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Polestar 3 Performance: 380-kW-Neuling mit Luftfahrwerk im Test

Der neue Rivale des Audi Q8 e-tron, BMW iX und Volvo EX90 ist nobel und sportlich

polestar 3 performance: 380-kw-neuling mit luftfahrwerk im test

Kürzlich konnten Sie hier bei InsideEVs einen Test des Volvo EX90 lesen, nun folgt der Fahrbericht zum Polestar 3. Wieso das mehr ist als Zufall? Weil beide Autos auf der gleichen Plattform beruhen und praktisch gleichzeitig auf den Markt kommen.

Wie der Volvo EX90 basiert der Polestar 3 auf der Scalable Product Architecture 2, dem Nachfolger der Plattform SPA, die schon den alten XC90 trug. Die Neulinge basieren also auf einer Verbrennerplattform. Aber von BMWs i4 weiß ich, dass das Ergebnis durchaus gut sein kann. Auch beim Polestar? Ich habe die Topversion getestet, um es herauszufinden.

Schnelle Daten Polestar 3 Long Range Dual Motor Performance
Motoren 2 Permanentmagnet-Synchronmotoren
(180 kW vorne; 200 kW hinten)
Systemleistung / Drehmoment 380 kW / 910 Nm
0-100 km/h / Höchstgeschwindigkeit 4,7 Sekunden / 210 km/h
WLTP-Verbrauch 22,1-23,0 kWh/100 km
Batterie 111 kWh brutto / 107 kWh netto
Reichweite 561 km
Ladeleistung / Ladedauer bis 250 kW mit DC / 30 Minuten (10-80%)
Länge / Höhe 4,90 m / 1,61 m
Preis 88.190 Euro

Akku/Antrieb | Torque Vectoring/Fahrwerk | Interieur | Aufladen | Preise | Fazit

Doch zunächst zu den Basics: Der Polestar 3 ist mit 4,90 Meter ein richtig dicker Brummer, er gehört eindeutig in die Oberklasse. Das Auto wirkt auch viel massiver als auf den Bildern. Der Radstand misst allerdings nur knappe drei Meter, ist also nicht größer als etwa beim Hyundai Ioniq 5 – an solchen Dingen erkennt man wohl die Verbrennerplattform. Noch krasser ist es aber beim Schwestermodell Volvo EX90: Dieses hat den gleichen Radstand, ist aber noch 12 länger als der Polestar 3.

Bildergalerie: Polestar 3 Performance (2024) im Test

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Akku und Antrieb

Die Batterie mit netto etwa 107 kWh ist die gleiche wie beim Volvo EX90, und auch die Systemleistung der beiden Topversionen ist identisch: Es sind satte 380 kW. Die kommen durch zwei Permanentmagnet-Maschinen zustande. Von vorne kommen maximal 180, von hinten 200 kW. Bei der schwächeren Allradversion mit 360 kW sollen es 180 plus 180 kW sein, beim Hecktriebler wird die Systemleistung mit 220 kW angegeben. Wir vermuten, dass alle diese Motoren von der Hardware her identisch sind, aber ein Antriebsspezialist war nicht vor Ort, also wissen wir es nicht genau.

Die 380 kW beschleunigen den Wagen jedenfalls in 4,7 Sekunden auf Referenztempo – zwei Zehntel schneller als der Volvo. Da bleibt einem beim Gasgeben schon mal kurz die Luft weg. Nimmt man den Fuß vom Pedal, spürt man standardmäßig eine sehr starke Bremswirkung. Im städtischen Stop-and-go-Verkehr ist das willkommen, für Landstraße und Autobahn wähle ich lieber “niedrig” oder “aus”. Der Kriechgang lässt sich wie beim Polestar 2 separat abschalten. Wie beim Erstling von Polestar lässt sich die Rekuperationsstärke leider nicht per Lenkradwippen einstellen, sondern nur per Touchscreen.

Torque Vectoring und Fahrwerk

Eine Besonderheit des Polestar 3 (auch gegenüber dem EX90) ist das TVD-System von BorgWarner. Fahrwerksspezialist Roger Wallgren erklärt es mir: Der Polestar 3 hat zwei Kupplungen, die an der Hinterachse in der Nähe des Getriebes sitzen. Beim langsamen Dahintrödeln werden sie beide geöffnet, wodurch die Hinterachse abgekoppelt wird – der Wagen wird zum Fronttriebler, was Strom spart.

In scharf gefahrenen Kurven dagegen ermöglichen die Kupplungen ein aktives Torque Vectoring: Die Kupplung für das kurvenäußere Rad wird geschlossen, wodurch das Rad angetrieben wird, die fürs innere teilweise geöffnet. So dreht der Wagen besser in die Biegung. Roger meint: Besonders stark spürt man das auf Schnee. Den habe ich auf den hochsommerlichen Straßen rund um Bad Tölz nicht zur Verfügung, aber wenn ich in engen Kurven Gas gebe, habe ich schon den Eindruck, dass der Wagen flott herumschwingt.

Auch das Fahrwerk stellt sich als sehr verlässlicher Partner heraus: Die bei den Allradversionen serienmäßige Luftfederung ist bei weitem nicht so unangenehm butterweich wie etwa bei der Mercedes E-Klasse, sondern straff, ohne unkomfortabel zu werden. Mit dem System ist eine Höhenverstellung um 60 mm möglich – von der Autobahnposition (-10 mm) über die Standardhöhe von 0 mm bis zur Offroad-Position (+50 mm). Wobei: Ein waschechter Offroader ist der Polestar 3 natürlich nicht.

Die Lenkung stelle ich in den Modus “fest”, was meinem Eindruck nach das Wanken beim simulierten Pylonenwedeln eliminiert. Den Komfort bei Unebenheiten kann man mit der Einstellung der Federung separat verändern. Kurz und gut: Der Polestar 3 fährt sich wirklich hervorragend, gerade auch auf kurvigen Bergstraßen.

Interieur

Eingestiegen wird über schicke, rahmenlose Türen. Die Türgriffe fahren automatisch aus, wenn man sich mit dem Schlüssel oder der Keycard in der Tasche nähert; bald soll es auch mit dem Smartphone klappen. Das Cockpit wirkt vom Polestar 2 her vertraut: Das skandinavisch-schlichte Design verzichtet auf protzige Chromleisten, die Materialien wirken etwas kühl, aber hochwertig. Einzige Ausnahme: Die breite Zierleiste aus Recycling-Alu vor dem Beifahrersitz klingt blechern, wenn man drauf klopft.

Als Fahrer gucke ich auf ein Instrumentendisplay im Querformat, zudem gibt es ein Head-up-Display und einen vertikalen 14,5-Zoll-Touchscreen. Das Infotainmentsystem ist gut bedienbar; wie beim Polestar 2 sind die Optionen gut geordnet und das vom Handy her vertraute Google Maps macht sich auch hier hervorragend als Navigationshelfer.

Anders als beim Polestar 2 werden Außenspiegel und Lenkrad nicht konventionell, sondern per Touchscreen und Lenkradtasten eingestellt. Das ist ein wenig umständlicher als mit dedizierten Knöpfen – und erzwingt einen Zwischenstopp, wenn man nachträglich noch die Sitzposition verändert. Aber weil das inzwischen bei vielen Elektroautos so ist, habe ich mich inzwischen dran gewöhnt.

Eines Premium-Oberklasseautos definitiv unwürdig ist jedoch, dass der Abstandstempomat das Tempolimit nicht automatisch vom Verkehrsschild übernehmen kann. Im VW-Konzern funktioniert das schon in der Kompaktklasse, und zwar auch im Volumensegment.

Im Fond des Polestar 3 sitzt man gut. Die Beinfreiheit für mich als 1,76 Meter großen Test-Passagier ist locker ausreichend und über meinem Kopf bleiben rund zehn Zentimeter bis zur Scheibe des riesigen Glasdachs, das zur Serienausstattung gehört. Auch der Kofferraum wirkt gut nutzbar, ist mit 597 bis 1.411 Liter aber nicht übermäßig groß. Zudem lassen sich die Rücksitze nur im Verhältnis 40:60 umklappen. Dazu kommt noch ein Frunk, in den aber nicht viel mehr als das Ladekabel hineinpasst.

Aufladen

Nach einer etwa dreistündigen Testfahrt durch die Bergwelt zeigte der Wagen einen Stromverbrauch von gerade mal 17,5 kWh/100 km an – deutlich weniger als den Normwert von mindestens 22 kWh. Und das mit größeren Rädern (21 Zoll statt der serienmäßigen 20 Zoll). Der niedrige Verbrauch dürfte an der verhaltenen Geschwindigkeit liegen, die mir von den Bergstraßen aufgezwungen wurde. Die Reichweite gibt Polestar mit 591 km an; das ist ein guter Wert, zumal angesichts der hohen Leistung.

Beim Schnelladen verdaut der Akku bis zu 250 kW, sagt Roger. Moment mal, meine ich: Wie ist das bei einem 400-Volt-Auto möglich? 400 Volt mal die 500 Ampere, auf die der CCS2-Anschluss limitiert ist, ergeben nur 200 kW. Roger antwortet in seiner skandinavisch-einsilbigen Art: Am Supercharger geht das. Dort werden offenbar kurzzeitig 400 Volt mal 625 Ampere gleich 250 kW geboten. Aber die 250 kW muss man wohl in Klammern setzen.

Aber wichtig ist, was hinten raus kommt, und das ist in diesem Fall die Ladegeschwindigkeit im SoC-Bereich von 10 bis 80 Prozent. Die ist mit (von uns errechneten) 2,5 kW/min wirklich hoch für ein 400-Volt-System. Ein kurzer Ladeversuch ergab Ladeleistungen zwischen 109 und 115 kW schwankten, allerdings bei hohem Ladestand (63%).

Preise und Konkurrenz

Bleibt noch die Preisfrage: Was kostet das Auto? Da wir uns mit dem Polestar 3 im Premiumsegment und noch dazu der Oberklasse bewegen, ist der Wagen nichts für Normalverdiener: 88.190 Euro werden für die Performance-Version aufgerufen, und dabei ist der Rabatt zum Marktstart von 4.000 Euro schon eingerechnet. Nicht eben wenig.

Wenn es einem nur auf die technischen Daten ankommt, bietet ein Tesla Model Y in der Version Long Range AWD für rund 55.000 Euro fast genauso viel. Aber das Mittelklassemodell hat eben keine Luftfederung, keine feinen Materialien und kein aktives Torque Vectoring. Auf Augenhöhe mit dem Polestar 3 Performance liegen Modelle wie der Audi Q8 e-tron, der BMW iX und der Volvo EX90, und die kosten allesamt über 100.000 Euro. Dabei bieten sie nicht viel mehr, wie unsere kleine Vergleichstabelle zeigt:

Polestar 3 Dual Motor Perform. Audi SQ8 Sportback e-tron BMW iX xDrive50 Volvo EX90 Twin Motor Performance
Antrieb AWD 380 kW AWD 370 kW AWD 385 kW AWD 380 kW
0-100 km/h 4,7 Sek. 4,5 Sek. 4,6 Sek. 4,9 Sek.
Höchstgeschwind. 210 km/h 210 km/h 200 km/h 180 km/h
WLTP-Verbrauch 22,1-23,0 kWh 24,4-27,2 kWh 21,3 kWh 20,6 kWh
Akku netto ca. 107 kWh 106 kWh 108,8 kWh ca. 107 kWh
WLTP-Reichweite 561 km 441-489 km 585-633 km 619 km
Ladegeschwind. ca. 2,5 kWh/min 2,4 kWh/min 2,2 kWh/min ca. 2,5 kWh/min
Länge / Höhe 4,90 m / 1,61 m 4,92 m / 1,62 m 4,95 m / 1,61 m 5,04 m / 1,74 m
Kofferraum 597-1.411 Liter 528 Liter 500-1.750 Liter 365-1.915 Liter
Anhängelast 2,2 Tonnen 1,8 Tonnen 2,5 Tonnen 2,2 Tonnen
Preis 88.190 Euro 100.350 Euro 107.900 Euro 101.300 Euro

Ausgeliefert wird der Polestar 3 bereits seit Juli; derzeit wird der Wagen noch aus China importiert, doch wegen der EU-Zölle soll er künftig aus der ebenfalls schon angelaufenen US-Fertigung kommen. Wer das Auto jetzt individuell konfiguriert, erhält es Anfang 2025; alternativ gibt es Bestandsfahrzeuge.

Fazit

Der Polestar 3 mit dem 380-kW-Allradantrieb fährt sich sehr gut. Das liegt nicht nur am starken Vortrieb, sondern wohl auch an der straffen Luftfederung, der Lenkung und dem aktiven Torque Vectoring. Letzteres gibt es sonst bei keinem Elektroauto, soweit wir wissen. Auch Reichweite und Schnellladen sind überzeugend, genauso wie die Optik außen und innen sowie die Bedienung. Zu den dicksten Wermutstropfen gehört der kleine Kofferraum und dass der Abstandstempomat die Tempolimits nicht übernimmt.

Der Preis der Performance-Version von rund 88.000 Euro erscheint auf den ersten Blick heftig, aber die deutsche Konkurrenz ist noch weit teurer. Wer auf Feinheiten wie Luftfederung, rahmenlose Türen oder schicke Materialien keinen Wert legt, kann günstigere Autos mit ähnlicher Reichweite, besseren Schnelllade-Fähigkeiten und noch mehr Fahrspaß kriegen – letzteres zum Beispiel beim Hyundai Ioniq 5 N. Aber das ist bei anderen Premiumautos genauso.

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