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VW-Sparkurs verunsichert ganze Auto-Branche: „Bei Zulieferern schrillen die Alarmglocken“

Automobil-Industrie

VW-Sparkurs verunsichert ganze Auto-Branche: „Bei Zulieferern schrillen die Alarmglocken“

vw-sparkurs verunsichert ganze auto-branche: „bei zulieferern schrillen die alarmglocken“

Netzwerkstörung Volkswagen

Seit Volkswagen einen harten Sparkurs angekündigt hat, blicken auch viele Zulieferer besorgt nach Wolfsburg. Drohen der Branche womöglich eine neue Welle an Insolvenzen?

Wolfsburg – Manchmal produziert die das Volkswagen-Universum wundersame Geschichten: Noch Anfang Juli prämierte Europas größter Automobil-Konzern unter rund 40 Nominierten die zehn besten Lieferanten aus dem unternehmenseigenen Netzwerk. „Die Erfolge […] in den vergangenen Jahren, heute und in Zukunft sind nur mit starken Partnern möglich“, hieß es bei der Gala von Seiten des VW-Vorstands Dirk Große-Loheide. Keine zwei Monate später verkündete die VW-Führungsriege um Oliver Blume einen Sparplan, der weder Standortschließungen in Deutschland noch den Wegfall der einst sicheren Jobgarantie ausschloss.

Sparplan von Volkswagen: Wie Damoklesschwert über der Zuliefererbranche

Seit dieser Ankündigung schwebt auch über besagter Zuliefererbranche ein Damoklesschwert. Wie dick das entsprechende Pferdehaar tatsächlich ist, an dem befestigt es über Lieferanten wie Bosch, Continental oder ZF Friedrichshafen baumelt, ist noch nicht bekannt. Bisher hat die VW-Konzernspitze lediglich die Kündigung mehrerer betriebsinterner Vereinbarungen angekündigt.

Doch wissen die Zulieferer aus Erfahrung, dass sie bei Sparzwängen Ihrer Kunden eher am Ende, als am Anfang der Nahrungskette stehen. Auch Christian Vietmeyer von der Arbeitsgemeinschaft Zulieferindustrie kennt die Mechanismen der Branche: „Wenn VW sagt, ‚wir haben zu hohe Kosten‘, dann schrillen bei den Zulieferern die Alarmglocken“, sagte er im Gespräch mit der Wirtschaftswoche.

Von Verbrenner auf Elektro: Autokonzerne und Zulieferer sind in der Transformationsphase

Wie die meisten Industriebranchen befinden sich auch die Zulieferer in einer Transformationsphase: Die angestrebte Umstellung von Verbrenner auf Elektroantriebe hat auch die Lieferanten gezwungen, ihre Produktion auf die neuen Standards ihrer Kunden auszurichten. Vielerorts waren hohe Investitionen vonnöten.

„In der ohnehin schon relativ angespannten Situation der Branche kommen die Ankündigungen von VW noch obendrauf“, erklärt auch der Vorstandsvorsitzende des Kompetenznetzwerks Mahreg Automotive, Stefan Schünemann, in der Süddeutschen Zeitung. Dabei mache die aktuelle Zurückhaltung von VW die Lage für die Lieferanten im Zweifel sogar noch bedrohlicher, bliebe ihnen im Fall der Fälle noch weniger Zeit, zu reagieren.

Experte bemängelt: Bundesregierung und EU ohne konsistente Strategie bei Förderung von E-Autos

Vietmeyer bemängelt in dieser Hinsicht besonders die fehlende Konsistenz, wenn etwa die Bundesregierung die Förderung für E-Autos früher als geplant streiche. Oder wenn im Zuge der EU-Wahl plötzlich wieder Stimmen zum Rückzug vom Verbrenner-Aus bei Neuzulassungen ab 2035 laut werden.

Wie angespannt die Branche generell ist, ließ sich zuletzt in Thüringen beobachten. Hier blicken die Zulieferunternehmen in Eisenach, im Eichsfeld, im Kreis Gotha sowie in Gera ganz genau nach Wolfsburg: Erst im August geriet der südthüringer Automobillieferant AE Group in finanzielle Schieflage und befindet sich derzeit in einer eigenverantwortlichen Sanierung des Unternehmens.

Automobilzulieferer ächzen unter „Kosten und Kapazitäten“ – wenig Sicht auf Besserung

Zuvor hatten bereits mehrere Autozulieferer angekündigt, ihre Standorte schließen zu wollen – in acht Fällen meldeten Unternehmen laut des Branchenverbands Automotive Thüringen Insolvenz an. 2020 Arbeitsplätze waren davon betroffen. Insgesamt sind etwa 80.000 Arbeitnehmer bei 690 Firmen in Thüringen beschäftigt, die direkt oder indirekt mit der Automobilindustrie verbunden sind, ergänzt Verbandschef Rico Chmelik gegenüber dem MDR. Hier steht viel auf dem Spiel.

Die verminderte Nachfrage bei Volkwagen und Co. spiegelt sich immer auch in den Absatzzahlen der Zulieferer wider. „Werden die angepeilten Mengen jedoch nicht abgenommen, liegt das Risiko allein bei den Zulieferern. Das ist immer so. Verbindliche Abnahmemengen gibt es nicht. Hinzu kommen die branchenübergreifenden Mehrkosten auf Energie“, erklärt Vietmeyer. Aktuell blieben viele Zulieferer auf „Kapazitäten und Kosten“ sitzen.

Keine totale Abhängigkeit von Zulieferern: Hohe Umsätze täuschen über Zustand hinweg

Diese Tendenz lässt auch eine Datenauswertung der Wirtschaftsprüfer von EY erahnen. Nach Analyse von Daten des Statistischen Bundesamtes sowie der Agentur für Arbeit stieg der Umsatz der Zulieferer seit 2014 zwar um 14 Prozent und im Jahr 2023 um elf Prozent. Doch die Zahlen täuschten laut den Autoren über die tatsächliche Situation hinweg. Die Rekordumsätze seien Ergebnis hoher Inflation sowie der ausufernden Produktionskosten.

In der Endabrechnung sorgten die „hohe Energie- und gestiegene Lohnkosten bei vielen Unternehmen für eine rückläufige Marge“, erklärt Constantin M. Gall, Managing Partner und Leiter Mobility bei EY für die Region Europe West. Für die Automobilzulieferer werde die „Luft immer dünner“ – zumal aufgrund der bescheidenen Konjunkturaussichten keine Besserung in Sicht sei.

Eine Sache macht dem Branchenexperten Vietmeyer allerdings auch Hoffnung. Immerhin sei ihm kein Zulieferer bekannt, der sich in Deutschland komplett von Volkswagen abhängig gemacht habe.

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