BYD

BYD Seal U DM-i (2024): Kinderkrankheiten im Alltagstest

Viel Komfort und große Reichweite, doch einige Abstimmungsprobleme

byd seal u dm-i (2024): kinderkrankheiten im alltagstest

Kennen Sie das? Wenn bei Paaren nach der Kennenlernphase die Routine einsetzt, fallen plötzlich Eigenheiten oder kleine Macken am Partner auf, die vorher so gar nicht durchgedrungen sind. Der Alltag legt gnadenlos alles offen. Wer viel Zeit zusammen verbringt, kann wenig verstecken.

Das ist auch in der Kombination Mensch und Maschine nicht anders. Weswegen uns der BYD Seal U DM-i nach einem kurzen Kennenlernen in Italien jetzt noch einmal auf ein ausgiebiges Miteinander besucht hat. 

Bildergalerie: BYD Seal U DM-i (2024) im Alltagstest

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Motor1.com

Schnelle Daten BYD Seal U DM-i
Motor Elektromotor (145 kW) + 18,3 kWh-Akku + 1,5 Liter-Vierzylinder (72 kW)
Getriebe Automatik
Antrieb Frontantrieb
Systemleistung 160 kW (218 PS)
Drehmoment 300 Nm
Basispreis 38.900 Euro

Was ist das?

Wenn Sie sich jetzt am Kopf kratzen und fragen “Was war das noch mal?” erinnere ich Sie gerne kurz, denn häufig sind BYD-Fahrzeuge hierzulande noch immer nicht anzutreffen. Nur rund 1.400 Einheiten wurden von Januar bis Juli 2024 verkauft. Während der Euro 2024 konnte der chinesische Hersteller als EM-Sponsor immerhin ein wenig mehr Aufmerksamkeit in Europa generieren.

Der BYD Seal U DM-i ist im Sommer gestartet und soll den europäischen Geschmack als Hybrid-SUV der Mittelklasse treffen. Die Basis bildet der vollelektrische Bruder. Für Vortrieb sorgt hier ein “Super DM” genanntes Plug-in-Hybrid-System, das den Elektroantrieb bevorzugt, während ein 1,5 Liter-Vierzylinder-Motor hauptsächlich zum Laden genutzt oder in Situationen beansprucht wird, in denen viel Leistung notwendig ist. 

Exterieur | Interieur | Fahrbericht | Ladeperformance/Verbrauch | Preise | Fazit

Exterieur

Schmale Scheinwerfer, eine klar erkennbare Seitenlinie und eine obligatorische horizontale Leuchtleiste am Heck. Optisch versucht der Seal U aufzunehmen, was modern ist und wenig Leute abstößt. Markante, mutige oder eigenwillige Elemente finden sich hier nicht.

Mit 4,78 Metern in der Länge und einem Radstand von 2,77 Meter ist der BYD durchaus üppig für das anvisierte D-Segment. Das Design ordnet sich hauptsächlich der Funktion unter: Lufteinlässe, Aerodynamik, Handhabung, Preis – ein Mix aus allem und der Seal U das Ergebnis. 

BYD Seal U DM-i (2024) im Alltagstest

Abmessungen BYD Seal U DM-i
Länge 4.775 mm
Breite 1.890 mm
Höhe 1.670 mm
Radstand 2.765 mm
Kofferraumvolumen 425 – 1.440 Liter
Leergewicht 1.940 kg
Zuladung 410 kg

Interieur

Im Innenraum bietet BYD beim Seal U so einiges an Komfort: vegane Lederausstattung, ein zu öffnendes Panoramadach, etliche Assistenzsysteme, Head-Up-Display (welches jedoch nur Geschwindigkeit und Geschwindigkeitsbegrenzung anzeigt) und als Eye-Catcher der sich um 90 Grad drehende 12,3 Zoll fassende Infotainment-Bildschirm. Wohlgemerkt in der Basisausstattung. Das alles ist ohne Frage solide verarbeitet und auch auf langen Fahrten durch etliche Einstellungsmöglichkeiten sehr bequem.

Jedoch gesellten sich in unserem 1.241 Kilometer umfassenden Alltag einige Macken im Komfortkleid hinzu. So zum Beispiel das Infotainmentsystem, dessen Bildschirm für schnelle Einstellungen eine zu geringe Sensitivität aufweist und des Öfteren mehrmaliges Tippen auf einen Menüpunkt in Anspruch nimmt. Zudem ist die Menüstruktur etwas sperrig und zu sehr verschachtelt. 

Zwar lässt sich der Bildschirm von der horizontalen auf die vertikale Nutzung wechseln, in letzterer ist Android Auto jedoch nicht nutzbar. Zudem stand das Navi in unserem Zeitraum gar nicht bereit – laut Info ein “instabiles Netzwerk”. Wohl auch aus diesem Grund folgten zur Abfahrt immer wieder Geschwindigkeitsanzeigen, die absolut keinen Sinn ergeben.

Wie 80 oder 110 km/h mitten in der Innenstadt von Bochum. Zwar kämpfen viele Hersteller mit der genauen Geschwindigkeitserfassung, doch zum Start einer neuen Fahrt hinaus aus meinem Wohnviertel mit 30er Zone waren mir derartige Angaben völlig neu.

Wobei auch gesagt werden muss, dass manches Problem innerhalb unserer Testzeit bereits behoben wurde. Wie teilweise umständliche Übersetzungen. Aus dem Menüpunkt “Intensität der Energierückmeldung” wurde so beispielsweise tatsächlich Rekuperation. Vieles kann eben auch im nachhinein per Update noch behoben werden, vor allem im Bereich Assistenzsysteme und Infotainment.

Jedoch hat dieses ungewöhnlich viel Zeit in Anspruch genommen (angegeben waren über 40 Minuten), sodass BYD es erst in der kommenden Nacht aufspielen durfte. Eventuell kann hier auch noch etwas an der Sprachassistentin poliert werden, die mich oftmals nicht verstand oder teilweise nur widerwillig half. Wie beim Öffnen des Panoramadachs: “Wir fahren ziemlich schnell! Ich öffne das Dach besser nur zur Hälfte” – bei 20 km/h wohlgemerkt. 

Zu den positiven Eigenschaften zählt jedoch ohne Zweifel das Raumangebot des Seal U. Zwar muss zum Einladen eine recht hohe Ladekante überwunden werden (all zu schwer sollten die Pakete also nicht werden), aber wer Platz braucht, kann ihn sich individuell per Umlegen der Rückbank schaffen und dann schluckt der Seal U DM-i bis zu 1.440 Liter. Recht ordentlich für ein Mittelklasse-SUV.

Fahrbericht

Das unaufgeregte Elektro-first-Konzept habe ich im Frühjahr schon gelobt. Der BYD Seal U DM-i ist zumeist ruhig unterwegs und schaltet flüssig zwischen vollelektrischem und Hybrid-Modus hin und her. Nicht nur beim Überholen wird es etwas lauter. In der jetzt gefahrenen schwächeren Boost-Version muss auch ab einer Reisegeschwindigkeit von ca. 125 km/h ein zunehmender Geräuschpegel hingenommen werden.

Hier ist der Verbrenner nun hörbar im Dauereinsatz, um genügend Kraft für den Vortrieb zu speisen. Seiner Hauptaufgabe, dem Laden der Batterie, kann er sich kaum noch widmen, wie auch die Energiegrafik im Kombiinstrument zeigte. Bei Geschwindigkeiten jenseits der 120 km/h kommt das Hybrid-System ins schwitzen, den Klotz weiter voranzutreiben.

Die Schwachstellen des Seal U sind wie schon beim Ersteindruck noch immer Fahrwerk und Lenkung. Es geht weich und abgekoppelt zu auf dem Deck der Seerobbe. Fast schon passend zum Ocean-Design kurbelt es sich manches Mal wie auf einem Ausflugsdampfer, während der Zweitonner über Bodenwellen schaukelt. Am indirekten Gefühl für die Straße ändern auch die verschiedenen Modi nur marginal etwas.

Hinzu kommen leichte Schläge bei Querfugen und ein Nachlauf, der innerhalb eines engen Wendemanövers großzügiger Korrektur bedarf und die Räder nur widerwillig wieder geradestellt. Und auch die Bremse agiert gerade nach längeren Bremspausen oder zum Start der Fahrt viel zu aggressiv.

Dann sorgt der Bremsvorgang für ein kräftiges Kopfnicken. Im Kontrast dazu steht die Phase der Rekuperation, bei der kaum Gefühl für eine angemessene Dosierung vermittelt wird. Wenig Pedalweg und ein undurchsichtiges Druckverhalten verstärken den Eindruck. Ist der Seal U auf langen, monotonen und glatten Flächen unterwegs, rollt es sich jedoch recht komfortabel.

Ist die eingeschränkte Sicht nach hinten durch die Anwesenheit der vorzüglichen 360-Grad-Kamera mit Draufsicht noch akzeptabel, wird es des Nachts bei fehlender Straßenbeleuchtung doch ungewohnt dunkel. Der Lichtkegel des BYD SUVs leuchtet zwar vorzüglich geradeaus, leider ist das Sichtfeld zu den Seiten aufgrund des zu wenig streuenden Lichtkegels zu klein. Ein wenig fühlt man sich wie in einer wenig ausgeleuchteten Unterführung. Das muss definitiv besser werden.

Fahrleistungen BYD Seal U DM-i Boost
0 – 100 km/h 8,9 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit 170 km/h
Verbrauch (WLTP) 6,4 Liter
CO2-Emission 20,5 g/km (kombiniert)
Reichweite bis zu 1.080 km insgesamt, bis zu 80 km elektrisch
Ladeperformance AC-Charger 11 kW (120 min) / DC-Charger 18 kW (35 min 30 auf 80 Prozent) 

Ladeperformance und Verbrauch

Und wie weit kommt der Seal U DM-i jetzt? BYD gibt bis zu 1.080 Kilometer insgesamt an. Mit voller 18,3 kWh-Batterie und 60 Liter Tank. Ich bin einen Mix aus 70 Prozent Autobahn, 20 Prozent Landstraße und 10 Prozent Stadt gefahren. Im knapp getakteten Journalistinnen-Alltag auch mal etwas flotter. Am Ende standen 846 Kilometer auf der Uhr, als die Tankanzeige erst aufleuchtete und dann bei der Restreichweite panisch von knapp 100 Kilometer auf Striche wechselte.

Nachtanken konnte ich 52,36 Liter Super. Bedeutet also, dass gut 100 Kilometer noch obendrauf hätten kommen können, wenn die Anzeige einfach weiter Kilometer runterzählen würde. Damit sind wir bei 6,19 Liter plus die aufgeladenen 16,8 kWh. Das ist für einen Zweitonner in diesen Ausmaßen bei flottem Ritt durchaus gut.

Die Ladeperformance ist jedoch nichts, um den Hybriden mal kurz an der Ladesäule wieder aufzuladen. Das Nachladen an der Schnellladesäule von etwa 50 auf 97 Prozent nahm 43 Minuten für 9,3 kW in Anspruch. Dafür kann auf langen Fahrten der effiziente Verbrenner über eine Einstellung bis zu 75 Prozent Energie zurück in die Batterie speisen, sodass am Zielort in der Stadt wieder rein elektrisch gefahren werden kann – nett! Das oben angesprochene anstehende Update führte beim Testwagen jedoch zum Ladeabbruch. 

Preise

Der hier gefahrene Boost kostet 38.900 Euro – immer! Keine Aufpreisliste, keine Optionen. Farben für Innen und Außen aussuchen und ab dafür. Der kräftigere Design mit Dual Elektromotor und 1,5 Liter-Turbomotor kostet 44.500 Euro. 

Eine Version namens Comfort mit größerer Batteriekapazität war für das dritte Quartal 2024 anvisiert, ist jedoch im BYD-Konfigurator noch nicht hinterlegt.

Fazit: 5,5/10

Es ist nach wie vor der Preis, der dieses große und gut ausgestattete SUV attraktiv macht. Etliche Gimmicks sorgen für Annehmlichkeiten, der nutzbare Raum ist ein klares Plus und die Langstreckenqualitäten angenehm. Wer einen effektiven Hybriden sucht, ist beim BYD Seal U DM-i richtig, muss jedoch in der Handhabung, bei den Fahrwerten und den eigenwilligen Eigenschaften der Bremse einige Abstriche machen.

Zudem muss eine gewisse Resistenz gegen die ein oder andere Kinderkrankheit vorhanden sein. Daher gibt es gegenüber dem Ersteindruck ein kleines Downgrade. Weitere Over-the-Air-Updates könnten bei vielen Sachverhalten jedoch Abhilfe schaffen. Denn im Grunde steht hier ein ganz souveränes Auto.

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