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Porsche 911 GTS (2021) im Test: Der schlauere 911 Turbo?

Der neue GTS steigt technisch zum "Mini 911 Turbo" auf. Mal wieder der beste Elfer fürs Geld?

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Was ist das?

Sie sind auf der Suche nach einem neuen Porsche 911? Sie durchstöbern seit Wochen das Netz nach Fahrberichten, Infomaterial und Vergleichstabellen? Sparen Sie sich den ganzen Kram, denn hier kommt der neue 911 GTS und geht man nach dem, was alle Experten sagen, ist der GTS grundsätzlich das beste Gesamtpaket weit und breit. 

Wir sahen das bisher sehr ähnlich. Ob beim Vorgänger 991 GTS, beim 718 Boxster/Cayman GTS 4.0 oder beim jüngsten Cayenne GTS. Wo die drei Buchstaben draufstehen, ist in aller Regel ein ziemlich unschlagbarer Mix aus gesteigerter Performance, Augenschmausigkeit und Ausstattung inklu.

Beim neuen 911 GTS hat Porsche sogar noch ein bisschen tiefer in die Trickkiste gegriffen. Offiziell firmiert er zwischen Carrera S und 911 Turbo. Wobei er wohl noch nie so nah am Turbo und so weit weg vom S war. Das Fahrwerk mit Helperfedern an der Hinterachse und die monströse Bremse mit ihren 408-mm-Scheiben vorne und 380-mm-Disks hinten kommen vom Chef-Elfer persönlich.

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Und bei den Fahrleistungen fehlt auch nicht die Welt. Dazu gibt es das schmucke Sport Design-Paket und schwarze 20-/21-Zöller mit Zentralverschluss serienmäßig. Wäre ich ein Carrera S, ich wäre vermutlich so grün vor Neid wie das Auto auf obigen Bildern. 

Wobei – in puncto Antrieb sind die beiden ja fast identisch unterwegs. Im neuen GTS leistet der 3,0-Liter-Biturbo-Boxer nun eben 480 PS (+30) und 570 Nm (+20). Das Coupé mit Heckantrieb und 8-Gang-PDK braucht für den 0-100-km/h-Sprint nur noch 3,4 Sekunden (Allrad: 3,3 Sekunden). Bis 200 km/h sind es 11,6 Sekunden. Die Vmax liegt bei 311 km/h.

Zum Vergleich: der allmächtige Turbo mit seinen 580 Allrad-PS macht 2,8 sowie 9,7 Sekunden und 320 km/h Spitze. Auf der Nordschleife trennen die beiden allerdings gerade mal drei Sekunden. Der neue GTS haut die 20,8 Kilometer mit den serienmäßigen Pirelli PZeros in 7,25 Minuten weg.

Innen kriegen Sie Race-Tex (porschisch für Alcantara) am GT-Sportlenkrad und an den Sitzen, einen 10 mm kürzeren Schalthebel (beim 7-Gang-Handschalter, versteht sich), das Sport-Chrono-Paket, Porsches Track Precision App und die ganz neue Generation des hauseigenen Infotainmentsystems. 

Auch wenn der ein oder andere Porsche-Ingenieur den GTS nicht unbedingt als ultimatives Track-Tool ansieht (daher gibt es hier ab Werk auch keine Option auf Cup-Reifen á la Michelin Cup 2), wird es gegen Ende des Jahres ein Leichtbau-Paket geben. Hier sorgen Carbon-Schalensitze, Leichtbauglas an allen Scheiben, eine leichtere Batterie, der Entfall der Rückbank sowie noch ein bisschen weniger Dämmung für gut 25 Kilo Gewichtsersparnis. 

Das Auto hat jederzeit genug Charakter und Feeling zu bieten, dass es bei aller Perfektion nie klinisch oder artifiziell wirkt. 

Dazu kommen rund 30 Kilo mehr Abtrieb durch neue Luftleit-Elemente vorne und einen steiler ausfahrenden Heckspoiler. Außerdem dabei: Die Hinterachslenkung.  

Die Preise starten bei 140.981 Euro für das Handschalter-Coupé. Das sind knapp 17.000 Euro mehr als für einen vergleichbaren Carrera S. Allrad macht gut 8.000 Euro Aufpreis. Das 911 GTS Cabrio kostet mindestens 155.261 Euro, der Targa GTS kommt ausschließlich mit Vierradantrieb ab 163.115 Euro.

Wie fährt er?

Wie erwähnt, sieht Porsche das Auto gar nicht mal sooo sehr auf der Rennstrecke, deswegen führte die erste Fahrt schnurstracks auf die – öhm – Rennstrecke. In diesem Fall mit einem Carrera 4 GTS, 8-Gang-Doppelkupplung und Leichtbau-Paket. Der 2,6 Kilometer lange Kurs gehört zum neuen Porsche Experience Center nahe des Gardasees. 

Was du dort erlebst, ist das, was du eben so erlebst, wenn du mit einem allradelnden 992 auf den Rundkurs gehst. Relativ brutale Geschwindigkeiten, völlig dramafrei und mit gefühlt sieben doppelten Böden serviert. Das Schöne dabei: Das Auto hat jederzeit genug Charakter und Feeling zu bieten, dass es bei aller Perfektion nie klinisch oder artifiziell wirkt. 

Die einmal mehr fantastische Lenkung rupft Massen an Infos aus dem Asphalt. Du fühlst, wie sich das Auto in Kurven auflädt und mehr und mehr (und noch viel mehr) Grip auf die fetten 305er-Walzen schiebt. Und ganz hinten drin gurgelt und röchelt der Biturbo-Boxer. Das Ganze übrigens ein bisschen ungefilterter als in den anderen Elfern, der Sport-Abgasanlage und der freizügigeren Dämmung sei Dank. 

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Ein paar weitere Runden mit dem hinterradgetriebenen GTS Coupé zeigten die zu erwartenden Unterschiede. Etwas mehr Hummeln im Hintern, sprich, ein Heck, das bei starkem Herausbeschleunigen und etwas mehr Lenkeinschlag ein wenig lieber und leichter tanzen geht. Und in längeren schnellen oder ganz engen Kurven ein wenig mehr Untersteuer-Tendenz.

Deutliche Unterschiede zum Carrera S herauszufahren, ist ohne direkten Vergleich natürlich schwer. Dinge wie die Lenkung oder die Sturzwerte sind im Prinzip gleich. Allerdings verfügt der GTS über ein Adaptiv-Fahrwerk mit 10 mm Tieferlegung und deutlich strafferen Federraten. Vorne sind es knapp 40 Prozent mehr, hinten etwa 20.

Damit das unfallfrei funktioniert, hat man hinten erwähnte Helperfedern verbaut. Die halten die straffere Hauptfeder in allen Situationen unter Spannung und den Ausfederweg damit unter Kontrolle. Wäre dem nicht so, würde das nun härter gefederte Auto zu hoppeln und hüpfen beginnen und merklich an Traktion und Kontrolle einbüßen. 

Unangenehm straff ist der GTS deswegen nicht, er federt sehr satt und souverän. Die Neigung in Kurven wirkt ein wenig vermindert. Das Einlenken ist ja schon in den normalen Carrera-Varianten deutlich sehniger und agiler geworden als beim Vorgänger. Hier legt der GTS eine Mini-Schippe drauf. 

Am Ehesten merkt man es vielleicht noch daran, dass der GTS den eigenen Magen bei jedem Tritt auf die Tube noch ein bisschen mehr durch den Fleischwolf dreht. Die Elfer – und ich rede auch von denen ohne “Turbo”-Schriftzug auf dem Heck – sind inzwischen in Vortriebssphären angekommen, die vor Kurzem noch undenkbar erschienen. 

Und auf der Landstraße?

Dort gab es ein heckgetriebenes GTS Cabrio. Man muss die epische Bandbreite des Angebots ja auch vernünftig ausprobieren. Was hier einmal mehr auffiel: Die berühmte Spreizung des Adaptiv-Fahrwerk ist wirklich hoch. In Sport Plus spannt sich die Fuhre spürbar an, in Normal ist aber Ruhe. Auch bei langsamer Fahrt. Auch innerorts mit allerlei Kopfsteinpflaster- und Temposchwellen-Gedöns.

Zum herzhaften Gepflüge auf den teils herrlichen Serpentinen um den Gardasee lässt sich sagen: Der Biturbo hat natürlich auch hier nicht mehr die exzentrischen Spitzen wie die alten Sauger. Dafür geht er in allen anderen Bereichen gefühlt 10x so gut. Es ist also einfach nicht nötig, das Auto bei jeder Gelegenheit auszudrehen wie ein Bekloppter. Nutzen Sie lieber die irre Wucht, die das Aggregat zwischen gut zweieinhalb- und sechseinhalbtausend zur Verfügung stellt. Das ist vielleicht nicht so aufregend wie in einem 911 GT3, aber vermutlich wesentlich schneller.

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So viel Speed braucht gute Bremsen und die Anker aus dem großen Turbo machen hier einen sensationellen Job. Porsche-typisch ist so viel Stopp-Power vorhanden, dass Sie wahrscheinlich auch sieben Tage am Stück einen Berg hinunter bremsen könnten, ohne ein Schwächeln zu bemerken. Und die Kontrolle über die Dosierung kriegen auch nur die wenigsten so hin. 

Ein wenig Probleme bereitete mir der offene GTS überraschenderweise bei den langgezogenen, engeren Kurven oder den klassischen 180-Grad-Biegungen. Und zwar mit einer ungewohnt ausgeprägten Untersteuer-Tendenz. Klar, ein Elfer ist vorne konstruktionsbedingt leichter als hinten, aber das Schieben über die Vorderräder ist spätestens seit dem Vorgänger kein großes Thema mehr. 

Hier war es anders. Seltsam, denn die Coupés hatten zuvor auf dem Track ja quasi nichts in diese Richtung von sich gegeben. Eine Nachbesprechung mit Porsche brachte keine wirkliche Erleuchtung. Am Luftdruck der Pirellis kann es zumindest nicht gelegen haben, der wurde geprüft. Bliebe noch ein grundsätzlich fehlerhaftes Paar Vorderreifen oder ein überdurchschnittlich rutschiger Straßenbelag. Ein weiterer Test dürfte Aufschluss bringen.

Grundsätzlich nimmst du aber auch hier den meisten Spaß mit, wenn du dich auf den monströsen Grip der 305er-Hinterreifen verlässt. Ordentlich Gas am Kurvenausgang, spüren, wie sich das Momentum auf die Hinterachse verlagert, das Heck sich in den Teer schiebt und dich der GTS ohne den Hauch eines Zweifels aus der Kurve katapultiert. Großer Sport. Immer wieder. 

Wie ist er innen?

Zum generellen Innenleben eines Porsche 992 gibt es, glaube ich, nicht mehr all zu viel Neues zu berichten. Die Standardsitze sind toll, die Carbonschalen einmal mehr überragend. Sitzposition, Kontrollen, Bedienung – das kannst du in einem Sportwagen nicht wirklich besser lösen. 

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Ganz neu im GTS ist das Infotainment-Upgrade. Wir sind inzwischen beim PCM 6.0 angelangt. Apple Music und -Podcast sind hier nun integriert. Ziemlich cool: Gefällt ein gerade im Radio gespieltes Lied, kann es per Drag and Drop zu Apple Music hinzugefügt werden. Dazu kommen eine verbesserte Sprachbedienung und kabelloses Apple Carplay. Android Auto ist auch verfügbar, allerdings mit Stecker. 

Ein Wort noch zum Schaltgetriebe: Hebel und Wege wurden für den GTS gekürzt. Insgesamt schaltet es sich ein wenig fester, rauer und echter als zuletzt im 992. Es ist absolut fantastisch und gefällt mir sogar besser als – man möge mich dafür nicht lynchen – im neuen GT3. 

Fazit: 8,5/10

Es ist ja fast schon langweilig, es immer und immer wieder zu beschwören, aber der GTS ist auch beim aktuellen 911 wieder das interessanteste Gesamtpaket. Er hat nicht den alles in Schutt und Asche legenden rechten Haken des 911 Turbo, aber er kommt näher. 

Fahrdynamisch ist er ähnlich unerschütterlich (das erwähnte Untersteuern bei meinem Cabrio bedarf einer Nachprüfung). Trotzdem bietet er ein hohes Maß an Charisma und Involvierung. Dabei sollte klar sein: Der Abstand zum Carrera S ist hier nicht wirklich gewaltig. 

Es bleibt also dabei: Wenn Sie einen eher asketisch ausgestatteten 911 suchen, dann sind Sie mit Carrera oder Carrera S sicher besser und wesentlich günstiger unterwegs. Aber wenn Sie eh vorhaben, die Hütte voll zu machen, dann empfiehlt sich unbedingt der etwas schickere, etwas dynamischere, etwas schnellere und etwas luxuriösere 911 GTS. 

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