Polestar

Wie gut ist der Polestar 3 wirklich? Unser Fahrbericht

Ginge es nach Alexander Lutz, mittlerweile Ex-Geschäftsführer Polestar Deutschland, stand schon 2022 fest, dass der Polestar 3 das Segment der SUV vollkommen neu definieren soll. Tief gestapelt wird definitiv anders. Aber wenn man von den eigenen E-Autos überzeugt ist, wieso nicht diese Meinung vertreten? Wir wollten uns dennoch ein eigenes Bild davon machen und sind das Flaggschiff der schwedischen Performance-Marke nahe München Probe gefahren.

Lutz, mittlerweile bei Lucid Motors untergekommen, hat nicht minder motivierte Kolleg:innen bei Polestar zurückgelassen. Merkt man schon, wenn die Einordnung des E-Segment-Stromers hinsichtlich der eigenen Marktbegleiter getroffen wird. Hier sieht man sich auf Augenhöhe mit dem BMW iX, Audi Q8 e-tron sowie dem Mercedes EQE SUV, um nur die vollelektrischen Modelle zu erwähnen. Die Messlatte wird definitiv hoch angelegt. Muss man aber auch, wenn man das Gesamtpaket und nicht zuletzt den Preis betrachtet, dazu später mehr.

Polestar 3 – eines der klimaschonendsten Autos aller Zeiten?

Flaggschiff-Charakter hat auch die Ansage, dass man nicht weniger als eines der „klimaschonendsten Autos aller Zeiten“ auf die Straße bringen wolle. Schwer zu messen, vor allem mit Modellen außerhalb des eigenen Marken-Spektrums, aber nicht unmöglich. Innerhalb von Polestar jedoch lässt sich eine entsprechende Einordnung vornehmen.

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Der gesamte Kohlenstoff-Fußabdruck von Polestars erstem Elektro-Performance-SUV ist demnach niedriger als der des kleineren Polestar 2, als dieser 2020 auf den Markt kam: 24,7 Tonnen CO2e gegenüber 26,1 Tonnen CO2e (Tonnen CO₂-Äquivalente), wie man uns beim Briefing zum E-SUV zu verstehen gab. Mit noch weniger CO2e kommt Marken intern nur der Polestar 4 aus.

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Durchaus eine Ansage. Aber wagen wir den Blick auf außerhalb Polestar. Manche Konkurrenten sind sogar noch ein gutes Stück weiter: BMW etwa schickt seinen neuen i5 mit einem CO₂-Rucksack von nur 17 Tonnen zu seinen Kunden, der Mercedes EQE verlässt das Werk sogar nur mit knapp über 14 Tonnen CO₂ im Gepäck, auf ähnlich niedrigem Niveau bewegen sich Model 3 und Model Y von Tesla.

Leistungsstarker Full Size Luxus SUV. Nicht mehr. Nicht weniger.

Seine Positionierung im Markt vertritt der Schwede, mit chinesischen und auch amerikanischen Wurzeln, wenn man die jeweilige Produktionsstätte mit hinzuzieht, deutlich. Es handle sich bei diesem um ein Full Size Luxus SUV. Was sich nicht unbedingt in grellen Farbspielen, ausgefallenen Add-Ons oder ähnlichem äußert, aber durch den Gesamtauftritt des Stromers, wie die Marke selbst zu vermitteln weiß. Optisch gliedert sich das Flaggschiff von Polestar gekonnt in das Erscheinungsbild der restlichen Modelle ein: stark von skandinavischem Minimalismus und Purismus geprägt. Im Fall des Polestar 3 eben nur in Verbindung mit einer markanteren Form. Die zudem recht bullig, massiv und kraftstrotzend wirkt.

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Vor allem, wenn man die entsprechende Farbwahl beim Exterieur getroffen und die passenden Zusatzpakete ausgewählt hat. Bei unserem Testwagen, einem Polestar 3 Long Range Dual Motor in der Launch Edition hat das Upgrade mit dem Performance-Paket gepasst. Farblich wäre mir die All-Black-Variante jedoch lieber gewesen, als der Stromer in Magnesium, gepaart mit einem Interieur mit biobasiertem WeaveTech in Charcoal. Das ist fairerweise aber reine Geschmackssache.

Bleiben wir noch kurz bei der Optik. Der Polestar 3 ist ganz klar als SUV erkennbar, setzt er hierfür die Design-Klaviatur des typischen SUV, einschließlich einer kraftvollen und breiten Positur, gekonnt ein. Dies wurde durch subtile, aber effektive aerodynamische Optimierung erreicht – darunter ein vorne in die Motorhaube sowie ein in den Heckspoiler integrierter Aero Wing und Aero Blade am Heck. Schlussendlich Geschmackssache. Direkt vor dem 4,9 Meter langen, 2,12 Meter breiten (inkl. Spiegel) sowie 1,61 Meter hohem SUV stehend, fällt die lang gezogene Motorhaube auf. Optisch eine Spur zu lang, aber eben auch mit ausschlaggebend für den Auftritt des Stromers.

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Beim Interieur habe man sich vor allem durch die Nachhaltigkeitsmerkmale der verwendeten Materialien leiten lassen. Achtet dabei aber gleichzeitig auf hochwertige Ästhetik und luxuriöse Haptik. Dazu gehören „bio-attributed“ MicroTech, tierschutzzertifiziertes Leder und vollständig rückverfolgbare Bezüge aus Wolle, wobei es diese nur exklusiv für den Polestar 3 gibt, wie man uns bei der Übergabe unseres Testwagens mitteilt, der genau diese im Innenraum im Einsatz hat.

Teil der DNA sind die fortschrittlichen Sicherheitstechnologien von Volvo Cars. Auch beim Flaggschiff der Performance orientierten Schweden setzt man darauf. Verwundert nicht, baut der Volvo EX90 auf der gleichen Plattform wie der Polestar 3 auf. Was in einem funktioniert, steht in diesem Fall auch dem anderen Exemplar ganz gut.

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Analog dem Polestar 2 und anders als beim Polestar 4 (andere Plattform) setzt das selbst erklärte Full Size Luxus SUV auf ein 14,5-Zoll-Display in der Mitte des Fahrzeugs, welches hochkant statt quert montiert ist. Gleich ist allen drei Modellen, dass diese auf eine Software mit Android Automotive OS im Hintergrund zurückgreifen. Over-the-Air (OTA) Updates seien selbstverständlich, halten die Software somit nicht nur auf aktuellem Stand, sondern erlauben auch die Einführung neuer Features nach Auslieferung des Fahrzeugs.

Produktionsstart mit leistungsstärkster Dual Motor-Variante. Kleinere Varianten folgen später.

Die Top-Version des Polestar 3 Long Range Dual Motor in der Launch Edition mit Performance Pack setzt Maßstäbe bei der Leistung. Im Detail bedeutet dies 380 kW / 517 PS und ein Drehmoment von 910 Newtonmetern, statt 360 kW / 489 PS und 840 Nm. Damit sprintet der Elektro-SUV von 0 auf 100 km/h in 4,7 Sekunden. Damit 0,9 Sekunden langsamer als der Polestar 4, aber bei einem solchen E-Auto wie dem Polestar 3 dennoch schnell genug. Ohne Frage.

Jedoch muss man hier anmerken, dass man gerade aus dem unteren Bereich heraus von 0 bis ca. 60 km/h durchaus merkt, dass er sich ein wenig schwertut in puncto Geschwindigkeitsaufbau. Merklich besser werden etwa Zwischensprints zwischen 80 bis 120 km/h. Dennoch gilt entsprechende Masse (2670 Kilogramm) möchte erst einmal in Bewegung gebracht werden. Ist sie das, lässt sie sich auch nicht mehr ganz so einfach stoppen.

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Im Fall des Polestar 3 noch am ehesten mit beherztem Tritt auf die Bremse, Nutzung der Rekuperation bis auf 0 km/h herunter oder wenn dem 111 / 107 kWh (brutto/ netto) Akku die Energie ausgeht. Damit dies nicht so schnell der Fall ist, kann man sich im Fall der Doppelmotorigen Variante selbst durch einen Kniff behelfen.

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In diesem Fall lässt sich der Kniff als elektrische Torque-Vectoring-Doppelkupplungsfunktion an der Hinterachse beschreiben. Hierbei handelt es sich um eine Weiterentwicklung der Technik, die zunächst im Polestar 1 eingesetzt wurde. Um Energie zu sparen, steht für den hinteren Elektromotor eine Entkopplungsfunktion zur Verfügung, mit der das Fahrzeug unter bestimmten Umständen nur mit dem vorderen Elektromotor betrieben werden kann. Eine serienmäßige Wärmepumpe hilft dem Stromer dann noch, die Umgebungswärme für die Klima- und Batteriekonditionierung zu nutzen. Hierdurch ist eine maximale Reichweite von bis zu 561 Kilometer bei unserem Testwagen möglich.

Bis zu 250 kW Peak-Ladeleistung

Zur Einordnung der Reichweite gleich mehr. Zunächst ein Blick auf erste Zahlen, Daten und Fakten zum Laden des Stromers. Hier war lediglich ein Blick auf das technische Datenblatt sowie die Einschätzung der EV-Database möglich, für eigene Erfahrungen wird der E-SUV bei uns vorbeischauen müssen.

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Bis zu 250 kW Peak-Ladeleistung sei möglich, jedoch wird man sich eher bei einer durchschnittlichen Ladeleistung von um die 150 kW einpendeln. Mit dieser wird der Akku von 10 auf 80 Prozent in 32 Minuten geladen. Am 11 kW Lader dauert der Ladevorgang von 0 auf 100 Prozent 11 Stunden und 30 Minuten. Im Gegensatz zum Polestar 4 verfügt das E-Flaggschiff der Schweden über keine 22 kW-Ladeoption. Schade eigentlich, ist dort doch der größere Akku verbaut.

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561 km maximal Reichweite nach WLTP-Zyklus werden angegeben. In Verbindung mit einem Verbrauch von 22,1- 23,0 kWh/ 100 km. Während unserer Testfahrt, mit knapp 150 km Länge sowie Schnellstraßen (max. 100 km/h), Landstraßen und innerhalb von Städten, brachte es der Stromer auf einen Verbrauch von 20,8 kWh/ 100 km. Dass hier Luft nach oben ist, scheint klar, wenn man den Stromer doch mal herzhafter tritt, dann schnellt der Energieverbrauch nach oben. Ist man aber ehr entspannt unterwegs, können sich die Verbrauchswerte durchaus sehen lassen.

Entspanntes Fahrgefühl, auf der Gerade und in den Kurven

Das kann man bei einem Flaggschiff wie dem Polestar 3 nicht nur erwarten, sondern bekommt man auch geboten. Unter anderem durch die Tatsache, dass die Hinterachse mit zwei Kupplungen ausgestattet ist, die „echtes Torque Vectoring“ ermöglicht. Das bedeutet eine zielgerichtete Kraftverteilung auf ein Rad, anstelle von Bremseingriffen. So soll das Heck bei Kurvenfahrten mithelfen und trotzdem stabil bleiben. Stabil war es bei unserer Testfahrt, ob es nun am Torque Vectoring oder anderen technischen Raffinessen der Polestar-Entwickler lag, das wissen nur diese.

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Die 2670 kg des E-SUV haben sich trotz enormer Leistung eher verhalten in Bewegung gesetzt, wenn er allerdings in Bewegung war, war ein entsprechender Vortrieb zu spüren. Hatten wir in einem der früheren Absätze bereits aufgegriffen. Selbst beim Kurvenfahren schlägt sich der Stromer gut. Hier merkt man, je nach Kurvenhatz schon ein leichtes nach Außen tragen. Das ist aber nichts, was man nicht in den Griff bekommen würde.

Hier hilft sicherlich auch die Tatsache, dass sich der Polestar 3 mit nur ein wenig touchen auf das eigene Fahrverhalten einstellen lässt. Egal, ob man die Lenkung nun weicher oder direkter möchte, eine gediegenere oder sportliche Fahrweise als auch Performance zugeschaltet haben möchte. Oder eben auch nicht.

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Dem Typus SUV geschuldet, in Verbindung mit einer etwas „älteren“ Plattform als Basis sitzt man nicht ganz so sportlich im Flaggschiff der performanten Schweden. Hat man mit anderen Modellen der Marke besser gelöst. In puncto fehlender Knöpfe, Drehregler und Schalter ist man mit diesen allerdings gleich auf. Denn diese gibt es auch beim Polestar 3 kaum bis gar nicht. Passt hier aber wunderbar und ist durch eine entsprechend saubere Menüführung im hochkantigen Touch-Display gut gelöst.

Polestar 3: Was kostet der Full Size Luxus SUV?

Blicken wir zum Ende auf die Preise des Polestar 3. Kurzum, die Einstiegsvariante Long Range Single Motor startet in Deutschland ab 78.590 Euro. Die mittlere Variante Long Range Dual Motor startet ab 85.590 Euro, vor dem 15.11.2024 wird es diesen noch für 81.590 Euro geben. Gleiches gilt für die Long Range Dual Motor Variante mit Performance Paket. Üblicherweise startet diese ab 92.190 Euro. Hier greift aber die ebenfalls der temporäre Nachlass und man kann den Stromer für 88.190 Euro erwerben. Den Nachlass auf die Einstiegsvariante gibt es lediglich aus dem Grund nicht, dass dieser derzeit bisher nicht auslieferbar ist.

Wie du sicherlich gemerkt hast, gibt es noch einiges zum Entdecken beim Polestar 3. Werden wir dann angehen, wenn dieser für einen längeren Zeitraum bei uns vorbeischaut.

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Disclaimer: Polestar hat zur Fahrveranstaltung des Polestar 3 in die Nähe von München eingeladen und hierfür die Reisekosten übernommen. Dies hat jedoch keinen Einfluss auf unsere hier geschriebene ehrliche Meinung.

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