Formel 1

Mercedes

Mercedes-Benz

Sport

Longruns Baku: Mercedes zerlegt die Konkurrenz, aber ist das real?

Mercedes dominiert die Longruns beim Formel-1-Freitag in Aserbaidschan, doch Ferrari und Red Bull lauern dahinter: Großer Set-up-Poker im zweiten Training

longruns baku: mercedes zerlegt die konkurrenz, aber ist das real?

Lewis Hamilton zeigte eine starke Longrun-Pace im zweiten Baku-Training

Trotz vieler Probleme hat Ferrari-Pilot Charles Leclerc die Messlatte beim Formel-1-Freitag in Aserbaidschan gesetzt. Mit einer späten 1:43,484 im zweiten Freien Training fuhr der Monegasse die Tagesbestzeit und auch in den Longruns mit viel Gewicht am Ende der Session war keiner schneller als der Monza-Sieger.

Laut den Daten unseres Technologiepartners PACETEQ war Leclerc im Longrun durchschnittlich 0,15 Sekunden pro Runde schneller als Lewis Hamilton, der die zweitschnellste Longrun-Pace setzte. Dahinter folgt sein Mercedes-Teamkollege George Russell mit dann schon 0,44 Sekunden pro Runde Rückstand auf den Ferrari-Mann. Der Teufel liegt aber im Detail.

Warum der Leclerc-Longrun nicht repräsentativ ist

Allerdings fuhr Leclerc nur drei Runden in seinem Longrun, da er nach technischen Problemen erst spät seine Qualifyingsimulation absolvieren konnte und damit auch später in die Rennsimulation startete. Dies nahm er wohl zum Anlass, voll auf die Tube zu drücken, zu Lasten des Reifenmanagements. In Longrunrunde eins fuhr Leclerc eine 1:46,6, in seiner dritten und letzten Stintrunde zeigte die Stoppuhr aber schon eine 1:49,2 an.

Auf einen längeren Stint hochgerechnet, hätte Leclerc somit wohl nicht einmal die Pace seines Ferrari-Teamkollegen Carlos Sainz halten können. Dieser lag in der Endabrechnung aber fast sieben Zehntel pro Runde hinter der Pace von Lewis Hamilton, war damit aber schon die vierte Kraft bei den Fahrern. Somit dürfte Ferrari zwar einiges auf die Mercedes-Pace gefehlt haben, das hat aber immerhin noch für Platz zwei im Kräfteverhältnis gereicht.

Noch langsamer waren nämlich Red Bull und McLaren. Während Sergio Perez, der im Longrun der schnellere der beiden Red Bulls war, 0,72 Sekunden pro Runde auf Hamilton fehlten, handelte sich McLaren einen Rückstand von 0,88 Sekunden pro Runde auf die Silberpfeile ein. Jetzt stellt sich natürlich die Frage, wie das Mercedes-Team zu so einem großen Vorsprung kommt?

Warum ist Mercedes so viel schneller als der Rest?

Zum einen kam auch Hamilton wie Leclerc spät auf die Strecke und konnte nur wenige Umläufe drehen. Auf lediglich vier repräsentative Runden kann man beim 39-Jährigen zurückgreifen. Allerdings war George Russell mit einem Defizit von 0,29 Sekunden pro Runde nicht viel langsamer als sein Teamkollege, und das, obwohl er mit neun Runden auch lange auf der Strecke war.

Zum anderen setzte Mercedes als einzige Team im Longrun auf die harten Reifen. Normalerweise sollte der C3-Reifen langsamer als der mittlere C4 sein, auf den alle restlichen Fahrer unterwegs waren, doch Mercedes wird dadurch im Longrun mehr gepusht haben können, während die Konkurrenz mehr mit dem Reifenschonen beschäftigt war.

Dies zeigt sich auch in den Reifenverschleißdaten. Bereinigt um die verschiedenen Reifensorten kommt Mercedes auf einen durchschnittlichen Reifenverschleiß von 0,176 Sekunden pro Runde. Im Vergleich dazu: Sergio Perez’ Reifen verschlissen um 0,058 Sekunden pro Runde, die von Carlos Sainz um 0,06 Sekunden pro Runde. Das würde die Vermutung zulassen, dass Mercedes wahrscheinlich mehr gepusht hat als andere Teams.

Es kommt aber noch ein weiterer Faktor dazu, nämlich der Topspeed. Kein Team war in den Longruns ohne DRS-Runden so schnell auf der langen Start- und Zielgeraden wie Mercedes. Mit durchschnittlich vier km/h Rückstand konnte McLaren noch ansatzweise mithalten, während Red Bull (+10,9 km/h) und Ferrari (+12,6 km/h) keine Chance hatten und allein auf den Geraden weit mehr als eine halbe Sekunde verloren haben.

Hat Mercedes also den Motor schon weiter hochgedreht gehabt? Entweder das, oder man setzt eher auf ein Set-up mit wenig Abtrieb. Schon in den Qualifyingsimulationen hat sich gezeigt, dass Mercedes gerade im schnellen dritten Sektor stark ist, der praktisch ohne Kurve auskommt. Ganz anders sieht das Bild bei Red Bull aus.

Set-up-Poker: Setzt Red Bull auf das falsche Pferd?

Tatsächlich ist Max Verstappen im zweiten Freien Training der langsamste aller 20 Piloten in Sektor drei gewesen, dafür setzte er die Bestzeit im kurvenreichen zweiten Sektor, der den Burgabschnitt beinhaltet. Beim Blick auf die Topspeedaten wird Red Bull am Freitag zweifelsohne mit einem Set-up gefahren sein, was mehr Abtrieb bietet.

Damit haben sich deutliche Unterschiede bei den Topteams gezeigt. Während Mercedes auf Low- und Red Bull auf High-Downforce gesetzt hat, wird Ferrari irgendwo dazwischengelegen haben. McLaren hat sogar einen Vergleichstest gemacht. Im zweiten Training war Oscar Piastri mit weniger, Lando Norris dafür mit mehr Abtrieb unterwegs. Doch welches Set-up war jetzt besser?

Vergleicht man die Longrun-Zeiten der beiden McLarens, so war Piastri um etwa drei Zehntel pro Runde schneller als sein Teamkollege. Und auch im Qualifyingrun lag der Australier vorn, was aber eher daran lag, dass Norris seine Runde auf den Soft-Reifen wegen Verkehr im dritten Sektor nicht zu Ende fahren konnte.

Auf eine schnelle Runde im Qualifying könnte das High-Downforce-Set-up das schnellere von beiden sein, da der zusätzliche Luftwiderstand durch die größeren Flügel auf den langen Geraden nicht so stark ins Gewicht fällt, da das geöffnete DRS dem entgegenwirkt. Und man kann zusätzlich in den Kurven viel Zeit gewinnen.

Laut den Freitagsdaten sollte für den Renntrimm aber das Low-Downforce-Set-up schneller sein, wie sich nicht nur am Vergleich der beiden McLarens gezeigt hat. Ohne DRS wird der Luftwiderstand ein großer Faktor für das High-Downforce-Set-up sein. Allein auf der letzten Geraden hat Max Verstappen im Longrun konstant über eine halbe Sekunde auf Lewis Hamilton verloren.

Mittelfeld: Wird der Reifenverschleiß doch noch zum Problem?

Normalerweise ist der Grand Prix in Baku aufgrund der glatten Asphaltbeschaffenheit ein klares Einstopprennen, doch in den Longruns konnte man vor allem im Mittelfeld einen teilweise sehr hohen Reifenverschleiß erkennen. Besonders schlimm hat es Aston Martin, Racing Bulls und Williams getroffen. Alexander Albon hat auch eine Erklärung dafür.

“Pirelli hat den Reifendruck sehr hoch angesetzt, sodass man es sich nicht leisten kann, mit dem Auto zu rutschen, da sonst der Reifen sehr schnell beschädigt wird”, erklärt er. “Es macht keinen Spaß, aber es ist für alle gleich.”

Seine Longrun-Pace war dafür trotzdem anständig. Mit durchschnittlich 1,67 Sekunden Rückstand pro Runde war nur Aston-Martin-Pilot Lance Stroll (+1,65) schneller im Mittelfeld als der Thailänder. Dahinter kommen Alpine (+1,8), Haas (+2,12), Sauber (+2,51) und Racing Bulls (+2,62). Hervorzuheben wäre noch Oliver Bearman, der seinen Teamkollegen Nico Hülkenberg im Longrun klar im Griff hatte.

TOP STORIES

Top List in the World