Der Eletre ist aerodynamisch feingeschliffen und wartet mit einem Cw-Wert von 0,26 auf. © Foto: Lotus
Für Lotus ist es eine Premiere: Die britische Geely-Tochter bringt im Spätsommer den Eletre nach Europa: Das erste SUV der Marke, mit E-Antrieb und stilistischen Anleihen beim E-Hypercar Evija. Aber auch mit ungewohnten Proportionen.
Das Sport- und Spaßgerät, das in England gezeichnet und im hessischen Raunheim entwickelt wurde, wird in China gebaut. Es ist 5,10 Meter lang, 2,24 Meter breit und 1,63 Meter hoch. Trotz aller designtechnischen Kniffe, trotz des aerodynamisch optimierten Körpers mit diversen Kühlluftöffnungen steht der Eletre (ungarisch für “zu neuem Leben erwachen”) ganz schön massiv auf seinen 20 bis 23 Zoll großen Rädern. Er setzt definitiv nicht auf Understatement, speziell in den Farben Solar-Gelb, Natron-Rot oder Galloway-Grün. Die stehen ihm tatsächlich deutlich besser als die für die Basisversion verfügbaren und ein bisschen langweiligen Farbtöne Kaimu-Grau und Stellar-Schwarz.
Aktiver Frontgrill, auf Wunsch Kameras statt “echter” Rückspiegel, rundum ausfahrbare Lidar-Sensoren, aktiver Spoiler in der Heckklappe und geteilter Dachspoiler – der Eletre ist aerodynamisch feingeschliffen und wartet mit einem Cw-Wert von 0,26 auf. Für ein SUV dieses Formats ist das nicht übel. Der Neuzugang lässt sich vorne wie hinten gut entern und auch wieder verlassen, auch wenn man dabei ziemlich mächtige Schweller überwinden muss.
Autotest: Lotus Eletre
In Sachen Materialqualität muss sich der Eletre definitiv nicht hinter Wettbewerbern wie dem AMG EQE 53 SUV, dem BMW iX M60 oder dem Tesla Model X verstecken. Die Bauteile und Bezüge fühlen sich bis in den tiefsten Fußraum gut und wertig an und sie sind erkennbar sorgfältig verarbeitet. Gut gelungen ist die Aufteilung der diversen Anzeigen. Neben zwei schmalen Displays hinterm Lenkrad und direkt vor dem Beifahrer informieren noch ein großes Head-up-Display und ein mittig platzierter, sehr fein auflösender und extrem reaktionsschneller 15,1-Zoll-Touchscreen, über den unter anderem auch die EV-Routenführung aktiviert wird. Während die grafischen Vorzüge dieses Systems, hinter dem eine Rechenleistung von 12 GB RAM steckt, positiv ins Auge fallen, nerven beim Fahren diverse kleine Unzulänglichkeiten wie der übereifrige Müdigkeitssensor oder, deutlich lästiger, die hohe Fehlerquote bei der Verkehrszeichen-Erkennung. Das kann gerade in Ländern wie Norwegen ganz schön teuer werden.
Lotus Eletre: Innenausstattung nahezu selbsterklärend
Aber nachdem Lotus-Ingenieure auf Nachfrage durchaus einen gewissen Nachholbedarf auf diesem Gebiet einräumen und der Eletre durch die Luft updatefähig ist, lässt sich daran sicher noch etwas verbessern. Im Prinzip ist das Infotainment-System durchaus konkurrenzfähig und vergleichsweise intuitiv zu bedienen. Und auch der Rest ist selbsterklärend: Schlüsselkarte an die Fläche fürs induktive Handyladen halten, per Wippschalter auf “D”, Fahrmodus-Einstellung (von Tour bis Track) über die rechte und Rekuperationsstufe über die linke Lenkradwippe einstellen. Das war’s.
Lotus Eletre: Extrem agiles SUV
Leistung ist einfach da, wann immer und wie viel davon man braucht. Dank des Allradantriebs, flankiert von einer Zwei-Kammer-Luftfederung, Multi-Link-Achsen vorne wie hinten und sämtlichen aktuell verfügbaren elektronischen Helfern lässt sich die brachiale Gewalt sogar noch bei Nässe vergleichsweise gut auf die Straße bringen. Die Lenkung macht ihre Sache auch im verschärften Einsatz gut. In engen, schnellen Kurven kann der Eletre seine üppigen Pfunde zwar lange ganz gut kaschieren, aber letztlich lassen sie sich nicht wegdiskutieren oder -regeln: Ein echter Sportwagen ist er nicht. Aber ein extrem agiles SUV. Und eines mit reichlich Komfort auf der Langstrecke – mit der Option auf künftiges autonomes Fahren. Die Hardware dafür ist schon mal an Bord.
Ein schnell ladender Stromer ist der Eletre auch. Dank der 800-Volt-Architektur des jüngsten und größten Lotus lässt sich der 112 kWh fassende Lithium-Ionen-Akku binnen 20 Minuten von zehn bis 80 Prozent füllen. Die Reichweite gibt der Hersteller mit bis zu 600 Kilometern beim Basismodell, 535 Kilometern beim S und mit bis zu 450 Kilometern beim R an. Die WLTP-Verbrauchswerte liegen abhängig von der Bereifung zwischen 21,4 (Eletre) und 30,7 kWh/100 km (Eletre R). Während der durchgehend temporeduzierten Testfahrt rund um Oslo signalisierte der Eletre S rund 23 kWh je 100 Kilometer. Wer es auch nur ein bisschen fliegen lässt, muss also auch in der zweitstärksten Variante definitiv mit deutlich über 30 kWh rechnen.
Auch bei den Preisen will Lotus ein Zeichen setzen, 95.990 Euro fürs Basismodell, 120.990 Euro für den S und 150.990 für den R können angesichts von Leistung, Technik und Exklusivität des Neuzugangs als fast schon günstig gelten. So geht es beim 625 PS starken AMG EQE 53 SUV preislich mit knapp 125.000 Euro los, das Model X mit 670 PS startet bei 113.490 Euro und der 619 PS starke BMW iX M60 steht gar erst ab 143.100 Euro in der Liste. Exakt solche Mitbewerber – und auch luxuriöse Verbrenner wie etwa der Lamboghini Urus – dürften aktuell noch in den Garagen der treuen Lotus-Gemeinde stehen. Der will die Geely-Tochter jetzt mit dem Eletre ein ernstzunehmendes Erstwagen-Angebot machen – zusätzlich zum Zweit- oder Drittwagen in Gestalt eines Exige oder eines Evora.
Lotus Eletre (2022)