Polestar

Testfahrt Polestar 3: Der ideale Chauffeur-Stromer

Unter den großen Elektro-SUV startet Geely in Europa mit einer Doppelspitze: Dem Polestar 3 und dem Volvo EX90, beide auf der selben E-Plattform. Während der EX90 mit drei Sitzreihen als Familien-SUV an den Start geht, ist der Polestar 3 eher eine SUV-Limousine – mit unglaublich viel Platz im Fond.

testfahrt polestar 3: der ideale chauffeur-stromer

(erschienen bei VISION mobility von Gregor Soller)

Endlich! Die erste Sitzprobe im Polestar 3 konnten wir schon zur IAA 2023 machen, mittlerweile wurde auch der Polestar 4 vorgestellt und den 3 konnten wir immer noch nicht fahren. Volvo sei schuld daran rumorte es in der Gerüchteküche, denn mit den beiden großen SUV startet der Geely-Konzern eine neue Fahrzeuggeneration auf der nicht ganz neuen SPA-II-Plattform, der Scalable Product Architecture II, die wiederum eine stark weiterentwickelte SPA-Plattform für elektrische Antriebe ist. Für China lief die Montage in Chengdu im Februar 2024 an, Europa muss noch bis Oktober auf die Fahrzeuge aus Ridgeville im US-Bundesstaat South Carolina warten. Lohnt sich das?

Können wir noch nicht vollumfassend beurteilen, denn einige Funktionen waren bei unserem Testwagen noch nicht freigeschaltet, auch das Zentraldisplay verabschiedete sich nach der Hälfte unserer Testdistanz. Kommt ein bisschen „fiskeresk – ähnlich fuhren wir damals den Ocean über unsere verkürzte Testrunde.

Das Fahrverhalten: Herrlich dynamisch und knackig!

Trotzdem können wir schon erste Aussagen treffen: Erstaunlich ist in erster Linie, wie knackig sich der Polestar 3 fährt. Mit dem gekonnt abgestimmten Fahrwerk, der straffen Lenkung und dem dünnen, knochigen Volant degradiert er den Mini Countryman zum „Riesen“. Denn der Polestar 3 fährt sich trotz 4,9 Metern Länge bei 2,98 Metern Radstand eher wie ein 4,4-Meter-Kompakt-SUV. Aber klar, man wollte fahrdynamisch ja keinen geringeren herausfordern als Porsche und ausgerechnet diese Aussage, die wir am kritischsten beurteilten, stimmt! Unter den SUV der oberen Mittelklasse gehört der Polestar 3 definitiv zu den fahraktivsten! Gekonnt abgestimmt ist die Zweikammer-Luftfederung mit den aktiven Stoßdämpfern, die das Wechseln zwischen komfortabler und straffer Abstimmung ermöglichen sollen, wobei wir hier immer straff und trotzdem noch komfortabel unterwegs waren.

Das freudige eindrehen und Spurhalten unterstützt die elektrische Torque-Vectoring-Doppelkupplungsfunktion an der Hinterachse, bei niedriger Leistungsanforderung lässt sich der Heckmotor lässt bei unserem Long-Range-Allrad auch entkoppeln. Was auch beim Sparen hilft. Könnte klappen, denn mit städtischem Stopp-and-Go, was aber auch Stromer verbrauchstechnisch gern fordert, standen 19,9 kWh/100 km netto am Display, das sind brutto knapp 21,9 kWh – nicht zu viel für die Umstände.

Dazu bei trägt auch die serienmäßige Wärmepumpe, welche die Vorkonditionierung des 111 kWh großen, flüssigkeitsgekühlten Li-Ionen-Akkus ermöglicht. Der soll nach WLTP Reichweiten von bis zu 650 km ermöglichen, real sind eher 500 plusminus x. Bei uns wären es gut 531 gewesen. HPC Laden kann man mit bis zu 250 kW, womit der Hub von 10 auf 80% binnen einer halben Stunde erledigt sein soll. Schade, das AC nur 11 kW möglich sind – in der Klasse mittlerweile ein No-Go. Immerhin: Auf bidirektionales Laden ist der Polestar 3 bereits vorbereitet. 800 Volt wären noch nett gewesen, kommen aber vielleicht eines Tages per Facelift. Was aber dann mehr als ein SOA-Update sein müsste…

360 kW (490 PS in alter Währung) und 840 Nm Drehmoment reichen, um den 2,5-Tonner in fünf Sekunden auf 100 zu schießen und immer Saft und Kraft im Überfluss zu bieten – bis zum Topspeed von 210 km/h. Üppig: Die 2.200 Kilogramm gebremste Anhängelast.

Innen: Nordische Eleganz mit eigener kantiger Note

Das Design ist über jeden Zweifel erhaben: Es verbindet klare kantige Elemente zu einem eigenen durchaus nordischen Auftritt innen wie außen. Und orientiert sich dabei an Tesla, Nio und Co., interpretiert das aber gekonnt skandinavisch. Weniger gefiel uns die exzessiveVerwendung des Micro-Tec-Fasermaterials innen: man kommt sich vor wie in einem Taucheranzug vor lauter neopren-ähnlichem Mterial, das nun nicht ganz so wertig wirkt. Als Hose würde man sagen „Wet-Look“ und der kann anziehend, aber eben auch billig wirken. Trotzdem alles stimmig und sehr farbreduziert, bis auf die gelben Bremssättel, weshalb wir vielleicht noch die Gurte in „Schwedengold“ ordern würden und andere Bezüge sowieso. Doch gestaltet und verarbeitet ist alles fein und wir vermuten, das die 1.610 Watt leistende Bowers&Wilkins-Anlage mit ihren 25 Speakern auch gut Sound machen würde.

Was uns beim Blättern im Konfigurator auffällt, ist, das sich Polestar auch bei den Preisen an Porsche orientiert zu haben scheint: Denn tatsächlich gibt es noch viele leider leckere Pakete und Einzeloptionen, um den Basispreis unseres Long Range mit Dual Motor von 85.590 Euro locker Richtung sechsstellig zu treiben.

Lücke genau getroffen

Im Unterschied zu Porsche kann der Polestar 3 aber auch echt praktisch: Beim Allrad fällt der Frunk mit 32 Litern zwar etwas klein aus, aber zusätzlich gibt es noch ein tiefes Fach im Heck. Und die Rücksitzlehnen lassen sich dreigeteilt umlegen, was die 484 auf bis zu 1.411 Liter-Ladevolumen erweitert, die hier mit bis zu 1,87 Meter Ladelänge und kantigem Profil aber gut nutzbar sind und sich unserem dafür halten nach schlechter lesen, als sie sind.

Ist ja auch ein Dynamiker der Polestar 3 und wenn man die engen Nischen und Zielkorridore der heutigen Fahrzeuge kennt, hat er die Lücke zwischen Porsche Taycan sowie Lotus Eletre und dem Volvo EX90 und Mercedes-Benz EQE sehr exakt getroffen. Jetzt müssen nur noch genug Kunden das genauso sehen!

Der erste Eindruck zählt und da hat der Polestar 3 bei uns schon gewonnen: Er gehört definitiv zu den fahrdynamischsten größeren SUC oder CUV, je nach Betrachtungsweise und sollte seinen Weg – und hoffentlich auch Stückzahlen – machen. Im Spätherbst wissen wir mehr, denn mit dem Produktanlauf tut sich Polestar etwas schwer….

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