Lucid

Lucid Air Pure: E-Einstieg in Europa mit 747 km Reichweite

Über Lucid schwebt vermeintlich ein Damoklesschwert. Nämlich das der Finanzen, da der kalifornische Autobauer nach wie vor ein sattes Minus einfährt. Für die meisten anderen Autobauer wären diese konstant tiefroten Zahlen gleichbedeutend mit dem Exodus. Aber die Männer aus dem Silicon Valley sind vergleichsweise entspannt.

Der Grund für diese ungewöhnliche Zuversicht trägt den Titel Public Investment Fund (PIF) und steht für den saudischen Staatsfond und der zugrundeliegenden Strategie „Vision 2030“. Diese sieht vor, dass der arabische Staat langfristig seine Abhängigkeit von Erdöl beenden oder zumindest massiv reduzieren will. Und Lucid wurde als lohnendes Investitionsobjekt auserkoren worden. Deswegen bauen die Araber auch in der King Abdullah Economic City (KAEC) eine Lucid-Fabrik mit einer Kapazität von 150.000 Einheiten pro Jahr.

lucid air pure: e-einstieg in europa mit 747 km reichweite

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Die Manager des US-Autobauers betonen, dass das Investment langfristig ausgelegt sei. Solange die Petrodollars fließen, sind die Kalifornier auf der sicheren Seite und schmieden ambitionierte Pläne. Im nächsten Jahr soll der Gravity erscheinen, ein SUV, das endlich für satte Umsätze sorgen soll. „Der Gravity wird eine Weiterentwicklung des Air“, sagt Techniker Jürgen Fuchs. 2027 folgt dann ein erschwingliches Mid-Size-SUV, das rund 50.000 Euro kosten soll.

Die Produktplanung steht also, jetzt geht es an die Landkarte. Lucid will in Märkten wie den Niederlanden, Norwegen und Deutschland Fuß fassen. Dabei stellt Deutschland die Nagelprobe für den Eroberungszug auf dem Alten Kontinent dar. „Hier in Europa geht es gegen alle. Wenn man mit den Besten mithalten will, muss man in Deutschland gewinnen“, erklärt Lucid Europachef Alexander Lutz.

Da hierzulande das Geld nicht ganz so locker sitzt wie im Westen der USA, hat Lucid mit dem Air Pure RWD ein Einstiegsmodell im Gepäck, das mit einem Basispreis von 85.000 Euro in der Modellpalette als Premium gilt, während Air-Varianten wie der GT (129.000 Euro) oder die 1254-PS-Rakete Sapphire (ca. 232.000 Euro) als Luxus eingestuft werden.

Der Unterschied zwischen Premium und Luxus besteht nicht nur in Ausstattungsdetails wie dem Glasdach, sondern auch in der Leistung. Während die Nobel-Airs mit Allradantrieb und mindestens 611 kW / 831 PS an den Start rollen, sind es beim Pure vergleichsweise gewöhnliche 325 kW / 442 PS, ein Drehmoment von 550 Newtonmetern und Hinterradantrieb.

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Um es gleich vorwegzunehmen. Diese Power reicht auch auf deutschen Autobahnen aus, um auf der linken Spur, wo das Recht des Schnelleren gerne mit der Lichthupe durchgesetzt wird, ganz weit vorne dabei zu sein. Beim Sprint von null auf 100 km/h ohnehin, da der in 4,7 Sekunden absolviert wird. Wo liegt dann der Unterschied zu den Powermodellen?

Innerhalb von 20 Minuten sind 400 Kilometer Reichweite im Akku

Zum einen in der Höchstgeschwindigkeit, die beim Pure RWD bei 200 km/h erreicht ist und beim GT bei 270 km/h liegt und zum anderen in der Batterie sowie der Ladegeschwindigkeit. In den Top-Modellen sind Samsung-Energiezellen verbaut und die Akkus haben eine Kapazität bis 118 Kilowattstunden, die mit 900 Volt Technik und 300 Kilowatt laden. Dagegen sind es beim Air Pure RWD 88-kWh-Batterien mit Panasonic-Zellen und 650-Volt-Technik, die mit maximal 210 kW mit Strom gefüllt werden. Dennoch fließt laut Lucid Strom für 400 km in 20 Minuten in die Energiespeicher des Air Pure.

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Die Reichweite ist mit maximal 747 Kilometern (WLTP-Zyklus) angesichts der Batteriegröße top. Schließlich rühmt sich Lucid, ein Antriebskonzept ersonnen zu haben, das sich durch extrem sparsamen Stromverbrauch auszeichnen und die Version mit Hinterradantrieb nach eigenen Angaben zur effizientesten E-Limousine der Welt machen soll. Lucid gibt den Konsum mit 13 kWh/100 km an, wir kamen auf 18,7 kWh/100 km, waren aber auch kurzzeitig mit mehr als 150 km/h unterwegs. „Wir glauben an weniger Umdrehungen und an eine längere Übersetzung“, offenbart Jürgen Fuchs ein Teil des reduzierten Energiedurstes. Ein weiterer positiver Effekt: Dem Lucid Air geht auch bei höheren Geschwindigkeiten nicht die Luft aus.

Auf der Straße unterscheidet sich der Pure nicht großartig von den Luxus-Brüdern. Auch ohne Luftfederung, die keines der Modelle hat, ist das Lucid-Fahrwerk mit den adaptiven Dämpfern komfortabel trotz der montierten 20-Zoll-Räder abgestimmt, was auf langen Strecken angenehm ist. Ein spezielles Set-up für Deutschland wird es nicht geben. „Das Auto ist ohnehin schon sehr europäisch abgestimmt“, sagt Jürgen Fuchs und verweist auf die vielen Testrunden auf der Nordschleife des Nürburgrings. Allerdings könnte das ESP etwas sanfter eingreifen. Die sollte ein zukünftiges Update, das auch drahtlos erfolgen kann, ausmerzen.

Drei Fahrmodi stehen zur Verfügung Smooth (sanft), Swift (flink) und Sprint. Dass man beim Letzteren erst noch den Hinweis erhält, dass diese Einstellung nur von erfahreneren Fahrern aktiviert werden sollte, zeigt, dass der Lucid in den USA zu Hause ist. Eine individuelle Einstellung gibt es nicht. Bei der Rekuperation stehen zwei Modi zur Auswahl – Standard und High, wo der Eingriff schon spürbar und auch One-Pedal-Fahren möglich ist. Auch hier fehlt ein Segelmodus. Deswegen haben wir uns aufgrund der reduzierten Eingriffsstärke für Standard entschieden.

lucid air pure: e-einstieg in europa mit 747 km reichweite

Das Cockpit des Lucid Air konzentriert sich auf das Wesentliche, ist aber nicht ganz so reduziert, wie das bei Tesla der Fall ist. Die Mixtur aus analogen Eingabemöglichkeiten und über den Touchscreen hilft dem Fahrer. Dass die Klimaanlage bei automatischer Einstellung sehr stark bläst, mag in den USA gefallen, hier muss man die Luftzufuhr manuell nachregeln. Auch das sollte bald mit einem Software-Update verbessert werden.

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