MG

Erster Test: MG4 XPower, Power to the people

Das Schnäppchen des Jahrhunderts quasi: MG verkauft 435 PS und Allradantrieb zum Sonderpreis. Der MG4 XPower ist aber kein Sportwagen, sondern eher ein Tesla, den die Amerikaner noch nicht gebaut haben. Wie sich das kompakte Kraftpaket an der Ampel, auf der Autobahn und in der Kurve anfühlt, erklärt der erste Test.

Was muss man über MG wissen?
Der größte chinesische Autohersteller SAIC hat die Namensrechte übernommen und baut MG seit einigen Jahren zu seiner Exportmarke auf. Das Geschäft mit den in Asien produzierten, per Schiff importierten und preisgünstig angebotenen Autos floriert, der Newcomer wird in Europa heuer schon über 200.000 Fahrzeuge verkaufen – mehrheitlich E-Autos, vor allem in Südeuropa aber auch noch Verbrenner. In Österreich hat MG mit der Denzel-Gruppe einen etablierten Partner und unter Geschäftsführer Andreas Kostelecky nicht nur ein dichtes Händlernetz mit 41 Standorten aufgebaut, sondern bereits ein Prozent Marktanteil erreicht und die ersten alteingesessenen Marken hinter sich gelassen. Meistverkauftes Modell ist der MG4, rund ein Drittel der Kunden nehmen hierzulande den klassischen Kompakten im Golf-Format.
 
An wen richtet sich das neue MG4-Topmodell mit stolzen 435 PS?
Zunächst ist es natürlich eine Ansage an die europäische Konkurrenz, die mit der Entwicklung von elektrischen Standardmodellen ziemlich ausgelastet wirkt und Sportversionen bisher weitgehend hintangestellt hat. Der MG4 dringt jetzt als erster kompakter Stromer in die oberste Leistungsklasse jenseits von 400 PS vor – einen kleinen Kreis mit illustren Namen wie Mercedes A45 AMG und Audi RS3. Deren Fans würden wir aber weniger im MG4 XPower sehen, sondern andere Sportsfreunde und sogar den (fast) ganz normalen Autofahrer. Dass das bei einem Kraftpaket mit 435 PS abgehoben klingt, wissen wir, können es aber im Laufe dieses Tests erklären.
 
Wie unterscheidet sich die XPower-Variante optisch?
MG hat sich wohl gedacht, dass der normale MG4 schon recht wild ausschaut. Was ja stimmt: Ins Auge stechen vorne die sportiven Lufteinlässe, der Einzug auf der Fronthaube und die sechsteiligen LED-Lichtsignaturen. Das Heck prägen extreme Proportionen, der farblich abgesetzte Diffusor fällt groß aus, das Heckfenster schmal. Dazu kommen der zweigeteilte Dachspoiler und das Rückleuchten-Heckspoiler-Kombielement mit durchgehendem LED-Band und Lichtmuster auf der Oberseite.
Der XPower wiederum hebt sich nur in wenigen Bereichen vom MG4-Standardmodell ab – dort aber wirkungsvoll, muss man auch sagen: Die exklusiv für das Topmodell reservierte „Hunter Green“-Lackierung ist ein echter Eyecatcher, die gut dazu passenden orangen Bremssättel ebenfalls. Die 18-Zoll-Felgen sind schön luftig, werden den echten Sportfreunden aber ein, zwei Nummern zu klein sein.

erster test: mg4 xpower, power to the people

Der normale MG4 schaut schon recht wild aus, der XPower wiederum hebt sich nur in wenigen Bereichen vom Standardmodell ab – dort aber wirkungsvoll…

erster test: mg4 xpower, power to the people

… die orangen Bremssättel sin ebenso eine Eyecatcher …

erster test: mg4 xpower, power to the people

… wie das exklusiv für das Topmodell reservierte „Hunter Green“.

erster test: mg4 xpower, power to the people

Was für ein cooler Alleingang: Der MG4 dringt als erster kompakter Stromer in die oberste Leistungsklasse jenseits von 400 PS vor.

Was wird im Innenraum geboten?
Innen ist der XPower-Trimm mit schwarzen Alcantara-Sitzbezügen, roten Ziernähten und silbernen Sportpedalen nur dezent. Darüber hinaus bleibt es beim reduzierten Design mit überwiegend harten und dunklen Kunststoffen. Der MG4 verzichtet am Armaturenbrett fast vollständig auf Rädchen und Knöpfe und bündelt die meisten Funktionen im mittigen 10,25-Zoll-Touchscreen. Nach einem Software-Update sind wichtige Touch-Felder größer und das System wirkt insgesamt ausgereifter. Gut funktioniert auch die Kommunikation mit dem Kombiinstrument über die Lenkradfernbedienung. Großzügige Ablagen sind auf und unter der freistehenden Mittelkonsole vorhanden, nur die Handy-Ladefläche hat etwas zu niedrige Fangzäune für die gestiegenen Fliehkräfte der XPower-Version.
Vorne haben größere Fahrer genügend Platz, manchmal eckt ihr Knie aber bei der Mittelkonsole an. In flotten Kurven vermissen wir den Seitenhalt von echten Sportsitzen. Hinten sind Bein- und Kopffreiheit auch für Erwachsene ordentlich, seit neuestem gibt es dort auch drei Kopfstützen. Je zwei Handyfächer auf der Rückseite der Vordersitze freuen Fondpassiere mit mehreren Mobiltelefonen, der von MG nun nachgereichte Heckscheibenwischer begeistert dagegen den Fahrer. Beim Kofferraumvolumen kommt der MG4 XPower auf klassenübliche 363 bis 1.177 Liter. Durch das Umlegen der Fondlehnen entsteht eine Kante beim Übergang zur Rückbank, der hintere Bereich der Ladefläche steigt etwas an.

Was bietet der MG4 XPower technisch?
Er basiert wie die anderen MG4 auf dem ganz neuen MSP-Baukasten (Modular Scalable Platform), der auf verschiedenste Fahrzeugklassen und Radstände bis 3.10 Meter skaliert werden kann. Im MG4 XPower arbeitet an jeder Achse eine E-Maschine mit über 200 PS, aus ihrer Kooperation ergeben sich neben dem Allradantrieb stolze 435 PS Maximalleistung und 600 Newtonmeter maximales Drehmoment. Die Beschleunigung auf 100 km/h gibt MG mit 3,8 Sekunden an, für den Sprint auf 50 km/h wurden intern 1,73 Sekunden gemessen. Eine serienmäßige Launch Control erleichtert das Erreichen dieser Sportwagenwerte. Statt der sonst im MG4 üblichen 160 km/h Höchstgeschwindigkeit sind mit dem XPower bis zu 200 km/h möglich. Springt man bei Landstraßentempo voll auf die Bremse, soll das 1.800 Kilo schwere Auto durch die größeren 345-Millimeter-Scheibenbremsen nach 33,9 Metern stehen. Die Batteriekapazität beträgt im MG4 XPower 64 kWh brutto beziehungsweise 61,8 kWh netto, bei der offiziellen WLTP-Reichweitenmessung kommt das Sportmodell auf 385 Kilometer. Geladen wird mit bis zu 140 kW, was zwar nicht turboschnell, aber ausreichend schnell ist.
Zur Beschleunigung der Kurvenfahrt hat der MG4 XPower einen Sporttrimm aus härteren Federn und Dämpfern, steiferen Stabilisatoren, direkterer Lenkung sowie Torque Vectoring vorne und elektronischem Differenzial hinten.

erster test: mg4 xpower, power to the people

Innen ist der XPower-Trimm mit schwarzen Alcantara-Sitzbezügen und roten Ziernähten nur dezent. Darüber hinaus bleibt es beim reduzierten Design.

erster test: mg4 xpower, power to the people

Automatik-Steuerung über ein Drehrad in der Mittelkonsole.

erster test: mg4 xpower, power to the people

Kommunikation mit dem Kombiinstrument über die Lenkradfernbedienung.

erster test: mg4 xpower, power to the people

10,25-Zoll-Touchscreen: Nach einem Software-Update sind wichtige Touch-Felder größer und das System wirkt insgesamt ausgereifter.

Wie fährt sich die MG4-Topversion mit 435 PS und Allradantrieb?
Ansatzlos legen die zwei Permanent-Synchronmotoren los und vereinen ihre Kräfte relativ nahtlos zum Allradantrieb – schon stürmt der MG4 XPower nach vorne: An der Ampel folgt auf den Kick-down eine katapultartige Beschleunigung, bei der man aufpassen muss, dass einem nicht schlecht wird. Prater nix dagegen, Verbrenner in der Regel auch nicht. Bei den folgenden Zwischensprints kann man den Passagieren weitere Nackenschläge versetzen. Der Antritt ist auch bei 80 km/h noch richtig gut, am Weg zum Starnberger See konnten wir dem 5er-BMW nach der Aufhebung des Tempolimits fesch davonziehen, das macht im Münchner Raum natürlich doppelten Spaß. Bis 200 km/h gab es dann einen Paarlauf, mit größeren Reserven eher auf unserer Seite, danach mussten wir den Bayern ziehen lassen. Eine optionale Anhebung der Höchstgeschwindigkeit würde für Starnberger, oder auch Dingolfinger, also auf jeden Fall Sinn ergeben. Verbrauch bei freier Fahrt für freie Bürger: Knapp unter 30 kWh, gar nicht so schlimm, oder? Vom E-Motor ist in diesen Temporegionen nur ein unaufdringliches Pfeifen zu hören, die Windgeräusche sind dann aber schon relativ stark.
Zurück in der Stadt kann sich der MG4 XPower derartig gut entspannen, dass er sich wie jede andere MG4 fahren lässt: Mit sanfter Beschleunigung schwimmt er im Verkehr mit, kein Rucken und fast kein Ton sind zu vernehmen. Der Verbrauch sinkt im besten Fall auf gut 15 kWh. Eine so normale Fahrt mit einem über 400 PS sarken Auto ist eigentlich nicht normal. Nur wenn die Straßen schlecht sind, schwindet der Komfort und man merkt dass MG das Fahrwerk schon recht straff ausgelegt hat.
Kurven lassen sich durchaus flott fahren, weil das Auto nicht zu schwer ist, nicht schlecht liegt und das elektronische Torque Vectoring beim Rausbeschleunigen für spürbare Kontrolle sorgt. Auf richtig ambitionierten Kurvensport, das muss man auch sagen, ist der MG4 XPower aber nicht ausgelegt. Dafür müsste die Lenkung verbindlicher und der Grip größer sein, das Fahrverhalten insgesamt leichtfüßiger und facettenreicher. Die Sportler der alten Schule werden auch den fehlenden Sound beklagen. Der MG4 XPower ist also kein Sportwagen in dem Sinn, sondern eher ein Tesla, den die Amerikaner noch nicht gebaut haben: Brachial in der Beschleunigung und dennoch voll alltagstauglich, aber kein ausgewiesener Kurvensportler. Im Innenraum zwar nicht prachtvoll, aber eben auch preislich attraktiv. Dass MG finanziell noch mehr auftrumpfen kann, liegt am klassischen Steilheck-Kompaktklasse-Segment, in dem Tesla noch nicht ist.
 
Und wie schaut es preislich aus und was folgt daraus?
Der vollausgestattetet MG4 Power kostet 46.990 Euro beziehungsweise nach Abzug der Förderung 41.590 Euro. Das ist im Grunde das, was für einen normalen ID.3 auch fällig wird. Bei ausstattungsbereinigt nur rund 5.000 Euro Aufpreis für das Upgrade auf 435 PS könnte so mancher normale MG4-Interessent schwach werden, Firmenautofahrer sowieso – Schnäppchen des Jahrhunderts quasi. Zumal Alltagstauglichkeit gegeben ist und mit dem Allradantrieb auch ein gutes rationales Argument mitgeliefert wird.
Wem die 385 Kilometer Reichweite zu wenig sind, kann übrigens zum ähnlichen Preis auf 520 Kilometer erhöhen, der ebenfalls neue MG4 Electric Trophy Extended Range kostet 44.990 Euro. Er hat eine 77-kWh-Batterie und 245 PS. Man muss sich also zwischen maximaler Leistung und Reichweite entscheiden können. Das Angebot ist in beiden Fällen sehr gut und mit sieben Jahren oder 150.000 Kilometer Garantie verbunden.

erster test: mg4 xpower, power to the people

Fazit von Motorprofis-Tester Fabian Steiner: „Der vollausgestattetet MG4 Power kostet 46.990 Euro beziehungsweise nach Abzug der Förderung 41.590 Euro. Bei ausstattungsbereinigt rund 5.000 Euro Aufpreis für das Upgrade auf 435 PS könnte so mancher normale MG4-Interessent schwach werden, Firmenautofahrer sowieso – Schnäppchen des Jahrhunderts quasi. Zumal Alltagstauglichkeit gegeben ist und mit dem Allradantrieb auch ein gutes rationales Argument mitgeliefert wird.”

DATEN & FAKTEN

MG4 XPower

(Oktober 2023)

Preis

46.990 Euro (bzw. nach Abzug der Förderung 41.590 Euro).

Antrieb

Permanent-Synchronmotoren vorne und hinten, Allradantrieb. Leistung 320 kW / 430 PS, Drehmoment 600 Newtonmeter. 64-kWh-Nickel-Kobalt-Mangan-Batterie, Laden mit max. 11 kwh (AC) bzw. 140 kW (DC).

Abmessungen

Länge 4.287 mm, Breite 2.060 mm (inkl. Spiegel), Höhe, 1.516 mm. Radstand 2.705 mm. Kofferraumvolumen 363 – 1.177 Liter.

Gewicht

Leergewicht 1.803 kg. Zulässiges Gesamtgewicht 2.216 kg.

Fahrwerte

Höchstgeschwindigkeit: 200 km/h (abgeregelt). Beschleunigung 0–50 km/h in 1,73 Sekunden, 0–100 km/h in 3,8 Sekunden, WLTP-Reichweite 385 km, WLTP-Verbrauch 18,7 kWh.

TOP STORIES

Top List in the World