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Rivian EDV-500 Electric Delivery Van: Wir sind den Amazon-Liefervan gefahren

Mit dem Start-up Street Scooter versuchte die deutsche Post sich ein Auto zu bauen, dass genau auf den Einsatzzweck und die Bedürfnisse der Fahrer zugeschnitten war – und ist krachend gescheitert. Amazon versucht das mit dem Rivian EDV-500 in Europa. Wir sind mit den Elektro-Lieferwagen schon gefahren.

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© Amazon.com, Inc. via Businesswire
Amazon hat die ersten Serienexemplare des Rivian EDV-700 (“Electric Delivery Van”) in seinen Fuhrpark aufgenommen.

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Im weiteren Verlauf des Jahres 2022 soll der Konzern mehrere tausend EDV-700 in seinen Fuhrpark aufnehmen und in mehr als …

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… einem Dutzend US-Städten, darunter Baltimore, Chicago, Dallas, Nashville, San Diego und Seattle, einsetzen.

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Der Transporter nutzt die RCV-Plattform (Rivian Commercial Vehicle) des E-Auto-Start-ups und eine Karosserie aus Stahl.

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Im Innenraum finden sich drei Regalebenen mit einer Schotttür, die elektrisch betätigt werden kann.

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Das Ladeabteil des Rivian EDV-700 in Amazon Spezifikation fasst ein Volumen von 660 Kubikfuß, was umgerechnet etwa 18,7 Kubikmetern entspricht.

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Die Bestellung ist Teil der Amazon-Strategie, die Ziele des Pariser Klimaabkommens zehn Jahre früher als vorgesehen zu erreichen.

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Besonders helle Rücklichter, die das Heck des Fahrzeugs umgeben, ermöglichen hinterherfahrenden Verkehrsteilnehmern, einen bremsenden Rivian EDV-700 gut zu erkennen.

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Der Transporter erhält eine Reihe von Autobahn- und Verkehrsassistenz-Technologien.

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Hinzu kommen Außenkameras rund um das Fahrzeug, die mit einer Digitalanzeige in der Kabine verbunden sind und dem Fahrer eine 360-Grad-Sicht außerhalb des Fahrzeugs ermöglichen.

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Zu erwarten ist eine Alexa-Integration für freihändigen Zugriff auf Routeninformationen und die neuesten Wetter-Updates.

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… einem Dutzend US-Städten, darunter Baltimore, Chicago, Dallas, Nashville, San Diego und Seattle, einsetzen.

Im Februar 2021 zeigte sich, warum Amazon zuvor mit 700 Millionen Dollar (aktuell etwa 642 Millionen Euro) bei Rivian eingestiegen ist: Mit dem Elektro-Start-up kann der Online-Riese seine Transporter-Flotte mit rein elektrisch angetriebenen Lieferwagen aufrüsten. Wie Amazon-Boss Jeff Bezos damals bekanntgab, bestellte Amazon 100.000 Exemplare des EDV bei Rivian, einem elektrischen Lieferwagen, der speziell auf die Bedürfnisse von Amazon zugeschnitten ist. Dies sei bisher “die größte Bestellung von elektrischen Lieferwagen” überhaupt, ergänzte Dave Clark, der im Konzern als Senior Vice President für die weltweiten Operationen zuständig ist. Amazon ist mit einem Anteil von 20 Prozent der größte Einzelaktionär bei Rivian.

Den damaligen Plänen zufolge sollte die Auslieferung der ersten Transporter Ende 2022 beginnen. Und weil das Thema “rechtzeitige Lieferung” für den Online-Versandhändler essenziell ist, hat Rivian Wort gehalten und inzwischen die ersten Serienexemplare an Amazon übergeben. Insgesamt seien bereits 3.000 Exemplare des EDV-700 im Einsatz und beliefern mehr als 500 amerikanische Städte und Regionen, erklärt Amazon. Bis 2030 sollen sich 100.000 Rivian-Transporter in den Händen von Amazon befinden. Auch diese Zielmarke haben beide Unternehmen nochmals bestätigt.

Ab Juli 2023 rollen die Elektro-Transporter auch zu deutschen Online-Shoppern. Für den Anfang schickt Amazon rund 300 der Rivian EDV im Großraum München, Berlin und Düsseldorf auf Tour, allerdings ist hierzulande nicht der EDV-700, sondern der etwas kleinere EDV-500 im Einsatz. Außerdem arbeitet Rivian für Amazon an einem EDV-900 – dem größten Fahrzeug in der Runde. Ob es auch noch eine EDV-300-Variante geben wird, wollte Rivian nicht bestätigen. Man sei sich aber bewusst, dass es in einigen (vor allem europäischen) Märkten von Amazon auch für den EDV-500 im Wortsinn eng werde.

Amazon baut eigene Lade-Infrastruktur auf

Zu Beginn waren Rivians Amazon-Transporter noch als Testflotte unterwegs. In Deutschland gehen aber bereits die Serienmodelle auf Tour. Die Bestellung ist Teil der Amazon-Strategie, die Ziele des Pariser Klimaabkommens zehn Jahre früher als vorgesehen zu erreichen. Heißt: Bis 2040 will der Versandriese CO2-neutral agieren. Entsprechend lädt Amazon die neue EDV-Flotte hauptsächlich mit Strom aus erneuerbarer Energie. Dafür baut der Online-Händler gerade eine Lade-Infrastruktur an seinen Verteilerzentren auf. Allein mit den Transportern will Amazon ab 2024 jährlich vier Millionen Tonnen CO2 einsparen.

Bei der Benennung der Modelle geht Rivian übrigens pragmatisch vor. EDV steht für “Electric Delivery Van”, also eletrischer Lieferwagen. Die Zahl dahinter steht schlicht für das Volumen des Laderaums des Fahrzeugs. Allerdings beziehen sich die Amerikaner dabei nicht auf ein metrisches System, sondern sprechen von Cubic-Feet, also Kubikfuß. Entsprechend kommt der EDV 500-auf 500 Kubikfuß (14,158 Kubikmeter), der EDV-700 auf 700 Kubikfuß (19,821 Kubikmeter) und der EDV-900 auf 900 Kubikfuß (25,485 Kubikmeter). Zum Vergleich: Auch der E-Sprinter von Mercedes soll auf bis zu 14 Kubikmeter Ladevolumen kommen.

Technische Daten des Rivian EDV-500

Der Rivian EDV-500 ist 6,31 Meter lang, hat einen Radstand von genau 4 Metern und ist 2,90 hoch, sowie 2,45 Meter breit (inkl. Spiegel). Die Laderaumlänge liegt bei 3,58 Metern, die maximale Ladehöhe bei 2,09 Metern und die Breite des Laderaums ist mit 1,93 Metern angebeben. Der Wendekreis (ohne Spiegel) liegt bei 14,6 Metern, die Bodenfreiheit bei knapp 18 Zentimetern. Besonders auffällig: Der kurze Überhang, der kaum länger als bei einem Kombi ist. Für ein E-Auto dieses Formats besonders interessant: Die Stirnfläche kommt auf 5,44 m² (ohne Spiegel) und der cW-Wert liegt bei 0,33, allerdings mit Spiegeln berechnet.

EDV-700 ist 7,04 Meter lang, bietet einen Radstand von 4,75 Meter und wiegt bei voller Beladung 4,24 Tonnen. Zur Technik gibt es weiterhin keine konkreten Informationen. Ein Rivian-Sprecher bestätigte amerikanischen Medien immerhin, dass der Transporter einen Großteil der Technik des R1T und des R1S übernimmt. Allerdings ist der Electric Delivery Van deutlich günstiger und robuster konstruiert: Während die Rivian-Pkw eine weitgehend aus Aluminium gefertigte Karosserie über eine “Skateboard”-Plattform aus demselben Leichtmetall stülpen, nutzt der Transporter eine RCV-Plattform (Rivian Commercial Vehicle) und Karosserie aus Stahl.

100 kWh-LFP-Akku mit 200 km Winterreichweite

Der Akku des Rivian EDV-500 hat eine Kapazität von 100 kWh und besteht aus LFP-Zellen (Lithium-Eisen-Phosphat). Damit soll das Fahrzeug auch im Winter bis zu 200 Kilometer Reichweite schaffen. Geladen wird via CCS, allerdings nur mit bis zu 50 kW Ladeleistung. Mehr ist laut Amazon nicht notwendig, da die Fahrzeuge über Nacht ohnehin stehen und nicht im 24-Stunden-Betrieb eingesetzt werden sollen. Beim Motor setzen laut Erica Tsypin, Direktorin des Flotten und Strategieprogramms bei Rivian, alle Fahrzeuge auf einen Frontantrieb. Der Motor sei eine Eigenentwicklung und vergleichbar mit dem des Pick-up Rivian R1T. Der kommt allerdings mit Radnabenmotor und einer Leistung von mindestens 300 kW (402 PS) bis 522 kW (700 PS). Im Fahrzeugschein des EDV-500 ist aber lediglich die Rede von 137 kW Motorleistung (186 PS). Als Spitzentempo sind 112 km/h in den Papieren vermerkt. Ein Allradmodell sei technisch möglich, bislang gebe es laut Tsypin aber noch keine Produktionsentscheidung hierzu.

US-Zulassungsdokumente bestätigen unterdessen, dass es vom Rivian-Transporter zwei Varianten geben wird, die mit S und Z betitelt sind. S kennzeichnet die Service-Version, Z den E-Transporter für Amazon. Damit ist klar, dass der elektrische Lieferwagen auch für Betreiber außerhalb der Amazon-Flotte zugänglich sein wird. Zudem sind laut den Unterlagen Rechts- und Linkslenker-Varianten geplant.

Auf Nachfrage von auto motor und sport wollte Rivian aber nicht bestätigen, dass es neben Amazon weitere Kunden oder Interessenten für den EDV gebe. Man sei derzeit mit der Produktion für Amazon voll ausgelastet, heißt es. Zudem sei der EDV speziell auf die Anforderungen von Amazon hin entwickelt worden. Aus Amazon-Kreisen ist aber bereits zu hören, dass es bis 2030 wohl mehrere Fahrzeuggenerationen des Rivian EDV geben wird und der EDV-500 sowie der EDV-700 lediglich die erste Generation in einer Serie der insgesamt 100.000 georderten Fahrzeuge bildeten.

Mehrere Assistenzsysteme an Bord

Wie es sich für moderne Fahrzeuge ziemt, bekommt der EDV auch eine Reihe von Autobahn- und Verkehrsassistenz-Technologien. Hinzu kommen Außenkameras rund um das Fahrzeug, die mit einer Digitalanzeige in der Kabine verbunden sind und dem Fahrer eine 360-Grad-Sicht außerhalb des Fahrzeugs ermöglichen. Laut Neul Emery, Director Global Fleet and Products bei Amazon kommt das Fahrzeug auf 12 Kameras. Außerdem kommen mehrere Radar- und Ultraschall-Sensoren zum Einsatz. Für zusätzliche Sicherheit sorgen ein automatischer Notbremsassistent mit Kollisionswarnung und ein adaptiver Tempomat.

Testfahrt im EDV-500

Bei einer Testfahrt mit dem Rivian EDV-500 rund um das Amazon-Verteilzentrum bei Moosburg an der Isar konnten die Assistenzssysteme noch nicht überzeugen. Das eigens von Rivian entwickelte System soll beispielsweise ähnlich wie bei Tesla alle Fahrzeuge in der Umgebung anzeigen. Bei der Testrunde durch ein Industriegebiet im Feierabendverkehr wurde aber genau ein LKW vom System dargestellt. Alle anderen Fahrzeuge wurden nicht angezeigt, ganz gleich, ob sie fuhren, gerade standen oder parkten. Ein weiteres Manko für die Fahrer: Trotz hervorragender 360-Grad-Kamera wird es sicherlich hier und da zu Remplern kommen. Denn die Anzeige auf dem Display fällt für den Über-6-Meter-Lieferwagen ziemlich klein aus.

Darüber hinaus gibt sich der EDV-500 aber erstaunlich wendig und leichtfüssig. Der Antrieb ist kraftvoll und auch die Bremsen greifen ordentlich. Auch die Wankneigung hält sich in Grenzen. Vorsicht ist allerdings durch den großen Radstand geboten. Denn bei engen Kurven und durch den großen Lenkwinkel verführt der EDV-500 zum Kurvenschneiden – und so entweder den Gesteig zu rasieren oder den Gegenverkehr. Beides keine guten Optionen. Aus diesem Grund hatte auch eines der Testfahrzeuge, das erst seit wenigen Tagen zugelassen wurde, bereits eine Macke in der Mitte des Laderaums: Bei der Einfahrt auf das Amazon-Gelände hat einer der Mitarbeiter einen Teil der Schranke touchiert, weil der die Kurve zu eng angefahren hatte.

Klimaanlage nur für den Fahrer des Rivian EDV

Durch die große Frontscheibe gibt sich der Elektro-Sprinter- und Elektro-Ducato-Konkurrent auch sehr übersichtlich. Besonders angenehm: Der Sitz ist beheizbar und belüftet. Um Energie zu sparen und die Reichweite nicht durchs Heizen oder Kühlen zu sehr zu strapazieren, ist die gesamte Temperaturregulierung des Innenraums auf den Fahrer konzentriert. Diese Konzentration geht so weit, dass die Lüftungsdüsen hinter dem Lenkrad nur nach oben und unten gestellt werden können. Rechts und links geht nicht. Das Ergebnis: Die Klimaanlage pustet die trockene Luft immer direkt ins Gesicht.

Eine verstärkte Tür auf der Fahrerseite soll für zusätzlichen Schutz und eine von Amazon so genannte “Tanzfläche” in der Fahrerkabine für Bewegungsfreiheit im Van sorgen. Besonders helle Rücklichter, die das Heck des Fahrzeugs umgeben, ermöglichen hinterherfahrenden Verkehrsteilnehmern, einen bremsenden Rivian EDV gut zu erkennen. Im Ladeabteil finden sich vier Regalebenen, die von hinten über ein elektrisch bedienbares Rolltor zugänglich sind. Die Tür ver- und entriegelt sich automatisch, wenn sich der Zusteller oder die Zustellerin dem Rivian Electric Delivery Vehicle nähert oder sich von ihm entfernt. Ähnlich ist es auch mit der Tür zwischen Fahrerkabine und Laderaum. So schließt sich beispielsweise auch die Türe zwischen Gepäckabteil und Kabine automatisch, wenn Fahrstufe D und R beziehungsweise P gewählt wird. Wie bei den berühmten UPS-Fahrzeugen soll der Fahrer aber mit geöffneter Schiebetür auf der Beifahrerseite fahren dürfen.

Infotainment speziell für Amazon

Beim Infotainment hat Amazon selbst mit Hand angelegt. Denn bereits die Navigation ist auf die Anforderungen des Versandhändlers ausgelegt. Nach der Registrierung im Auto bekommt der Fahrer die ständig akutalisierte Route direkt im Dispay angezeigt. Ist er am Ziel angekomme, sagt ihm das System, welches Paket er aus dem Laderaum holen soll und wo er es findet. Ist es ausgeliefert, navigiert das System direkt zum nächsten Paketstop.

Das System ist dabei dauerhaft online und gleicht ständig die geplante Route mit dem Verkehrsaufkommen und anstehenden Lieferungen ab, um die gesamte Lieferprozedur so effizient wie möglich zu halten.

Eigene Produktionslinie in Michigan

Die Karosserie, der Innenraum, die Software und das Fahrwerk schneiden die Ingenieure speziell auf die Anforderungen des Amazon-Transporters zu. Der Lieferwagen soll auf einer eigenen Produktionslinie im Rivian-Werk in Michigan vom Band rollen und keine Auswirkungen auf die Auslieferungen der anderen Modelle haben. Unklar ist bislang, was der Rivian-Transporter kostet beziehungsweise wie genau die finanziellen Vereinbarungen mit Amazon aussehen. Der Pick-up R1T kostet in den USA aktuell 73.000 Dollar (gut 66.900 Euro). Weil das Modell derzeit aber von enormen Lieferschwierigkeiten betroffen ist, verlangen viele Händler deutlich höhere Preise.

Bei einem Transportermodell soll es für Rivian perspektivisch nicht bleiben. Unternehmenschef RJ Scaringe hat bereits angekündigt, eine komplette Palette aus verschiedenen Nutzfahrzeug-Varianten auflegen zu vollen, welche die RCV-Plattform nutzen. Um den entsprechenden Output stemmen zu können (2030 will Rivian pro Jahr insgesamt eine Million E-Fahrzeuge bauen), sollen weitere Rivian-Werke auf der ganzen Welt entstehen. In Europa hat der Hersteller bereits eine bestehende Fabrik in den Niederlanden im Blick.

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