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IVOTY-Vorstellung Kia PBV: Bemannte Raumfahrt im Transporter

Kia feiert mit den sogenannten PBVs ein Comeback bei den Nutzfahrzeugen. Und setzt auf rein elektrische Plattform, die spektakuläres Design ermöglicht. Zudem will man bei Kosten, Raumeffizienz, Reichweite und Ladetempo neue Maßstäbe setzen. Erste Eindrücke im Rahmen des „Van of the Year“.

ivoty-vorstellung kia pbv: bemannte raumfahrt im transporter

(erschienen bei LOGISTRA von Johannes Reichel)

Die Koreaner wollen es wirklich wissen – und rollen voll ins Risiko: Mit einem spektakulären Design und rein elektrischer Plattform wollen sie neue Maßstäbe und Akzente setzen, bei den bisher eher biederen Transportern. Man ist sich bei Kia (und der Mutter Hyundai) sicher, dass auch die tendenziell konservative Klientel der Handwerker und Transporteure mitzieht, wenn sie erst einmal von den Vorzügen des Konzepts erfahren haben. Und wissen, dass der die Kia-Elektro-Vans dem Diesel in allen Belangen mindestens ebenbürtig und bei den TCOs (Gesamtbetriebskosten) weit überlegen sind.

Klar, das ist ein hartes Stück Kommunikationsarbeit. Schließlich schaut der Erstling der ganzen Reihe von „Platform Beyond Vehicle“ oder urpsprünglich mal „Purpose Built Vehicle“, kurz PBV, der Marke Kia PV5 eher aus wie ein irrig auf der Erde gelandetes Raumschiff denn wie ein konventioneller Transporter. Der Kompaktvan, der schon ab 2025 zwischen C- und D-Segment (5-8 m³), sprich City-Vans und 3,0-Tonnern einparkt und zur IAA präsentiert wird, bricht komplett mit den sonstigen Seh- und Designgepflogenheiten. Am ehesten kommt noch der VW ID.Buzz, ebenfalls eine reine Elektroplattform, in Sachen Mut auf das Niveau der Koreaner.

Der PV7 peilt auf die 3,5-Tonner-Klasse

Aber dann auch wieder nicht: Denn der für 2027 avisierte größere 3,5-Tonner PV7 geht dann auf einer auf etwa zwei Meter verbreiterten Plattform nochmal einen Schritt weiter und wirkt mit seiner tropfenartigen Integralform und der abfallenden Dachlinie bei innen trotzdem enormem Raumangebot (ab 8 m³) wirklich eher wie ein Raumschiff, ein Hymer-Wohnmobilkonzept oder die avantgardistischen Van-Exkurse von Renault aus der Espace-Avantime-Zeit.

Man sitzt mit einer weitläufigen Ablagenlandschaft vor sich wie in einer Glaskanzel – und steigt übrigens fast ebenerdig ein. Das Ende des „Kutschbocks“, könnte man sagen. Der „Large Van“ soll auch mit Allrad kommen und weitere Anwendungsszenarien im Mittel- und Fernverkehr erschließen. Abschluss bildet dann möglicherweise ein PV-City-Van, der das verwaiste Fiorino-Segment wiederbeleben könnte, aber nicht vor 2030. Fast selbstverständlich für die ambitionierten Koreaner: Eine Robo-Taxi-Version auf Level 4, die auf Basis des PV5 Zusatz R fest avisiert ist und mit Hyundai und Aptiv entwickelt wird.

Eigenständige E-Plattform schafft Platz

Feststeht: Mit der reinen Elektro-Plattform des PV5, die nicht auf den erfolgreichen BEV-Pkw abgeleitet, sondern eigenständig für die Nutzfahrzeuge entwickelt wurde, wird den Designern ein komplett anderes Layout möglich. Der kompakte Synchronmotor findet locker an der Vorderachse Platz, später ist auch ein Allrad angedacht. Die Akkus des modularen und variablen Konzepts sind wie bei einem „Skakeboard“ unterflur verlegt und erlauben auf Basis des klassenlängsten Radstands mit ultrakurzem vorderen Überhang einen enorm niedrigen Boden, der die niedrigste Ladekante im Segment darstellen soll.

Damit einhergehend soll der PV5 auch das größte Ladevolumen auf der geringsten Verkehrsfläche bieten, zwischen vier und sechs Kubikmeter liegt das Angebot, mit zwei Längen und sogar einem schnittig gestalteten Hochdach, bei dem die Heckflügeltüren bis unters Dach reichen, die Seitentür ist flach. Zwei Paletten fasst die Standardversion. Der flache Ladeboden und das „Ducato“-mäßige „Alles nach vorn“-Konzept soll auch diverse Varianten wie Chassis, Doppelkabine (mit flexibler Trennwand), Koffer, Personenshuttle oder Camper ermöglichen, selbstredend mit diversen Standardausbauten wie Koffer, Kühl, Kipper, Doka oder Shuttle ab Werk, das mit einer Kapazität von 150.000 bis 300.000 Fahrzeugen jährlich übrigens eigens für die PBV in Korea errichtet wird. Trotz langem Radstand soll der Wendekreis der kleinste in der Klasse sein.

Aufbau wechsel Dich: Ob das seine Anwender findet?

Ob sich die sogenannte „Easy Swap“-Technologie mit Wechselaufbauten durchsetzt, sei dahingestellt. Immerhin ist es eine originelle Idee. Hinter einer feststehenden Kabine bzw. Fahrerzone („driver zone“) können eine Vielzahl austauschbarer Aufbauten („life modules“) durch eine hybride elektromagnetische und mechanische Kupplungstechnologie mit dem Basisfahrzeug verbunden werden. Tagsüber Taxi, nachts Lieferwagen, am Wochenende in ein privates Reisemobil, so die Vision der Designer um Karim Habib.

Technisch möglich werden soll das durch die schweißnahtlose „Dynamic Hybrid“-Karosseriestruktur. Die Länge der beweglichen Elemente ist je nach Einsatz flexibel. Dank hochfestem Stahlrohr und technischen Polymeren reduziert man die Bauteile um 55 Prozent, ohne Einbußen bei der Steifigkeit, so das Versprechen. Für Aufbauer interessant: Die Lieferung erfolgt mittels standardisierter Bausätze, was einfachen Vor-Ort-Umbau des PV5 ermöglichen soll.

Hohe Reichweite dank hoher Effizienz

Der „Größte“ will der PV5 dann in Sachen Reichweite sein: Hier profitiert man von den langjährigen Elektro-Erfahrungen der Pkw-Sparte, wo ein Fullsize-SUV wie der EV9 übrigens längst Transportermaße – und –gewichte erreicht. Dagegen wird der PV5 eher zierlich aussehen. Anders als beim EV9 setzt man bei den Vans vorerst auf eine preisgünstigere und angemessene 400-Volt-Plattform, das ultraschnelle Laden der 800-Volt-Stromer des Konzerns ist für die Branche nicht so entscheidend wie für Privatkunden, glauben die Verantwortlichen. Dennoch ist man natürlich perspektivisch auch für 800 Volt gewappnet, speziell auch für den langstrecken- und Fernexpress-tauglichen PV7 eine Option. So soll der PV5 seine Speicher, deren je nach Anwendung flexible Kapazitäten man noch nicht verraten will, binnen einer halben Stunde von 10 auf 80 Prozent geladen haben, allemal schnell genug.

Die meisten Kunden haben kein Reichweitenproblem

80 Prozent der Kunden würden nie mehr als 170 Kilometer am Tag fahren, weiß man bei Kia. Und will den Akku entsprechend „maßvoll“ dimensionieren und lieber an der Effizienz feilen. In Tateinheit erhält der Kunde ja so auch eine höhere Nutzlast, die ebenfalls die beste im Segment sein soll. Und die Option, mit den Akkus im Fahrzeug per V2G-Technologie Geld zu verdienen, weil man die Speicher netzdienlich zur Verfügung stellt. Apropos Netz: Auch beim Thema Laden kann man auf die Expertise der Pkw zurückgreifen und erschließt auch den Nfz-Kunden naheliegenderweise das große Ladenetz von Kia Charge, das auf dem des Münchner Netzpioniers Digital Charging Solutions basiert.

Nachhaltigkeit und Recycling auch bei den Materialien

Auch die Nachhaltigkeit wird großgeschrieben: Neben dem großflächigen Einsatz von recyclierten Materialien auf PET-Basis oder Biokunststoffen, alle ihrerseits recycelbar, setzt man auch auf Langlebigkeit. Zehn Jahre soll ein Kia Van mindestens halten, dank geringerem Verschleiß gegenüber einem Verbrennerkonzept, etwa was Bremsen oder Betriebsflüssigkeiten betrifft. Ein dreiteiliger Stoßfänger mit hochgezogener Beplankung ist obligatorisch, die flächigen Info-Displays eher ein Gimmick der Designer ohne Chance auf Realisierung. Auch die Leuchteinheiten sind weit oben platziert, wobei die Hauptscheinwerfer mittig sitzen. Technisch sollen die Fahrzeuge per „Updates over the Air“ (OTA) auf dem Stand der Dinge bleiben.

Up to date: Flottenmanagementsystem und EV-Routenplaner

Überhaupt will man über bordeigenes Infotainment (IVI) und Telematik, die App „Kia Connect“ und Flottenmanagement (FMS) sowie den Einsatz künstlicher Intelligenz das Fahrzeug nahtlos digital anbinden an die Dispo oder an den Fahrer. Zu den Funktionen des FMS gehören Bestands- und Temperaturüberwachung sowie eine intelligente EV-Routenplanung zur Steigerung der Effizienz. Das System optimiert das Flottenmanagement dank Echtzeitdaten und KI-Integration für vorausschauende Wartung und größtmögliche Betriebseffizienz. Darüber hinaus soll eine eigenentwickelte Software soll Paketlösungen ermöglichen, die sich an verschiedene Geschäftsumgebungen anpassen lassen. Ist ein Akku-Modul defekt, soll das separat tauschbar sein, wie auch der gesamte Akku, wenn sich etwa mit einem Besitzerwechsel der Reichweitenbedarf ändert.

Zentraler Faktor: Händlernetz

Entscheidender Faktor dafür, dass es beim mittlerweile nun dritten Anlauf des Hyundai-Konzerns in Sachen leichter Nutzfahrzeuge in Europa nachhaltig klappen soll, ist ein Händlernetzwerk. Und das hat man schon mal den neuen China-Marken voraus. So sind die vorhandenen Kia-Händler bereits in Hochvoltdingen bewandert und wer einen EV9 mit seinen knapp drei Tonnen Leergewicht und über fünf Meter Länge handhaben kann, der bekommt auch noch einen Kompaktvan geserviced, sofern das dank „vorbeugender Wartung“ überhaupt mal nötig ist. Schließlich will man die „Downtime“, die Stillstände, “maximal minimieren”, heißt es. Dennoch soll es natürlich eine dedizierte Händlerschaft geben, spezielle Nutzfahrzeugcenter sind perspektivisch angedacht, wie auch die Trennung von Privat- und Gewerbekundengeschäft.

Der schnellste Weg zu grünem Transport ist batterieelektrisch

Auf 400.000 Elektro-Transporter schätzt man bei Kia das Volumen in Europa bis 2030. Und will sich zum einen davon ein großes Stück vom Kuchen abschneiden. Zum anderen dazu beitragen, dass der aktuelle Anteil von höchstens 13 Prozent EV-Vans bis 2030 auf 45 Prozent steigt. Nachhaltigkeit und Klimaneutralität im Gewerbe sei klar das Ziel und die batterieelektrische Mobilität der schnellste Weg dahin, davon sind die Kia-Verantwortlichen überzeugt.

Und für einen möglichst „nachhaltigen“ Erfolg liegt der Fokus dann eben nicht nur auf KEP und Last Mile, sondern vor allem auch auf kleinen und mittleren Unternehmen, denen man 55 Prozent am Transportermarkt zutraut, nur 20 Prozent den großen Logistikern und 25 Prozent den Personenshuttles. So oder so, das flexible und modulare Konzept von Kia soll für all diese Fälle gerüstet sein. Und Kunden wie Konkurrenz dürfen gespannt sein: Auf die IAA in Hannover.

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