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Lotus Eletre S auf Kaltfahrt im Schnee

Dass der Elektro-Lotus viel Power hat, steht außer Frage. Aber wie schlägt sich der Luxus-Stromer von Geely bei Kälte und Schnee?

Pekka Kaartinen runzelt die Stirn. Immer wieder ruckt der Kopf mit den rotblonden, streichholzkurzen Haaren gen Himmel, aus dem dicke Flocken herunterrieseln, die von einem starken Wind wie bei einem Küchenmixer durcheinandergewirbelt werden. „Es ist viel zu warm. Fast wie Frühling“, murmelt der freundliche Sámi mit den hellblauen Augen und den tiefen Rillen in den Wangen.

Tatsächlich bewegen sich die Temperaturen um den Gefrierpunkt, fühlen sich aber aufgrund des starken Windes deutlich niedriger an. Die US-Amerikaner bezeichnen dieses Phänomen so treffend als Windchill-Factor. Wir hadern ein wenig mit unserem Schicksal, schließlich befinden wir uns rund 250 Kilometer nördlich des Polarkreises und wollen den Lotus Eletre S einem Kältetest unterziehen. Da wären uns tiefere Minusgrade lieber gewesen.

lotus eletre s auf kaltfahrt im schnee

„Fast schon Frühling“ Die Reise führt uns von Saariselkä in Finnland nach Karasjok in Norwegen). Das sind zwar nur 187 Kilometer, die aber den sportlichen Luxus-Stromer von Lotus mächtig fordern.

Aber es ist, wie es ist – da ändern wir nichts dran. Also wuchten wir unser Gepäck über die recht hohe Ladekante in den Kofferraum, nehmen hinter dem Steuer des 120.990 Euro teuren Elektro-Hyper-SUVs Platz und machen es uns gemütlich. Dass die Fahrzeuge der urbritischen Marke mittlerweile aus China kommen und bei Geely gebaut werden, merkt man spätestens am riesigen 15,1 Zoll Touchscreen, der reichhaltigen, bisweilen etwas verschachtelten Menüauswahl – und der Tatsache, dass die elektrischen Helferlein über-voreilig Alarm schlagen. Wir stellen zudem fest, dass die Sitzposition recht hoch ist und vermissen mehr vertrauenserweckenden Seitenhalt durch den Sitz, die den Rumpf bei Karvenfahrten zusätzlich stabilisieren.

493 Kilometer Reichweite beim Start

Die Reise führt uns von Saariselkä (Finnland) nach Karasjok (Norwegen). Das sind 187 Kilometer. Klingt nach einem Klacks für einen Power-Stromer mit 450 kW / 612 PS und einer Batterie mit einer Kapazität von 112 Kilowattstunden. Doch wenn es durch tief verschneites Gebiet von Finnland nach Norwegen geht, hilft die ganze Kraft wenig, da sind andere Talente gefragt. Da geht es um Traktion und eben um Reichweite. Beim Start der Fahrt zeigt das Display bei einem Ladestand von 98 Prozent und eine Reichweite von 493 Kilometern an. „Da kann man nicht meckern“, denken wir uns und legen los.

Da wir keine Geschwindigkeitsrekorde aufstellen wollen, haben wir Winterreifen aufgezogen, wie sie auch in Deutschland gebräuchlich sind. Der schneeerprobte Einheimische greift dagegen zu weicheren, grobstolligeren Pneus, die sich besser in den Schnee krallen. Viele haben sogar noch Spikes im Profil, die bei uns schon längst verboten sind. Der Unterschied der verschiedenen Gummiwalzen wird uns bald deutlich vor Augen geführt werden. Dazu gleich mehr.

lotus eletre s auf kaltfahrt im schnee

Stippvisite am Tesla-Charger Nach 187 Kilometern Fahrt mit selten mehr als 100 km/h ist der Ladestand auf 48 Prozent gefallen – da braucht es Nachschub. Theoretisch kann der Lotus mit bis zu 350 kW laden – hier sind wir mit weniger zufrieden.

Die Bedingungen sind auch so schon alles andere als einfach. Da es in den letzten Tagen geregnet hat, hat sich an mancher Stelle eine dünne Eisschicht mit dem Schnee verbunden. Spiegelglatt wäre eine Übertreibung. Doch die Regelsysteme des Lotus Eletre müssen nur ganz selten eingreifen, da wir keine Ambitionen haben, dem leider viel zu früh verstorbenen Driftkönig Ken Block Konkurrenz zu machen und das Volant so gefühlvoll wie möglich bewegen.

Vorsicht Rentier!

Der Allradantrieb liefert auch unter diesen Bedingungen genug Grip. Auch enge Kurven, die von hoch aufragenden Felswänden umsäumt sind, bringen den 2,5 Tonnen schweren Brocken nicht aus der Ruhe, auch wenn sich das hohe Gewicht nicht verleugnen lässt. Wenn die elektrischen Helfer doch mal eingreifen müssen, tun sie das unaufgeregt-geschmeidig und treiben beim Fahrer keine Schweißperlen auf die Stirn.

lotus eletre s auf kaltfahrt im schnee

Vorsicht, Wildwechsel Rentiere, Elche oder auch Füchse haben im hohen Norden Vorfahrt und betrachten die Straße gewissermaßen als ihr Wohnzimmer. Wir bewegen uns deshalb ganz vorsichtig bei der Fahrt durch den Wald.

Die Strecke hat es auf alle Fälle in sich. Vor allem, weil Rentiere, Elche oder auch Füchse hier Vorfahrt haben und die Straße gewissermaßen als ihr Wohnzimmer betrachten. Wir bemerken die vielen Spuren rechts und links neben der Straße, halten uns an die Geschwindigkeitsvorgaben und achten penibel darauf, ob nicht ein mehrere hundert Kilogramm schweres Tier urplötzlich aus dem Unterholz springt. Die Finnen nutzen ihren Heimvorteil eiskalt aus und feuern wie von der Tarantel gestochen an uns vorbei. PS-Power und moderne Technik können den Vorteil von Ortskenntnis und Spikes nicht stets wettmachen. Wie dem auch sei: Ein Winter-Rallye-König wird aus uns nicht mehr.

Kälte treibt den Stromverbrauch

Die Fahrt führt uns jetzt in die Nähe der norwegischen Grenze. Der Eletre schlägt sich gut, vor allem die Stille im Innenraum gefällt uns. Eine gute Stunde später sind wir an unserem Zielpunkt Karasjok angekommen. Schon von wieten leuchtet der rote Tesla-Schriftzug durch die skandinavische Winternacht. Auch wir müssen an den amerikanischen Stromtankstellen Energie zapfen. Denn der Bordcomputer offenbart uns Ladebedarf.

Nach 187 Kilometern Fahrt mit selten mehr als 100 km/h ist der Ladestand auf 48 Prozent gefallen und die vom System errechnete Reichweite auf 241 Kilometer geschmolzen. Beim Verbrauch meldet der Bordcomputer 29,8 kWh/100 km – das sind 5,7 kWh/100 km mehr als Lotus angibt. Untern Strich ist also auch der Lotus Eletre trotz der ausgeklügelten Konditionierungsmechanismen der Akkus von dem energiemordenden Kälte-Phänomen betroffen, unter dem viele Elektromobile mit Lithium-Ionen-Akku leiden.

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