- Polestar 4: Irgendwas zwischen E-SUV und Elektro-Coupé
- Massig Platz im Innenraum durch Designkniffe und Digitalisierung
- Minimalistisches Auftreten im Alltag
- Performant und dennoch effizient nach erster Ausfahrt
- Polestar 4 Long Range Dual Motor-Variante – 440 kW geballte Leistung
- Viele Kameras und Sensoren sorgen für Sicherheit
- Polestar 4: Das kostet das SUV-Coupé
Vor einigen Wochen erfolgte die Mitteilung, dass erste Exemplare des SUV-Coupés Polestar 4 nun auch in Europa ausgeliefert wurden. Mit dem Polestar 2, dem Polestar 3 und dem Polestar 4 auf europäischen Straßen baut die Elektroautomarke ihr Angebot weiter aus und hat drei anstatt wie kurz zuvor nur ein Modell im Angebot. Für Elektroauto-News sind wir Anfang September das E-SUV-Coupé nahe München für euch Probe gefahren und konnten erste Eindrücke sammeln.
Aktuell wird der Polestar 4 in China gefertigt und soll ab 2025 auch in Südkorea vom Band laufen. Nicht zuletzt, um etwaige Strafzölle zu umgehen, welche die EU-Kommission auf chinesische Elektroautos verhängen möchte. Erste Exemplare des D-Segment-Stromers sind mittlerweile, unberührt davon, in Europa ausgeliefert worden. E-Autofahrer:innen in Deutschland, Norwegen und Schweden sind mittlerweile mit dem Performance-SUV-Coupé unterwegs.
Polestar 4: Irgendwas zwischen E-SUV und Elektro-Coupé
Wie Polestar beim Briefing zum Stromer zu verstehen gab, ordnet der Automobilhersteller ihn zwischen Coupé und SUV ein. Genauer gesagt: “Polestar 4 vereint die Aerodynamik eines Coupés mit dem Raumangebot eines SUVs zu einer neuen Dimension von SUV Coupé”, sehr bildlich dargestellt. Ordnen wir dem Ganzen konkrete Abmessungen zu: die Gesamtlänge des Elektroautos beträgt 4,84 Meter, die Breite 2,14 Meter und die Höhe 1,53 Meter.
Spannend ist hierbei der Radstand, dieser beträgt 2,99 Meter und bietet somit mehr als genug Platz in der zweiten Reihe. Hier heißt es dann nicht mehr mitfahren, sondern gefahren werden. Über Taster in der ausklappbaren Ablage in der Mitte des Fonds lassen sich die Sitze entsprechend einstellen. Wer möchte, schenkt der Ambientebeleuchtung etwas mehr Aufmerksamkeit. Die hat sie auch verdient, wenn man sich vom Sonnensystem inspirieren lässt.
Massig Platz im Innenraum durch Designkniffe und Digitalisierung
Im Zusammenspiel mit dem langen Radstand kommt ein weiterer Kniff der Schweden zum Tragen: die Tatsache, dass man auf die Heckscheibe verzichtet hat. Hierdurch reicht das standardmäßig verbaute Glasdach über die Köpfe der hinteren Fahrgäste hinaus und schafft ein besonderes Ambiente. Als Fahrer:in und Beifahrer:in bekommt man davon nicht viel mit. Ist fairerweise auch bei anderen Stromern mit Glasdach der Fall. Hier profitiert in der Regel die zweite Reihe. Im Fall des Polestar 4 eben noch ein wenig mehr.
Beim SUV-Coupé aus chinesischer Fertigung fällt dies den Fahrer:innen nur auf, wenn sie einen Blick in den Innenspiegel werfen. Denn dieser weicht doch von dem ab, was man klassischerweise an dieser Stelle erwartet. Denn der Rückspiegel wird durch einen hochauflösenden Bildschirm ersetzt, der ein Echtzeitbild von einer auf dem Dach montierten Rückfahrkamera anzeigt. Auch bei Regen, was durch eine kleine Einhausung der Kamera erreicht wird. Hört sich gut an, funktioniert auch. Allerdings nicht ohne entsprechende Gewöhnungsphase.
Auffällig ist nicht nur der digitale Innenspiegel. Sondern auch die Tatsache, dass der Polestar 4 der erste Stromer der Marke mit einem quer gestellten Touchscreen ist. Steht ihm gut, vor allem, da dieser auch noch 15,4 Zoll groß ist. Dies hilft bei der Bedienung durchaus, vor allem, da ansonsten auf Taster und Drücker verzichtet wird. Neben der Möglichkeit Schnellwahlknöpfe zu hinterlegen und das Erscheinungsbild komplett individuell zu gestalten, wurde uns gegenüber der Animal Mode erwähnt. Befindet sich ein Tier im Fahrzeug, temperiert die Klimaanlage den Innenraum so, dass sich der vierbeinige Freund dank der konstanten Temperatur in einer Wohlfühloase befindet. Ein animierter Hund, die eingestellte Temperatur und die Nachricht auf dem zentralen Display, dass der Besitzer bald zurückkehrt, versichern den Passanten, dass alles in Ordnung ist.
Minimalistisches Auftreten im Alltag
Bleiben wir kurz beim Design des Polestar 4 – in unserem Fall in einem Magnesium-Farbton mit einem Interieur in Tailored Knit in Nebel. Hier schlägt das E-Auto in eine ähnliche Design-Kerbe, wie man es vom Polestar 2 bereits kennt. Reduzierung auf das Wesentliche. Hier zeigt sich auch ganz klar der designgetriebene Ansatz der Marke, den diese bis zum Weggang von Thomas Ingenlath konsequent verfolgte. Wie es unter neuer Führung weitergeht, gilt es noch zu beweisen.
Der Polestar 4 hat sich stark von Design-Schlüsselelementen des Konzeptfahrzeugs Polestar Precept inspirieren lassen. Den Wegfall der Heckscheibe haben wir bereits thematisiert. Auffällig sind aber vor allem die Dual-Blade-Scheinwerfer, insofern relevant, da diese eine erste Design-Abkehr von Volvo markieren. So sorgt die “Trennung der Doppelscheinwerfer mit der Polestar Lichtsignatur – ergänzt durch das Polestar-Emblem mit millimetergenauer Beleuchtung von unten – für eine Lichtkulisse der besonderen Art”, wie der Hersteller erläutert. Lässt sich nach einer ersten Betrachtung durchaus so bestätigen.
Relevant sind im Alltag dennoch andere Faktoren. So erreicht Polestar beim 4er, durch eine niedrige Fahrzeugfront, die versenkbaren Türgriffe, die flächenbündige Verglasung mit rahmenlosen Fenstern, die hinteren Aero-Lamellen und die Optimierung der Luftströmung um den hinteren Lichtbalken eine überzeugende aerodynamische Effizienz. Ob dies auch Grund dafür ist, dass die hinteren Fenster sich nicht ganz versenken lassen und etwa zu einem Viertel herausragen, bleibt offen.
Performant und dennoch effizient nach erster Ausfahrt
Wir hatten die Möglichkeit, den Polestar 4 in der Long Range Dual Motor-Variante für knapp 150 Kilometer Probe zu fahren. Es war mal wieder alles mit dabei, was das Elektroauto auch im Alltag meistern muss: Autobahn, Landstraße und Stadt. Wobei der Anteil Stadt und Landstraße auf der von uns selbstgewählten Strecke durchaus überwogen hat. Dies führte in teils engen Serpentinen Berge hinauf und hinab. Wo zum einen zügiges Fahren möglich war und auch genutzt wurde. Aber auch mal langsamer hinter Fahrrad-Fahrer:innen hergefahren werden musste.
Beim freien Fahren machte sich der niedrige Schwerpunkt des E-Autos positiv bemerkbar. Denn die 100 kWh-Batterie im Unterboden des Fahrzeugs sorgt dafür, dass es wie ein Brett auf der Spur liegt. Beim zügigen Beschleunigen richtet sich das SUV-Coupé deutlich starr aus, ohne Eingriffe zu unterbinden, aber eben auch ohne das Gefühl zu geben, dass man die Kontrolle über das E-Auto verlieren könnte.
Hier kommt es aber natürlich, wie meistens, auf Fahrer:in selbst an, wie sich der Polestar 4 steuern lässt. Der schwedische Automobilhersteller unterstützt jedoch dabei, dass sich das E-Auto auf die jeweiligen Vorlieben einstellen lässt. Dies geschieht durch zwei verschiedenen Einstellungen beim Antriebsstrang (Range und Performance), drei bei der Lenkung (Standard, Light (leicht) und Firm (fest / straff)) und ebenfalls drei beim Fahrwerk (Standard, Nimble (flink, schnell regelnd). Ebenso lässt sich die Rekuperation in drei Stufen regeln (Aus, Gering, Standard und auf Wunsch One-Pedal-Fahren).
Wer möchte, kann diese Konfigurationsmöglichkeiten direkt auf die Schnellwahl am Lenkrad oder auf dem Display legen und somit mit einem Tasten-/ Displaydruck beispielsweise zwischen Range und Performance umschalten. Oder was uns gut gefallen hat, den Warnton bei Geschwindigkeitsüberschreitung mit einem Fingertipp abzuschalten.
Polestar 4 Long Range Dual Motor-Variante – 440 kW geballte Leistung
Doch hier sollte man vorsichtig sein, denn der Stromer schießt durchaus gerne einmal nach vorn. Wer verübelt es ihm, bei 400 kW / 544 PS und einem maximalen Drehmoment von 686 Nm. Damit sei es dem SUV-Coupé möglich, von 0 auf 100 km/h in gerade einmal 3,8 Sekunden zu sprinten. Damit ist der Polestar 4 nicht nur der Stromer mit neuem Markenbestwert bei CO₂, sondern auch der bislang schnellste Polestar. Es folgt ein kurzer Exkurs, mehr zum Thema Nachhaltigkeit im zuvor verlinkten Artikel.
“Der Monomaterial-Ansatz von Polestar, der erstmals im Roadster-Konzeptfahrzeug 2022 vorgestellt wurde, wird auf die Materialien im Innenraum angewandt. Dabei werden alle Schichten bestimmter Komponenten aus demselben Grundmaterial hergestellt und sollen so effektiver und effizienter recycelt werden können. Unvereinbare Materialien müssten dadurch vor dem Recycling nicht mehr getrennt werden.”
Maximal 200 km/h kann er als Höchstgeschwindigkeit erreichen, dann wird abgeriegelt. Reicht aber auch mehr als aus. Und schadet sicher dem Gehör auch nicht, denn bei unserem Testwagen nahmen wir ab einer Geschwindigkeit von um die 100 km/h deutliche Wind- und Zuggeräusche am Außenspiegel wahr. Diese Geräusche in Verbindung mit normalen Abrollgeräuschen sowie einem eher leisen und kaum hörbaren Blinker waren eine Kombi, auf die man verzichten könnte.
Wer die Höchstgeschwindigkeit länger ausfährt, dürfte dann aber durchaus auch mehr als 18,7- 21,7 kWh/ 100 km Energieverbrauch auf dem digitalen Tacho stehen haben, die der Automobilhersteller im technischen Datenblatt angibt. Bis zu 590 Kilometer nach WLTP-Zyklus sollen drin sein. Nach unserer Testfahrt kamen wir auf einen Verbrauch von 16,7 kWh/ 100 km, was deutlich unter den Angaben des Herstellers lag. Kann sich sehen lassen. Wobei es dies fairerweise auch über längeren Zeitraum unter Beweis zu stellen gilt. Unser Autor Wolfgang Gomoll hatte hier auch schon andere Erfahrungen gesammelt.
Leert sich der Akku, kann das E-Auto der Schweden mit maximal 200 kW nachgeladen werden. Laut der EV-Database bilden die 200 kW nachvollziehbarerweise die Maximal-Leistung ab, im Schnitt soll mit 135 kW geladen werden. Somit wäre der Akku von 10 auf 80 Prozent in rund 31 Minuten geladen.
Spannender und bei entsprechender Ladeinfrastruktur, zu Hause oder beim Arbeitgeber, ist die Möglichkeit, mit bis zu 22 kW zu laden. Dann ist der Akku von 0 auf 100 Prozent in fünf Stunden geladen. Bei 11 kW Ladeleistung dauert es 10 Stunden und 15 Minuten. Die Hardware für bidirektionales Laden ist ebenfalls bereits enthalten.
Viele Kameras und Sensoren sorgen für Sicherheit
Kurz aufgreifen möchten wir auch das Thema Sicherheit, wobei dies sicherlich eher für einen ausführlichen Test ein Thema ist. Serienmäßig ist das Fahrzeug mit insgesamt zwölf Kameras, einem Radar und zwölf Ultraschallsensoren ausgestattet. Dazu gehört eine Fahrerüberwachungskamera, die nur Daten weiterleitet und keine Videos aufzeichnet, um die Augen und Kopfbewegungen der fahrenden Person zu überwachen. Dadurch können Unfälle aufgrund von Müdigkeit oder Fahruntüchtigkeit vermieden werden. Zusammen mit der Hands-On-Erkennung im Lenkrad trägt das Fahrerüberwachungssystem dazu bei, dass die fahrende Person aktiv am Fahren teilnimmt, wenn dies erforderlich ist.
Polestar 4: Das kostet das SUV-Coupé
Blicken wir zum Ende auf die Preise des Polestar 4. Hier zeigt sich, dass die Schweden nicht nur beim Design einen minimalistischen Ansatz verfolgen. Kurzum, die Einstiegsvariante Long Range Single Motor startet in Deutschland ab 61.900 Euro. Vor dem 15.11.2024 wird es ihn noch für 57.900 Euro geben. Das könnte durchaus mit den Strafzöllen auf chinesische E-Autos zusammenhängen.
Die Long Range Dual Motor Variante startet bei 69.900 Euro ab dem 15.11.2024. Bis zu diesem Zeitpunkt gibt es auch diese Variante 4000 Euro günstiger. Somit geht es hier ab 65.900 Euro los. Upgradefähig ist der Stromer natürlich auch. Beispielsweise durch Plus-, Pro-, Pilot- oder Performance-Paket.
Disclaimer: Polestar hat zur Fahrveranstaltung des Polestar 4 in die Nähe von München eingeladen und hierfür die Reisekosten übernommen. Dies hat jedoch keinen Einfluss auf unsere hier geschriebene ehrliche Meinung.