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Polestar 4 kommt ohne Heckscheibe: Doch im Test wundern wir uns über was anderes

Fazit: Der Polestar 4 kann Audi & Co. das Leben schwer machen

Der Polestar 4 will den etablierten deutschen Autobauern das Leben schwer machen, und das könnte ihm auch gelingen. Neben dem einzigartigen Design innen (Business-Class-Rückbank, Sporthose-Türverkleidung) und außen (keine Heckscheibe, kurze Überhänge) spricht das sehr komplette Paket dafür. Das E-Auto identifiziert sich als SUV-Coupé, wirkt im Test aber eher wie eine große Limousine. Der Polestar 4 ist ein echter Sprinter, bietet ordentlich Platz, bleibt aber stets auf der Lifestyle-Seite.

Für wen ist der Polestar 4?

Sicher spricht der Polestar 4 vor allem Paare und Eltern erwachsener Kinder an, die nicht mehr mit Schokofingern die hübschen Materialien gefährden. Den meisten Menschen reicht sicher die Variante mit 272 PS und Heckantrieb, doch der Sprung zur doppelt so starken Allradversion ist nicht groß genug, um nicht zumindest interessant zu sein. Ab Werk ist er toll ausgestattet – und qualifiziert sich mit einem Einstiegspreis von 61.900 bzw. 69.900 Euro und dank der daraus resultierenden bevorzugten Besteuerung des geldwerten Vorteils (0,25 Prozent) in beiden Varianten als idealer Dienstwagen. Audi, BMW und Co. könnten ihr gelb-blaues Wunder erleben.

Polestar 4: Vorteile und Nachteile im Überblick

Polestar 4 Daten und Varianten: Preis, Reichweite, Höchstgeschwindigkeit, Akku, Ladeleistung

Variante Long Range Single Motor Long Range Dual Motor
Länge/Breite/Höhe  4,84 x 1,71 x 1,53 Meter 4,84 x 1,71 x 1,53 Meter
Akku-Größe netto 94 kWh 94 kWh
Radstand 2,99 m 2,99 m
Leistung 200 kW (272 PS) 400 kW (544 PS)
Drehmoment 343 Nm 686 Nm
Beschleunigung 0-100 km/h 7,1 s 3,8 s
Höchstgeschwindigkeit 200 km/h 200 km/h
Reichweite WLTP 620 km 590 km
Akkutyp Lithium-Ionen Lithium-Ionen
Ladeleistung bis 200 kW DC, bis 22 kW AC bis 200 kW DC, bis 22 kW AC
Ladezeit 10-80% 30 Minuten 30 Minuten
Anzahl Sitze 5 5
Kofferraum und Frunk 526 Liter, 1.536 Liter mit umgelegten Sitzen, 15 Liter Frunk 526 Liter, 1.536 Liter mit umgelegten Sitzen, 15 Liter Frunk
Anhängelast / Stützlast 1.500 kg gebremst / 75 kg 2.000 kg gebremst / 75 kg
Gewicht 2.230 kg 2.355 kg
Antrieb Heckantrieb Allradantrieb
Preis ab 61.900 Euro ab 69.900 Euro

Was ist der Polestar 4 überhaupt für ein Auto?

Was für ein Auto ist der Polestar 4 überhaupt, diese Frage stellt sich gleich zu Beginn des ersten Tests. Das Ziel ist klar: dem Audi Q6 e-tron, dem Porsche Macan oder dem BMW (i)X3/4 Kundschaft abluchsen. Entsprechend betrachtet Polestar den 4er auch als SUV-Coupé, doch beim Tester will der Eindruck nicht weichen, dass der Polestar 4 in Wahrheit eine Oberklasse-Limousine ist, die aus der Not heraus, Platz für Akkus im Unterboden zu schaffen, in die Höhe wachsen musste. Erhärtet wird dieser Verdacht vor allem durch den Zeekr 001, den engen Verwandten des Polestar 4. Die chinesische Marke positioniert den 001 als Shooting Brake – eine Art Coupé-Kombi.

Aber sei’s drum. Anders als der Zeekr ist der Polestar durchaus mehr wie ein SUV gestaltet. Die großen Radhäuser und die großen schwarzen Kunststoffflächen rund ums Auto legen das nahe. Dabei ist der Polestar deutlich gefälliger, schließlich bedient er sich mancherorts am schwedischen und gewohnten Volvo-Design. “Thors Hammer”, also die Frontscheinwerfer, wurde nun geteilt. Diese “Dual Blade” (Polestar-Jargon) gibt dem Polestar 4 einen eigenständigen Auftritt. Die Blades führen in der unteren Hälfte das Pixel-LED-Licht, das imstande sein soll, bestimmte Fahrbahnbereiche bei Nacht heller auszuleuchten und andere weniger, etwa um bei eingeschaltetem Fernlicht den Gegenverkehr nicht zu blenden – Sie kennen das bereits von anderen Herstellern. Ausprobieren konnte das der Tester in der prallen Sonne Spaniens bisher nicht.

polestar 4 kommt ohne heckscheibe: doch im test wundern wir uns über was anderes

EFAHRER, Max Dockhorn

Polestar 4: Abmessungen sind Oberklasse

Ansonsten gab es jedoch schon viel zu beäugen, wie etwa die üppige Länge von gut 4,84 Metern oder den 3 Meter langen Radstand. Der zeigt sich nicht nur an den kurzen Überhängen, sondern auch im Interieur. Da die Heckscheibe ohnehin fehlt, konnte Polestar eine Rückwand einbauen, die das 1,53 Meter Auto zur Business-Class macht. Mit modernen Materialien wie einem Textil, das an Sporthosen erinnert, indirekter Beleuchtung und Kunstleder mit Kiefer- statt Mineralöl-Anteil gelingt das gut. Einzig die Kopffreiheit wäre in der Business-Class besser. Der Tester ist 1,83 Meter groß – viel größer sollte man auf der Rückbank nicht sein. Immerhin bedient sich Polestar eines beliebten Tricks: Das Panoramaglasdach sorgt dennoch für ein luftiges Raumgefühl.

Vorn fühlen sich darum nicht nur leidenschaftliche Autofahrer*innen besser aufgehoben. Die Designsprache von der Hinterbank setzt sich hier fort – mit Adidas-Stoffhose und Co. Auffällig ist das im Vergleich zu anderen Polestar-Modellen um 90 Grad gedrehte und gewaltige Zentraldisplay, das sich nur im 4er im Querformat präsentiert. Die technische Basis ist Android Automotive. Für Sie bedeutet das: Die exzellente Google-Navigation weist den Weg. Auch im spanischen Hinterland und bei wenig Empfang tut sie das ordentlich und bei Bedarf mit gekonnter Planung von Ladestopps.

polestar 4 kommt ohne heckscheibe: doch im test wundern wir uns über was anderes

Polestar 4: Bekannter Antrieb mit hoher Reichweite und Blitz-Laden

Wer es dort zur Sache gehen lassen will, greift wahlweise zur 200 kW (272 PS) starken Single-Motor-Variante oder zur Dual-Motor-Version mit 400 kW (544 PS). Freilich spürt man im 2.230 Kilogramm schweren Polestar 4 Single Motor, dass die 272 PS ordentlich zu tun haben. Schwachbrüstig ist der schicke Schwede jedoch nicht. Die größere Dual-Motor-Version schleppt zwar 125 Kilogramm zusätzlichen Antrieb mit sich, doch da der Leistung satt bietet, sind selbst bergauf Blitz-Überholmanöver drin, die sich der Tester sonst nur mit seinem Motorrad zutrauen würde.

Blitzschnell ist auch die Ladeleistung: Wenn der Polestar 4 gemäß WLTP nach 590 (Dual) oder 620 km (Single) ans Stromnetz muss, sind seine 94 kWh netto fassenden Akkus rasch wieder gefüllt. EFAHRER prophezeit eine Ladedauer am 22 Kilowatt starken Bordsteinlader von unter 5 Stunden. Oder anders gesprochen: von 10 auf 80 Prozent geht’s innerhalb der vielerorts legalen Parkdauer von 3 Stunden. Wer auf der Langstrecke fährt, darf sich über 200 kW Ladeleistung freuen – in einem 400-Volt-Auto wohlgemerkt, in dem diese Werte bislang selten zu finden sind. Dann klappt derselbe Ladestopp in 30 Minuten. Zwar konnte EFAHRER noch keinen vollwertigen Verbrauchstest fahren. Die Erfahrung und der erste Eindruck suggerieren jedoch, dass 400 Kilometer in beiden Varianten drin sein sollten.

polestar 4 kommt ohne heckscheibe: doch im test wundern wir uns über was anderes

Polestar 4: SUV-Coupé mit Limousinen-Charakter

Der eingangs erwähnte Eindruck, dass es sich beim Polestar 4 ebenso gut um eine Limousine oder einen Shooting Brake handeln könnte, verstärkt sich beim Fahren. Fahrer*innen sitzen recht nah über der Straße, näher als im Polestar 3. Das im Vergleich zum Schwester-SUV deutlich sportlichere Gefühl wird verstärkt durch eine verhältnismäßig schwergängige Lenkung, die in allen Modi im Vorserienauto nie chinesisch-weich, aber immer synthetisch blieb. Der Komfortmodus könnte komfortabler sein, der Sportmodus sportlicher.

Aufgrund der ungewöhnlichen Form des 4er hat sich Polestar dazu entschieden, die ohnehin flache Heckscheibe mit Mini-Sehschlitz gleich wegzulassen. Erstaunlich wenig Eingewöhnung braucht man für den digitalen Rückspiegel. Nach rund 30 Kilometer Autobahnfahrt hatten sich der Tester und seine Augen daran gewöhnt, nicht mehr in die Ferne zu schauen, sondern auf das Display zu blicken, das dort zu finden ist, wo andere Autos einen Rückspiegel haben. Und tatsächlich schaltet sich das Display auf Knopfdruck ab und wird zum Spiegel – doch nur, um eventuell quengelnde Hinterbänkler im Zaum zu halten.

Polestar 4: Genug Raum, aber mehr Lifestyle

Nur die wenigsten Polestar-4-Fahrer*innen werden ein Ein- und ein Zweijähriges auf dem Rücksitz Platz nehmen lassen, vermutet der EFAHRER-Tester. Zwar glaubt er noch, dass sich die Adidas-Sitze gut abwischen lassen. Doch beim Zuschnitt des 526 Liter fassenden Kofferraums ist für Kinderwagen oder Myriaden an Spielzeug wohl kaum genug Platz. Darüber tröstet auch der 15 Liter große vordere Kofferraum (“Frunk”) nicht hinweg. Dennoch: Schön, dass es ihn gibt.

Wer viel schleppen will, kann immerhin ordentlich ziehen. Die Anhängerkupplung darf im Basismodell maximal 1,5 Tonnen schleppen. Beim Dual-Motor-Allradmodell sind sogar 2 Tonnen drin. Für viele Lifestyle-Hobbys reicht das.

Polestar 4: Varianten, Preis, Marktstart

Beide zum Start erhältlichen Varianten des Polestar 4 sind bestellbar. Das Basismodell kostet 61.900 Euro, das Allradmodell Dual Motor kostet 69.900 Euro. Besonders für Dienstwagen-Fahrer*innen sind sie damit besonders interessant, da sie die Grenze von 70.000 Euro für die Besteuerung des geldwerten Vorteils mit 0,25 Prozent unterschreiten.

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