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Der Mercedes C 63 S E Performance ist ein technisches Meisterwerk ohne Seele

Der 680-PS-Vierzylinder-Hybrid ist meisterlich in Packaging und Applikation, die Frage ist nur: Wofür ist das gut?

der mercedes c 63 s e performance ist ein technisches meisterwerk ohne seele

Mercedes-AMG hat im ersten Quartal 2024 verglichen mit dem Vorjahreszeitraum mehr als ein Viertel weniger Autos verkauft. Das liegt mit Sicherheit auch an den unemotionalen und unbeliebten Vierzylinder-Modellen wie dem neuen C 63 S E-Performance. Unser US-Kollege Chris Rosales konnte die umstrittene Performance-Limo nun ausgiebig fahren und schlägt letztlich in die gleiche Kerbe.

Der revolutionäre Dr. Ian Malcolm sagte einmal berühmterweise: “Ihre Wissenschaftler waren so damit beschäftigt, ob sie es könnten, dass sie nicht darüber nachdachten, ob sie es sollten.” Doch dieses Mal geht es nicht um einen entkommenen Tyrannosaurus Rex – wir reden von schwäbischen Ingenieuren und ihrer berüchtigten V8-losen Schöpfung namens Mercedes-AMG C 63 S E Performance.

Ja ungenommen, er hat 680 PS. Sie ergeben sich aus der Kombination eines 476 PS starken 2,0-Liter-Vierzylindermotors und eines Elektromotors mit 204 PS. Und die Maschine ist mit einigen der cleversten Technologien ausgestattet, die jemals in einem Straßenfahrzeug verbaut wurden: Es gibt einen Turbolader mit einem integriertem Motor, der hilft, verbrauchte Energie zurückzugewinnen. Es gibt eine Hochleistungsbatterie, die so kalibriert ist, dass sie jederzeit Boost liefern kann. Sogar die Gewichtsverteilung (49/51) ist ziemlich beeindruckend für eine Limousine.

Aber dieser C 63 begeht zwei schwerwiegende Sünden. Erstens ist er mit 2.185 kg unfassbar schwer und zweitens vernichtet der neue Motor den Charakter des Autos, der vorher so immens wichtig für das Ethos des C 63 war. Was ist der C 63 noch ohne seinen V8?

Nun, ich sage es nur ungern, aber – verdammt – der neue C 63 ist die ganze Entrüstung nicht wert. So sehr ich auch dagegen ankämpfen möchte, in schwelgerischer Sehnsucht nach den Tagen des guten alten V8 – der neue C 63 hat durchaus seine Daseinsberechtigung. Perfekt ist er deswegen aber noch lange nicht. Und selbst nach einem Nachmittag auf großartigen kalifornischen Straßen glaube ich noch immer nicht, dass dieses Auto von seinem alten Format hätte abweichen müssen.

Etwas zu verstehen, macht es deutlich leichter, weniger Angst davor zu haben. Oder zumindest offener für die Veränderung zu werden. Als uns Mercedes den Projektleiter der so arg kontroversen Performance-Limousine für ein Interview zur Verfügung stellte, fragte ich daher ganz einfach: Warum?

Damian Hampen ist dieser Projektleiter und laut ihm kam die Idee für den Hybrid-Vierzylinder von den Ingenieuren innerhalb von AMG und nicht von der Muttergesellschaft, weil sie eine bestimmte Agenda verfolgen wollte.

“Wir wollten den C 63 in eine neue Richtung lenken und die F1-inspirierte Technologie in ein Straßenfahrzeug bringen.” Ich fragte ihn dann noch wie groß der Alptraum war, die unzähligen Systeme im Auto zu kalibrieren. Als Antwort gab es ein mysteriöses Lächeln und das war’s.

Der C 63 S nutzt sein Hybridsystem intensiv. 476 PS aus zwei Litern Hubraum zu holen, geht mit Kompromissen einher, vor allem in Bezug auf Ansprechverhalten und Fahrbarkeit. Um diese Leistung zu erreichen, ist ein gewaltiger Lader notwendig. Und mit einem gewaltigen Lader kommt auch ein entsprechend massives Turboloch.

Es gibt zwei Wege, dieses Problem anzugehen. Der erste: ein relativ hoch drehender Motor mit hoher Verdichtung. Er kann den Turbo schnell auf Touren bringen und viel Leistung erzeugen, aber es dürfte inzwischen schwierig sein, sowas überhaupt zugelassen zu bekommen. Oder man macht es wie AMG beim C 63: Niedriges Verdichtungsverhältnis von 9,0:1, groooßer Turbo und 2,5 bar Ladedruck.

Normalerweise wäre ein solcher Motor kaum fahrbar. Er würde ewig brauchen, um den Lader aus dem Bett zu kriegen, hätte bei niedrigen Drehzahlen und geringem Ladedruck keine Leistung und würde eine Aus-An-Leistungsentfaltung liefern wie ein Lichtschalter. Aber legt man 204 PS elektrische Unterstützung obendrauf, sieht die Sache plötzlich ganz anders aus. Mit einem Elektromotor auf dem Turbo, der selbigen vorab auf Touren bringen kann, könnte man einen Motor erhalten, der richtig gut anspricht. Aber nur (und wirklich nur dann), wenn die Abstimmung passt. Genau hier beeindruckt der C 63.

Pro: Scheiße schnell, exzellentes Handling, sehr sparsam

Mercedes hat noch einen Kniff für das primäre Hybridsystem aus dem Hut gezaubert: Man packte das Teil ins hintere Differenzial, um die Gewichtsverteilung zu optimieren. Der Motor selbst verfügt nur über ein 48-Volt-System und keine Hochvolt-Hybridtechnologie.

Dadurch entsteht ein eigenartiger Kraftverteilungs-Tanz, bei dem der Motor die Leistung über das vorne montierte 9-Gang-Getriebe und die Kardanwelle auf alle vier Räder überträgt, während der Elektromotor die Leistung wieder über dieselbe Kardanwelle nach vorne leitet, um bei Bedarf die Vorderräder anzutreiben. (Spätestens an diesem Punkt fühlt sich mein Gehirn an wie eine ausgepresste Zitrone.)

Das erfolgreiche Ausbalancieren der drei Hauptsysteme (Motor, Elektromotor und Turbolader) kommt einem mittelschweren Wunder gleich. Und die Ausführung ist hier wirklich brillant. Für mich haben wir hier den ersten Turbo-Motor, der wirklich anspricht wie ein Sauger. Mit ansatzlosem Schub untenrum und einer schön spitzen Leistungskurve.

Die Abfolge sieht in etwa so aus: Beim initialen Gas-Impuls liefert der Elektromotor nahezu die maximale Leistung, um massives Drehmoment zu erzeugen. Gleichzeitig spult der Turbolader mit elektrischer Unterstützung in Nullkommanichts auf 0,5 bar hoch. Bei niedrigen Drehzahlen stellt der E-Motor den Großteil des Vortriebs, bis der Turbo einsetzt. Dann findet ein fein abgestimmter Tanz statt. Der Ladedruck wächst auf 2,5 bar, während der Elektromotor weiterhin Leistung abgibt, damit sich der Leistungsaufbau des Verbrenners natürlicher anfühlt. Dabei beschleunigt das Auto wie eine verdammte Rakete. Es ist wirklich unfassbar schnell— beägnstigend eigentlich, wenn man sich die Physik dahinter vor Augen führt.

Selbst mit seinem Kampfgewicht von beinahe 2,2 Tonnen ist der C 63 S eine der fahrdynamisch fähigsten Sportlimousinen, die ich seit Längerem gefahren bin. Allerdings lässt sich dieser Trick deutlich leichter entschlüsseln, denn für das gute Handling bezahlt man an anderer Stelle – der 63er federt in wirklich allen Lagen bockhart.

Er rumpelt und hoppelt über jede Unebenheit, verliert dabei zwar nie die fahrdynamische Contenance, aber haut mich mit vollem Enthusiasmus schön aus dem Sitz. Dennoch ist die mechanische Balance des Autos in langsamen Haarnadelkurven unbestreitbar, wo er sich sauber in die Biegung reingräbt und dann in der Kurvenmitte schön das Heck mit eindreht, wo die meisten Autos dieser Gewichtsklasse eher unmotiviert nach außen schieben würden.

Contra: Emotionsloser Antrieb, sehr schwer, schwacher Fahrkomfort

Klar, mann kann so gut wie alles mit steifen Federn und Dämpfern bewerfen und es wird wahrscheinlich gut ums Eck gehen. Aber der C 63 wird für viele einfach zu straff sein, um als Alltagsauto durchzugehen. Insbesondere im Verglich zur Konkurrenz wie dem BMW M3, der herausragend gefederten Alfa Romeo Giulia Quadrifoglio oder dem Cadillac CT4-V Blackwing. Es ist das deutlichste Zeichen dafür, wie schwer der neue C 63 wirklich ist.

Das bringt mich zurück zur Frage nach dem „Warum“. Trotz seiner technischen Überlegenheit und der weitgehend beeindruckenden Performance verstehe ich nicht, warum dieses Auto so existiert, wie es ist. Der C 63 hat Geschwindigkeit und Emotion gegen… naja, nur noch Geschwindigkeit eingetauscht. Ich werde den Gedanken nicht los, dass ein 1.800 kg schwerer C 63 mit einem Achtzylinder einfach besser wäre.

Ja, der C 63 S E-Performance ist technisch beeindruckend und technisch gesehen „besser“, aber zu welchem Preis? Niemand verliebt sich in einen Taschenrechner, und genau das ist das Problem mit dem C 63.

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Chris Rosales / Motor1

Die Konkurrenz

2024 Mercedes-AMG C63S E Performance

  • Motor: Turbocharged 2.0-Liter Four-Cylinder PHEV
  • Motor: Single Permanently Excited Synchronous
  • Batterie: 6.1-Kilowatt-Hour Lithium-Ion
  • Leistung: 671 Horsepower / 752 Pound-Feet
  • Getriebeart: Nine-Speed Automatic
  • Antrieb: All-Wheel Drive
  • Beschleunigung 0-60 mph: 3.3 Seconds
  • Höchstgeschwindigkeit: 174 Miles Per Hour
  • Leergewicht: 4,817 Pounds
  • Verbrauch: 45 Combined MPGe (est.)
  • Elektrische Reichweite: 7 Miles (est.)
  • Aufladezeit: TBD
  • Anzahl der Sitze: 5
  • Basispreis: $85,050
  • Preis des Testwagens: $87,100 (est.)
  • Marktstart: Now

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