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Mercedes-AMG C 63 S E-Performance (2023) im ersten Test

Mit 680 PS scheint der neue C 63 dem Namen würdig, aber eigentlich ist die Plug-in-Hybrid-Super-Limousine ein bisschen zu verhalten.

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Es kostet mich wirklich all meine Selbstbeherrschung, keine dieser wunderbaren Muscheln einzupacken, als ich durch die Gänge des Atarazanas-Marktes von Malaga schlendere. Es ist mir egal, dass sie roh sind … und ich keinen Platz zum Kochen habe. Im nächsten Gang begrüßen mich Stände mit Iberico-Schweinekeulen, die darum betteln in die USA geschmuggelt zu werden. Oliven, Seeteufel, Rinderherzen, Gewürze – auf dem Markt gibt es alles, und ich will alles in meinem Korb haben. Aber ich bleibe stark.

Die Herrschaften von Mercedes-AMG hatten beim neuen C 63 offensichtlich deutlich weniger Selbstbeherrschung als ich. Sie haben wirklich alles in dieses Auto hineingepackt: einen Elektromotor, ein direkt gekühltes Batteriepaket, den stärksten Vierzylinder der Welt, Hinterradlenkung, adaptive Dämpfer, eine Displayeinstellung, bei der fett “BOOST” im Kombiinstrument blinkt … ich bin mir ziemlich sicher, dass irgendwo im Kofferraum auch ein Waschbecken zu finden ist.

Jetzt ist so ein Gericht mit Oliven, Seeteufel und Rinderherz aber natürlich nicht für jedermann der Gaumenschmaus schlechthin. Und irgendwie fühlen sich die seltsamen Aromen des neuesten C 63 einfach auch ein bisschen daneben an. Schauen Sie, die letzten C 63 waren immer ein wenig anachronistisch – ein großer, lauter V8 und grandiose, leicht zugängliche Fahreigenschaften vermittelten den Eindruck, dass Vergnügen wichtiger ist als reine Geschwindigkeit.

Der Neue lässt all das vermissen. Er ist schnell, aber schwer. Agil, aber irgendwie gehemmt. Zweifellos wird er in der realen Welt besser funktionieren und vielleicht auch schnellere Rundenzeiten fahren, aber der neue C 63 könnte etwas von dem verloren haben, was ihn zu einer unserer Lieblingslimousinen gemacht hat.

Leistung, nur ganz anders

Wie üblich hat AMG von der Standard-C-Klasse nicht all zu viel übrig gelassen. Zugegeben, der Motor hat noch immer zwei Liter Hubraum, aber der handgefertigte M139 kommt grundsätzlich aus A 45/CLA 45 und Co. Hier gibt’s allerdings einen kleinen Elektromotor oben drauf, der den Vierzylinder vor dem Eintreffen der Abgase in Stimmung bringen und Verzögerungen minimieren soll. Ein integrierter Startergenerator ist vorhanden und er läuft wie der Turbokompressor über das 400-Volt-Bordnetz.

Insgesamt leistet allein der Verbrennungsmotor 476 PS und ein Drehmoment von 545 Nm. Das ist ziemlich viel, wenn man bedenkt, dass der alte C 63 mit doppelt so vielen Zylindern, doppelt so viel Hubraum und doppelt so vielen Turboladern den gleichen Output lieferte. Wobei das Drehmoment mit 700 Nm zugegebenermaßen deutlich höher ausfiel. Vom Klangerlebnis ganz zu schweigen.

Denn während die Leistung des neuen C 63 absolut AMG-würdig ist, ist der Soundtrack so generisch wie bei jedem anderen 2,0-Liter-Turbomotor. Dreht man die Fahrmodi auf, wird es zwar lauter und es spratzt und brabbelt auch hier und da, aber seien wir ehrlich – der Soundtrack der Baureihe 206 ist ein deutliches Downgrade.

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Unterstützt wird der extrem potente Vierzylinder durch die Kombi aus Elektromotor und leistungsstarkem 6,1-kWh-Lithium-Ionen-Akkupack. Beide sind an der Hinterachse montiert und schreiben sich mit fetten Lettern die Entwicklungshilfe des Mercedes-AMG Petronas F1-Teams auf die Fahnen. Das Pärchen ist grundsätzlich für 95 PS gut, kann aber in 10-sekündigen Boosts bis zu 204 PS produzieren.

Insgesamt liegt die kombinierte Leistung des C 63 bei 680 PS und 1.020 Nm Drehmoment … naja, zumindest zeitweise. Das liegt daran, dass die tatsächliche Leistung des Elektromotors vom jeweiligen Fahrmodus abhängt. In den Modi Comfort und Battery Hold (zur Maximierung der rein elektrischen Reichweite der Batterie) stehen nur 25 Prozent der E-Motorleistung zur Verfügung. Bei Sport sind es 65 Prozent, Sport Plus und Race liefern bis zu 80 Prozent.

Aber nur in Race und nur mit einem separaten Boost-Modus steht die maximale Ausbeute des Elektromotors zur Verfügung. Dafür muss der Fahrer den Pinsel voll durchtreten und eine Stufe am Gaspedal überwinden, um 100 Prozent des elektrischen Boosts zu nutzen.

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Das sind – sorry – drei Schritte zu viel. Auch wenn der Effekt dann durchaus beeindruckt. Der Boost-Modus ist für die Rennstrecke gedacht und arbeitet am besten mit dem AMG Track Pace-System zusammen, das die Wirkung des elektrischen Antriebsstrangs maximieren soll. Wählen Sie Track Pace und eine der gut 70 (!) vorinstallierten Strecken (es werden ständig mehr) und der C 63 bietet zwei Strategien für den Umgang mit Motor und Batterie.

In “Qualifying” lässt das Auto sein Herz komplett auf dem Platz. Sprich: Solange noch Saft in der Batterie ist, gibt es maximale Leistung. Interessanter ist jedoch der Modus “Endurance”. Er berücksichtigt das Layout der Strecke und hat auf dem Schirm, wann/wo der Elektromotor für den Großteil der Runde den meisten Nutzen bringen würde.

Auf dem Geschlängel des Ascari Race Resort etwa nutzt die Batterie die harten Bremszonen auf den kürzeren Geraden, um Energie zurückzugewinnen. Und dann, wenn die Strecke sich öffnet, blinkt “BOOST” auf im Digital-Instrument, um anzuzeigen, dass der E-Motor jetzt am effektivsten arbeiten würde.

In diesen Situationen macht sich das zusätzliche Drehmoment dann auch wirklich bemerkbar, vor allem am Kurvenausgang natürlich. Aber ich kann mir nicht helfen – das Ganze fühlt sich einfach an, wie ein Gimmick. Warum kann ich die Leistung nicht einfach einsetzen, wann und wo ich es für richtig halte? Es hat den Anschein, als ob der Sinn dieses Systems darin besteht, dem Fahrer jegliche Entscheidung abzunehmen. Was genau das Gegenteil von dem ist, was ich mir von einem Hochleistungsfahrzeug wünsche.

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Die fetten Jahre .. stehen bevor

Track Pace hält den Fahrer nicht nur über den Boost-Status auf dem Laufenden, sondern auch über seine Rundenzeit und darüber, wann er wertvolle Sekunden gewonnen oder verloren hat. Das Display ist immer im Blickfeld des Fahrers und fordert ihn auf, schneller zu fahren, mehr Geschwindigkeit durch die Kurve mitzunehmen und später zu bremsen. Der C 63 kommt mit den Forderungen aber nicht immer komplett zurecht.

Das hat zum großen Teil mit dem Gewicht zu tun. Mit rund 2.165 Kilo – gut 400 mehr als im achtzylindrigen Vorgänger und immerhin 300 Kilo mehr als in einem BMW M3 Competition xDrive – handelt es sich hier um eine sehr, sehr schwere Performance-Limousine.

Und dieses Gewicht macht sich auf der Rennstrecke deutlich bemerkbar. In den zwei recht langen Sessions in Ascari musste ich mehr und mehr die Geschwindigkeit am Kurveneingang reduzieren und auch das in die Kurve reinbremsen wurde immer kniffliger, wenn ich auf Linie bleiben wollte. Die Michelin Pilot Sport 4S-Gummis, 265/35 vorne und 275/35 hinten, hatten ebenfalls zu kämpfen und machten sich recht früh durch Quietschen bemerkbar.

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Selbst im aggressivsten Setting der dreistufigen Adaptiv-Dämpfer fühlt sich der C 63 noch relativ weich an, wenn er über die Rennstrecke geprügelt wird. Mit etwas Rollneigung und überraschend viel Eintauchen beim harten Anbremsen. Und trotz der serienmäßigen Hinterradlenkung, die bis zu 2,5 Grad Neigung schafft, fühlt sich das Auto auf der Rennstrecke weniger agil oder unterhaltsam an als erhofft. Das schiere Gewicht des 63ers ist auf dem Track einfach nicht wegzudiskutieren. Auf der Straße funktioniert die ganze Angelegenheit spürbar besser.

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Leistung, aber anders

Als ich Malaga an der Küste verlasse und im Elektromodus Richtung Bergstraßen nordöstlich der Stadt cruise, ist es leicht, zu vergessen, dass ich in einem AMG sitze. Lautlosigkeit und dicke Radkästen sind seltsame Kameraden, allerdings kommt der C 63 allein mit Elektronen auch nicht besonders weit. Die Reichweite von 13 Kilometer ist bestenfalls bescheiden, aber in dicht besiedelten europäischen Städten wie Málaga verstehe ich sowohl den Sinn als auch den Reiz. Ich hatte genug Saft, um der Stadt zu entfliehen und das Ganze mit heruntergelassenen Fenstern, um die Geräusche der City zu genießen.

Die Reichweite des C 63 schreit jetzt nicht unbedingt “Elektroauto”, aber die drei Stufen der Rekuperation kennt man so auch aus den vollelektrischen EQS und EQE. Die Standardeinstellung ist unauffällig, während Stufe 3 schon sehr nahe am One-Pedal-Driving dran ist. Auf Wunsch kann die Rekuperation auch ganz deaktiviert werden.

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Wenn die Besiedlung dünner wird, die Steigung zunimmt und die Straßen kurviger werden, kommt die Vielseitigkeit des C63 zum Vorschein. Im Komfortmodus ist die Qualität der Dämpfung ausgezeichnet, die Lenkung nervt nicht und das Zusammenspiel zwischen Elektro- und Benzinmotor zeigt sich hervorragend abgestimmt. Da holpert nix.

Für mich zeigt sich der C 63 aber vor allem in Sport und Sport Plus von seiner besten Seite. In puncto Straffheit gibt es hier kaum Unterschiede. Diese fühlt man dafür umso mehr, wenn man im AMG Dynamics-System mit seinen vier Modi von Advanced auf Pro wechselt. Die Lenkung, die sich unabhängig von der Einstellung zu isoliert und leblos anfühlt, ist zumindest reaktionsfreudiger und hat mehr Gewicht. Außerdem hat das Auto mehr Lust sich zu bewegen. Kurz gesagt, es ist einfach mitreißender. Das heißt aber nicht, dass es schneller ist.

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Auch bei der Fahrt durch die Berge ist es schwer zu ignorieren, dass dieser 680-PS-AMG sich ganz und gar nicht so anfühlt, wie es der Begriff “680-PS-AMG” vermuten lässt. Mercedes gibt einen Sprint von 3,4 Sekunden auf Tempo 100 an. Zum Vergleich: Ein M3 Competition mit Allradantrieb und 170 PS weniger braucht nur eine Zehntel mehr.

Ja, es gibt einen kräftigen Schub im unteren Drehzahlbereich, und die Leistung baut sich auf sehr vorhersehbare, lineare Weise auf. Hier zeigt sich wirklich die Raffinesse und die Präzision des hochkomplexen Antriebsstrangs. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass diese atemberaubende Beschleunigung, die einem das Herz in die Hose rutschen lässt, einfach nicht so richtig rüberkommen will.

Das Problem lässt sich in gewisser Weise lösen, wenn man die Regeln bricht und sich in den Race- und Boost-Modus klickt. Es gibt einen Grund, warum Mercedes den süchtig machenden Kickdown, der die maximale Motorleistung abruft, hinter diversen Modi und anderen Einstellungen versteckt hat. Nach dessen Einsatz auf dem bergig-kurvigen Geläuf, kann ich das Versteckspiel jedoch nicht so wirklich verstehen.

Die Verwendung in der realen Welt macht den Boost von einem Gimmick zu einem praktischen Fahrwerkzeug. Außerdem fühlt sich das Auto durch den Boost auf eine Weise lebendig an, die ihm sonst ein wenig abgeht.

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Teilzeit-Performance

Was machen wir also am Ende des Tages aus diesem hoch komplizierten Vorboten der neuen Performance-Limo-Welt? Nun, bisher interessierte die Kundschaft in diesem Segment vor allem Power und Charakter. Beides bietet der neue C 63 eben leider nur in Teilzeit.

Die wohlwollende Erklärung dafür ist, dass dieses Auto ein besseres Gleichgewicht zwischen Komfort und Leistung bietet als je zuvor (und nach dieser Logik gibt es definitiv Platz für eine aggressivere Variante im Stile eines Black Series). Der C 63 sollte ein bisschen durchgeknallt sein, ein wilder Hund, ein Ungetüm, aber vor allem ein Genuss. In der neuesten Ausbaustufe ist das Ungetüm etwas zu vernünftig geworden.

2024 Mercedes-AMG C63 S E-Performance

  • Motor: Zweiliter-Vierzylinder
  • Motor: Permanenterregter Synchron-Motor
  • Leistung: 680 PS / 1.020 Nm
  • Getriebeart: 9-Gang-Automatik
  • Antrieb: Allradantrieb
  • Batterie: 6.1-kWh Lithium-Ionen
  • Beschleunigung 0-60 mph: 3.3 Sekunden
  • Höchstgeschwindigkeit: 280 km/h
  • Verbrauch: WLTP-Verbrauch: 6,9 Liter
  • Elektrische Reichweite: 13 Km
  • Ladeanschluss: TBD
  • Leergewicht: 2.165 kg
  • Anzahl der Sitze: 5
  • Basispreis: tba
  • Preis des Testwagens: tba

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