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Hyundai Ioniq 5 N: Fahrspaß und Reichweite im Alltagstest

Ein genialer Pionier, ein Vermittler, ein Fahrspaß-König, für den Alltag aber nur bedingt zu empfehlen

hyundai ioniq 5 n: fahrspaß und reichweite im alltagstest

Elektroautos und Fahrspaß, das ist bisher ja immer so eine Sache. Wenn die Freude am Fahren für Sie nicht nur daraus besteht, bei jedem Tritt aufs Gas vor schierer Beschleunigungsgewalt ansatzlos grün im Gesicht zu werden, dann sah es bisher in diesem Teil des automobilen Spektrums eher lausig aus. Vor allem natürlich, wenn man kein sechs- oder gar siebenstelliges Loch in den eigenen Geldbeutel reißen möchte.

Wir wissen um fast 2.000 PS starke E-Hypercars wie den Rimac Nevera, um hochmotorisierte Porsche Taycans oder den überraschend unterhaltsamen neuen Macan. Wir wissen um elektrische Kompaktsportler wie den etwas limitierten Abarth 500e. Aber ein richtiges und bezahlbares Fahrerauto, wo bei der Entwicklung explizit (und in epischer Tiefe) darauf Wert gelegt wurde, Autoenthusiasten zu begeistern, das gibt es bisher nur von Hyundai.

Diverse Tests vom Launch-Fahrtermin auf einer spanischen Rennstrecke feierten das Auto in selten gesehener Einigkeit als ganz großen Wurf. Aber macht der Hyundai Ioniq 5 N mit seinen gefühlt 738 verschiedenen Modi und Einstellungsmöglichkeiten auch im Alltag Sinn? Wir haben es ausprobiert und gelangen zu einem etwas differenzierteren Urteil.

Schnelle Daten Hyundai Ioniq 5 N
Leistung 448 kW (609 PS); Boost: 478 kW (650 PS)
Drehmoment 740 Nm; Boost: 770 Nm
Batterie 84 kWh
Reichweite WLTP-Reichweite: 448 km
Ladeleistung Herstellerangabe: 240 kW
Basispreis 74.900 Euro

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Was ist das?

Als Basis nutzt Hyundais N-Division wenig überraschend einen Ioniq 5, versteift ihn aber signifikant. Das kennt man ja bereits von anderen N-Produkten wie den inzwischen eingestellten Verbrennern i20 N und i30 N. Interessanterweise passiert das alles auf der gleichen Fertigungsstraße. Am Ende verfügt das N-Modell über 42 zusätzliche Schweißpunkte und 2,1 Meter mehr Strukturkleber.

Außerdem stärkt man die Aufhängung der Lenkung, der Batterie sowie der beiden Motoren. Auch die vorderen und hinteren Hilfsrahmen fürs Fahrwerk sind steifer. Dazu kommen neue Achsen, die mit dem enormen Leistungsplus umgehen können. Und es gibt eine elektronisch kontrollierte Hinterachs-Sperre.

Der vordere Motor generiert 226 PS und 350 Nm, der hintere 383 PS und 390 Nm. Die Systemleistung liegt bei 609 PS/740 Nm. Ein zehnsekündiger Boost mit eigenem Knopf am Lenkrad steigert den Output auf maximal 650 PS und 770 Nm. Danach muss das System aber ein wenig abkühlen.

Das Temperatur-Management des Antriebs und der 84-kWh-Battery (800 Volt, 240 kW maximale Ladegeschwindigkeit, braucht nicht mehr Platz als die 77-kWh-Einheit im herkömmlichen Ioniq 5) ist freilich eine der größten Herausforderungen bei einem Elektroauto mit Performance-Ansprüchen.

Klickt man den 5 N etwa in den N Race-Modus, wird ein kleines bisschen Leistung zurückgenommen, damit das Auto – zumindest gibt Hyundai das so an – die Nordschleife zwei Mal in Folge in unter acht Minuten umrunden kann, ohne zu überhitzen. Eine genaue Rundenzeit meldeten die Koreaner bisher nicht, allerdings schaffte der Wagen im Sport Auto-Supertest eine beachtliche Zeit von 7:45.59 Minuten.

Aber Sie wissen ja vielleicht inzwischen, wie das bei Hyundais N-Division so läuft. Da geht es weniger um Zahlen (auch wenn sie hier stark beeindrucken), sondern mehr um gute Laune. Um letztere in ansprechenden Mengen zur Verfügung zu stellen, hat man unfassbar komplizierte Systeme kreiert.

Über gleich vier Knöpfe am Lenkrad können Sie sechs Fahrmodi (und den Overboost) einstellen, zwei davon sind individualisierbar. Sie entscheiden, wie wütend die Motoren reagieren sollen, über das Gewicht der Lenkung (arg viel ändert sich nicht), die Härte der Dämpfer, das Ansprechverhalten von Differenzialsperre und Stabilitätskontrolle, das Head-up-Display-Layout und ob Sie einen synthetischen Motorenklang haben wollen. Es gibt drei zur Auswahl.

Aber Vorsicht, das ist noch nicht alles. Haben Sie sich für Lärm entschieden, können Sie auswählen, ob sie unechte Schaltpunkte wollen. Es gibt auch “N Brake Pedal”, dass Ihnen auf Wunsch in mehreren Stufen so viel Rekuperation einschießt, dass es fast das ABS aktiviert, wenn Sie vom Gas gehen. Sie können einstellen, wie viel Drehmoment nach vorne oder nach hinten gehen soll und es gibt einen “Drift Optimiser” mit dem Sie üben können, wie sie Ihre Reifen zerstören.

Langweilig wird Ihnen also eher nicht. Vermutlich haben Sie auch nach drei Jahren mit dem Auto noch nicht alles, was es kann, ausprobiert. Dass das Ganze 74.900 Euro kostet, mag für einen (zugegebenermaßen relativ großen) Schuhkarton von Hyundai relativ teuer wirken. Aber in Anbetracht der Leistung und all dem irren Know-How, das in diesem Auto steckt, ist es eigentlich sehr günstig.

Exterieur

Der Ioniq 5 ist ja grundsätzlich ein komischer Vogel. Die Form sagt Kompaktwagen, schiere Größe und Gewicht schreien eher SUV. Etwas überrascht war ich von der Breite des Fahrzeugs. Im Alltag fühlt sich der 5 N an, als wäre er ungefähr 2,10 Meter breit. Beim Parken auf der Leopoldstraße stand das Auto gefühlt noch zu einem Viertel auf der Fahrbahn und das, obwohl ich kurz davor war, die wunderbaren 21-Zöller mit dem Bordstein zu tätowieren.

Der Eindruck einer gewissen Mächtigkeit könnte aber auch am gewaltigen Wendekreis liegen. Dass es “nur” 1,94 Meter Breite sind, beruhigt ein wenig. Womöglich gewöhnt man sich daran. Fünf Zentimeter mehr als beim normalen Ioniq 5 sind es trotzdem.

Dass der 5 N ein Köpfeverdreher vom Schlage eines Supercars ist, müsste wohl nicht extra erwähnt werden. Man sollte es zumindest mögen, angegafft zu werden. Für mich hat Hyundai den Design-Dreh derzeit aber mal so richtig raus. Wenn man das mit einem Volkswagen ID.4 oder ID.5 vergleicht – herrje, VW.

Eine Zahl, die später noch zum Problem wird oder zumindest Teil des Problems ist, ist der cW-Wert von 0,38. Klar, wenn man sich die ganzen Schweller, Spoiler, Radlaufverbreiterungen und Kanten ansieht, kommt man schnell drauf, dass der Wind dieses Auto nicht besonders mag. Außerdem reden wir hier über ein Performance-Fahrzeug, dass Handling können soll und über 260 km/h läuft, da will man nicht unbedingt Auftrieb in rauen Mengen und das kostet eben an anderer Stelle. Aber in Sachen Effizienz ist dieser Wert natürlich Gift.

Abmessungen Hyundai Ioniq 5 N
Länge x Breite x Höhe 4.715 x 1.940 x 1.585 mm
Radstand 3.000 mm
Kofferraumvolumen  480 – 1.540 Liter
Leergewicht 2.275 kg
Zuladung 385 kg
Anhängelast ähm … nein!
Dachlast 80 kg

Interieur

Bereits der herkömmliche Ioniq 5 hat ein sehr brauchbares Interieur, hier ist aber alles noch ein bisschen besser. Anfangs fühlt man sich etwas seltsam, weil die für ein Performance-Auto so unwirkliche Umgebung (Platz wie in einer Lagerhalle, Mittelsteg und Mittelkonsole mit unendlich vielen großzügigen Ablagen) im totalen Gegensatz zu den wirklich hervorragenden Performance-Optimierungen steht.

Etwa die schickeren Pedale oder das tolle Sportlenkrad mit richtigen Tasten und all den N-typischen Bediensatelliten. Und natürlich die fantastischen Sitze. Sie sind schon auf extra Halt geschnitten und können das auch gut, sind aber trotzdem ungewöhnlich bequem. Außerdem sind sie niedriger montiert als im Standard-Auto, dessen Sitzposition nicht Sportwagen-tauglich gewesen wäre. Hier passt es. Der Qualitätseindruck ist in Ordnung. Erwarten Sie keine Luxus-Materialien, eher einfache Solidität. Nichts, worüber man sich ärgern müsste.

Das Infotainment macht an sich einen sehr guten Eindruck, was Bildschirmauflösung, Geschwindigkeit oder die Sprachbedienung betrifft. Allerdings ist es wahnsinnig verwirrend, all die Fahrmodi, N-Modes, Einstellungen für Sound, Differenzial und Co. zu überblicken. Selbst nach zwei Wochen mit dem Auto irrte ich noch regelmäßig durchs Menü-Dickicht. Besitzer des Fahrzeugs dürfen mich jetzt gerne als absolute Hohlbirne bezeichnen, aber ich schildere lediglich meine Erfahrungen.

Keine zwei Meinungen gibt es beim Raumangebot im Fond. Es ist absolut gigantisch, selbst wenn man die verschiebbare Rückbank ganz nach vorne manövriert. Aufgrund der Lage der Batterie gibt es keinen wirklichen Platz unter den Vordersitzen (was bei dieser Beinfreiheit relativ egal ist) und der Kofferraum ist etwas hoch, aber dennoch geräumig.

Fahrbericht

Es ist ein so dermaßen anderer Ansatz als bei wirklich allem, was es bisher auf diesem Gebiet gab. Man bekommt ja nichts Vergleichbares. Wenn Sie mögen, klicken Sie sich ein leises elektrisches Reiseauto zusammen und wenn Sie nicht mehr mögen, dann drücken Sie 3 Knöpfe (na gut vielleicht sind es eher 15) und Sie kreieren einen kompletten Maniac mit erschreckend gut gemachten Geräuschen, erschreckend gut gemachten Schaltvorgängen, aggressivem Einlenken, einem unterhaltsamen Maß an Hecklastigkeit und fantastischer Abstützung in Kurven.

Der Speed stimmt natürlich auch, das sollte die wenigsten überraschen. Lassen Sie den ganzen Firlefanz weg und drehen sich alles so hin, dass es maximal nach vorne geht, dann morpht der Ioniq 5 N in 3,4 Sekunden von 0-100 km/h. Gibt natürlich einen sauberen Schlag in die Magengrube, aber das brutale Beschleunigungsvermögen ist ja eigentlich total egal. Man kennt das ja von anderen E-Autos, die noch mehr Dampf haben. Das ist zwei, drei Mal witzig und dann ist es auch wieder gut.

Bildergalerie: Hyundai Ioniq 5 N (2024) im Test

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Und hier ist genau der Punkt, zumindest einer davon, wo dieser Hyundai den Unterschied macht. Denn wenn Sie sich den Fake-Sound und die Fake-Gangwechsel gönnen, dann ist das so gut gemacht, dass Sie wirklich überlegen müssen, ob Sie in einem E-Auto oder einem Verbrenner sitzen. Hyundais Enthusiasmus geht so weit, dass man hier mehr Motorbremse bekommt und das Auto bei “hohen” Drehzahlen besser beschleunigt, also oben raus besser zieht (genau das Gegenteil von dem, was man sonst von E-Autos kennt). Es fühlt sich fantastisch an und gibt dem Wagen allein dadurch eine emotionale Tiefe, die den meisten anderen Elektrischen abgeht.

Beim Handling schlägt sich der N ebenfalls fantastisch. Die Lenkung könnte ein bisschen mehr Feedback liefern, aber das Einlenken selbst passiert ungewöhnlich fix und motiviert. Umso mehr, wenn man bedenkt, dass man hier gut 2,2 Tonnen durch die Gegend wuchtet. Ziemlich hochbeinig aussehende 2,2 Tonnen obendrein.

Das Gewicht konnte Hyundai freilich nicht gänzlich wegzaubern, aber wie das Auto damit umgeht, ist trotzdem sehr beeindruckend. Man merkt schon ein wenig Karosseriebewegung in schnell gefahrenen Kurven, aber das ist ja grundsätzlich keine negative Eigenschaft. Ganz im Gegenteil eigentlich.

So fühlt man besser, was da gerade so unter einem passiert. Und das sind größtenteils sehr gute Dinge. Schnelles Einlenken, monströser Grip in der Kurvenmitte und ein durchaus verschmitztes Heck am Kurvenausgang, das einen leichte Übersteuertendenzen erkennen lässt aber auch gerne mal rutscht, wenn man das möchte. Das hat so ein bisschen Mitusbishi-Evo-Vibes.

Der Driftmode funktioniert natürlich auch. Mit all der Power und der richtigen Kalibrierung der Systeme geht das alles fast wie von selbst. Etwas seltsam und schade ist lediglich, dass man nicht selber schalten kann, wenn man den E-Diff-Modus auswählt, wo man dann die Kraftverteilung bestimmen kann (etwa 90 Prozent nach hinten, um eine schöne Hecklastigkeit zu erzielen).

Schwächen zeigte bei unserem Testwagen sonst nur noch der Spurhalte-Assi, der permanent wilde Sachen machte, Linien erkannte wo keine waren und dann wild eingriff. Am besten einfach ausschalten.

Und dann wäre da halt leider noch das Thema Reichweite.

Fahrleistungen Hyundai Ioniq 5 N
0-100 km/h 3,5 Sekunden; Boost: 3,4 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit 260 km/h
Verbrauch WLTP: 21,0 kWh; Testverbrauch: 24 – 26 kWh

Reichweite/Laden

Und das ist hier leider ein großes Problem. Denn bei allen Fähigkeiten, die das Auto im Fahrdynamischen, aber auch beim Thema Fahrkomfort oder Praktikabilität hat, ist es für den Alltagsgebrauch mit einer Reichweite von vielleicht 330 Kilometer relativ ungeeignet. Und ich rede hier von einer Nutzung bei optimalen Temperaturen von um die 25 Grad und größtenteils normaler bis zurückhaltender Fahrweise.

Lade ich das Auto beim schnellen Stopp am Rastplatz auf um die 80 Prozent, schaffe ich damit eher 260 Kilometer. Das ist dann in der Realität einfach ziemlich unbrauchbar. Und wir reden hier ja nicht von einer kleinen Batterie, sondern einfach von einem gewaltigen Verbrauch, der selbst bei entspannter Fahrweise 25 bis 26 kWh beträgt.

Wie sieht das denn aus, wenn ich den Wagen seiner eigentlichen Bestimmung zuführen will und etwa ein paar Bergpässe fahren möchte, wo dann vermutlich auch nicht an jeder nächsten Ecke ein Park von Schnellladesäulen wartet? Darüber muss man dann schon nachdenken vor der Kaufentscheidung.

Immerhin passt die Ladeleistung. Wir erzielten maximal 260 kW und das auch sehr schnell und dann bis circa 50 Prozent. Bis etwa 70 Prozent geht es dann langsam abwärts Richtung 210 kW. Ab 70 Prozent lud er N dann noch mit 120 kW.

Fazit:

Der Hyundai Ioniq 5 N ist ein Meisterwerk der Ingenieurskunst und ein beeindruckendes Zeugnis davon, was möglich ist, wenn enthusiastische Entwickler Grenzen verschieben. Fahrdynamisch passt hier fast alles, sowohl was die puren Fähigkeiten, als auch, was die Verspieltheit und den Spaß angeht.

Obendrein qualifiziert sich der Wagen durch einen hervorragenden Fahrkomfort und einen sehr praktischen und gut gemachen Innenraum als tadelloses Reiseauto. Nun, zumindest für die eher kurze Reise. Denn neben dem Wirrwarr um die unendlichen Einstellungsmöglichkeiten aller Fahrsysteme bleibt als wirklich große Schwäche die viel zu niedrige Reichweite.

Ohne diesen Makel würde das Auto von mir im Punktesystem unserer Schweisterseite de.motor1.com eine 9/10 bekommen. So ist es dann eher eine 7,5 bi 8.

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