Auf den ersten Blick ist der BYD Yangwang U8 nichts Besonderes. Beeindruckend wuchtig, mit einem monströsen Kühlergrill und einer Silhouette, die an den Range Rover erinnert. Ein weiteres chinesisches SUV, das optisch bekannte Modelle zitiert. Ansehnlich, aber ein seit einigen Jahren erprobtes Konzept der automobilen Industrie des Reichs der Mitte. Doch in diesem Gefährt steckt mehr als ein rustikal daherkommender Klon der Mercedes-G-Klasse.
Blick nach oben
BYD Yangwang U8
Der Yangwang U8 kraxelt nicht nur ein durch das Gelände, sondern kann wie ein Amphibienfahrzeug 30 Minuten lang schwimmen. Die Karosserie ist wasserdicht, der Aufbau sorgt für Auftrieb und die vier Räder für Vortrieb mit einer Geschwindigkeit bis zu drei km/h. Die Kraft kommt von vier Elektromotoren, an jedem Rad einer, insgesamt 800 kW / 1.197 PS. Auf Asphalt geht es deutlich schneller voran, da wuchten die vier E- Maschinen den 3,5-Tonnen-Koloss in 3,6 Sekunden von null auf 100 km/h. Dagegen sehen manche Sportwagen ziemlich blass aus. Bei 200 km/h ist Schluss. Öffnet man die Motorhaube, erblickt man einen 2.0-Liter- Verbrennungsmotor. Also ist der Yangwang U8 doch kein reinrassiger Stromer? Die Antwort ist ein „yein“. Der Verbrenner dient als Range Extender und ist zu keiner Zeit am Vortrieb beteiligt.
Wir sitzen in dem Geländewagen und drücken das Gaspedal voll durch. Nur ganz kurz ringen die 22-Zoll-Pneus um Traktion und wuchten den Koloss unerbittlich nach vorne. Gott sei Dank packen die Bremsen genauso unerbittlich zu. Im Yangwang U8 fühlt man sich wohl. Terrakottafarbenes Leder, bequeme Sitze, die allerdings wenig Seitenhalt bieten und eine Beschallung aus 22 Lautsprecher des Dynaudio-Systems. Damit sich auch der Fahrer wohlfühlt, ist die Lederpolsterung vorn am Seitenfenster höher gezogen als der Fenstersims. Bequem für den Ellenbogen beim Langstreckencruisen. Hinten kann man sich bei einem Radstand von 3,05 Metern in den Polstern ohnehin gemütlich machen.
Das Interieur mit den drei Bildschirmen, einen Touchscreen, ein digitales Instrumentendisplay, ein Monitor für den Beifahrer plus ein großes Head-up-Display wirkt nicht zu überfrachtet. Links und rechts am unteren Ende des Pralltopfes befinden sich zwei Drehräder: links wählt man die Fahrprogramme Eco Normal Sport und rechts die Off-Road-Modi wie Sand, Schlamm, Schnee. Auf Knopfdruck stemmt sich das Fahrwerk die Karosserie um weitere 15 Zentimeter nach oben. Die vier Elektromotoren können verschiedene Differenzialsperren (Hinterachse, Vorderachse, Verteilergetriebe) realisieren. Damit soll der Yangwang U8 auch für harte Geländeprüfungen gewappnet sein.
Der Yangwang U8 ist das erste Fahrzeug des chinesischen Autobauers BYD, das auf der neuen E4-Plattform basiert, bei der die vier Elektromotoren namensgebend sind. Die entwickeln als Motorbremse eine Gegenkraft von einem G, sodass der U8 bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h nach unter 30 Metern stehen soll, selbst wenn die analogen Bremsen einmal ausfallen. Passiert das, ist die Höchstgeschwindigkeit auf 60 km/h begrenzt. Das Steuern ohne Lenksäule ist ebenfalls möglich. Diese redundanten Systeme zielen eindeutig auf das autonome Fahren ab. Der Yangwang U8 ist mit 38 Sensoren bestückt: drei LIDAR, fünf Millimeterwellen- Radare, 14 Ultraschall-Radare (einschließlich zwei Wassererkennungssensoren) und 16 Kameras. „Wir haben alle Systeme selbst entwickelt“, strahlt ein chinesischer Ingenieur stolz.
Vor nicht allzu langer Zeit benötigten die Asiaten noch die Hilfe westlicher Experten. Das scheint sich jetzt dem Ende zuzuneigen und das von der Pekinger Regierung gewünschte Prinzip „aus China für die ganze Welt“ immer mehr Realität zu werden. Allerdings sind die Autos wie der Yangwang U8 in der keine Sonderangebote mehr. Die Premium-Edition kostet rund 140.000 Euro. Da BYD ein Werk in Ungarn baut, ist der Weg nach Europa noch kürzer und dass Chinesen VW als Hauptsponsor bei der Fußball-Heim-EM in Deutschland ausgestochen haben, unterstreicht die Ernsthaftigkeit der China-Attacke auf Europa.