auch darum gehe, die Lieferketten für die neuen Antriebe aufzubauen und sicherzustellen.

Unabhängiger von China

Für Daimler ist es nicht die erste Wasserstoff-Kooperation. Der Konzern betreibt gemeinsam mit dem Konkurrenten Volvo das Gemeinschaftsunternehmen Cellcentric, das unweit von Stuttgart Brennstoffzellen produzieren will.

Für die Kooperation mit Toyota spielen nun auch regionale Überlegungen eine Rolle. Die Konzerne schielen vor allem auf das Lastwagengeschäft in Südostasien, das nach Darstellung der Manager von den japanischen Herstellern dominiert wird. Langfristig gebe es dort hohen Transportbedarf, sagte Asienchef Deppen.

Balance halten in Asien

Auf die Frage, ob es darum gehe, unabhängiger zu werden von China, sagte Daum: „Das könnte man als eine Überlegung sehen.“ Es gehe darum, balancierter zu sein in Asien. Daimler hatte erst im September die lokale Produktion von Lastwagen der Marke Mercedes-Benz in China gestartet, macht aber einen Großteil seines Umsatzes in Europa und den USA. Zudem würden chinesische Hersteller auch vermehrt in den restlichen asiatischen Markt drängen, sagte Deppen. Durch die Kooperation werde man wettbewerbsfähiger.

Fuso und Hino fusionieren nicht eben aus einer Position der Stärke. Daimlers Asiensparte, zu der Fuso gehört, war mit einer bereinigten Rendite von 2,6 Prozent vergangenes Jahr kaum profitabel. Der Gesamtkonzern kam auf knapp 8 Prozent. Fuso taucht künftig nur noch als Beteiligung auf, die an den Mutterkonzern Dividenden ausschüttet. Deshalb steigt rechnerisch die Marge. Daum sprach von einem „angenehmen Nebeneffekt“.

Emissionsskandal von Hino

Auch Hino ist das Sorgenkind des Toyota-Konzerns und hat noch mit den Folgen eines Abgasskandals zu kämpfen. Im März 2022 war herausgekommen, dass der Lastwagenhersteller offenbar schon seit 20 Jahren gefälschte Angaben zu den Emissions- und Verbrauchswerten seiner Fahrzeuge an die Behörden gegeben hatte. Einige Lieferwagentypen durfte das Unternehmen in der Folge vorübergehend nicht mehr verkaufen. Die vergangenen drei Geschäftsjahre schloss Hino mit Verlusten ab; für das im März 2023 abgeschlossene Geschäftsjahr lag er bei 117 Milliarden Yen (777 Millionen Euro).

Im Herbst mussten vier ranghohe Mitarbeiter das Unternehmen verlassen, drei Vorstandsmitglieder und der Leiter der Entwicklungsabteilung. Der Vorstandschef Satoshi Ogiso blieb nur im Amt, um den Aufklärungsprozess weiter zu überwachen, wie es damals in Zeitungsberichten hieß. Demnach sollte er für sechs Monate nur noch die Hälfte seines Gehalts bekommen. Auch auf der Pressekonferenz bestand sein Redeanteil in erster Linie darin, sich für die Frevel der Vergangenheit zu entschuldigen und zu schwören, dass Hino das Vertrauen seiner Kunden wiedergewinnen wolle.

Die Folgen für Hino könnten noch handfester werden: Wie etwas versteckt im Finanzbericht steht, wurde in Florida schon eine Sammelklage gegen Hino eingereicht, von Personen, die zwischen 2004 und 2021 Lastwagen des Herstellers gekauft oder geleast hätten. Ein ähnliches Verfahren laufe in Australien. Da es schwer sei, den Schaden sinnvoll vorherzusagen, sei er noch nicht im Finanzbericht berücksichtigt, heißt es dort weiter. Nach Darstellung Daums betreffen diese Risiken Daimler Truck nicht. Man habe eine klare Vereinbarung mit Toyota, dass man die Zukunft gemeinsam gestalte. Um die Vergangenheit kümmerten sich die bisherigen Anteilseigner selbst, sagte er.

Hinos Aktienkurs hat sich seit Bekanntwerden des Skandals fast halbiert. Die Nachricht von der Fusion mit der Daimler-Truck-Tochter kam am Dienstag erst nach Börsenschluss in Tokio. Die Daimler-Aktie lag knapp 1 Prozent im Plus und gehörte damit zu den Gewinnern im Dax.

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