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BYD Seal U (2024) im Test: Rational schwer zu schlagen

Das Familien-SUV ist nicht aufregend, kommt aber heftig über Reichweite, Preis und Garantie

byd seal u (2024) im test: rational schwer zu schlagen

Was ist das?

Glauben Sie es mir, der deutsche Automanager schläft schlecht. Besonders schlecht schläft er, wenn er gerade die neueste (und etwas arg pompös-theatralische) Präsentation von BYD in die Finger gekriegt hat. Darin rettet der chinesische Autohersteller nicht nur im Alleingang die Umwelt, er präsentiert auch seine 2023er Verkaufszahlen. Und die sind gut. Verdammt gut.

1,57 Millionen Elektroautos hat man im letzten Jahr verkauft. Platz 2 hinter Tesla. Im vierten Quartal hat man den lieben Herrn Musk mit 526.000 BEV-Neuzulassungen allerdings schon überholt. Sie können relativ fest davon ausgehen, dass dies zu einem Dauerzustand werden wird. Denn „Build Your Dreams“ ist riesig (600.000 Mitarbeiter), hungrig, und sie sind gekommen um zu bleiben.

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Das wird ganz sicher nicht jeder der gefühlt 70 neuen chinesischen Hersteller schaffen, die in den letzten zwei, drei Jahren bei uns aufgeschlagen sind. Aber BYD wohl schon. Ein neues Werk in Ungarn baut man schließlich nicht einfach so zum Spaß. Und man überweist auch nicht unchristliche Geldmengen an die UEFA, um als Hauptsponsor der Euro 2024 in Erscheinung zu treten. Allein das ist ja schon ein ordentlicher Schlag ins Gesicht der etablierten Autobauer. Fußball-Heim-EM sponsored by China. Heiligs Blechle.

Wollten wir nicht über ein neues Auto reden?

Doch doch, natürlich. BYD hatte bisher in Rekordzeit fünf neue Fahrzeuge auf den europäischen Markt geworfen. Jetzt kommt Nummer Sechs und das wird den Verkäufen ziemlich sicher nicht schaden. Sagen Sie Hallo zum neuen Seal U. „Klassisches“ D-Segment-SUV mit 4,79 Meter Länge, 1,89 Meter Breite und 1,67 Meter Höhe. Der Radstand beträgt 2,77 Meter und er steht auf BYDs e-Plattform 3.0. Vorne gibt es McPherson-Federbeine, hinten eine Mehrlenkerachse.

Verwirrenderweise hat der Seal U absolut nichts mit der Limousine Seal zu tun. Außer, dass Ex-Audi- und Alfa-Designchef Wolfgang Egger auch hier den Stift schwang. Dafür, dass die Traumbauer das Design ihrer Modelle in der Kommunikation so anpreisen, finde ich sie optisch etwas 0815. Aber was ich denke, ist dahingehend auch ziemlich egal.

Worauf ich eigentlich hinauswollte: Die Limousine Seal hat deutlich mehr Radstand als das SUV Seal U. Und während es die Limo mit Heck- oder brutal potentem 530-PS-Dual-Motor-Allradantrieb gibt, muss ausgerechnet das SUV mit Frontantrieb und relativ überschaubaren 160 kW auskommen.

Verstehen muss man das nicht unbedingt. Allerdings liegt der Fokus beim Seal U eindeutig auf preisbewussten, komfortorientierten Familien und die pfeifen in den meisten Fällen wohl auf ein Fahrdynamikwunder mit XXL-Bizeps.

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Stattdessen preisen die Chinesen lieber ihre eigene Super-Batterie, die komplett auf Nickel, Mangan und Kobold äh Kobalt verzichtet. Da freut sich nicht nur unsere Außenministerin. Die sogenannte Blade Battery gibt es seit 2020. Sie funktioniert nach dem Prinzip „Cell-to-Pack“, nicht nach dem üblichen „Cell-to-Module-to-Pack“. Keine Module also. Das spart laut BYD 50 Prozent Platz und macht die Akkus vergleichsweise dünn. Die Ladegeschwindigkeiten sind hier nicht Flash-Gordon-Gedächtnispreis-verdächtig, dafür sollen die Packs lange halten.

Im Seal U findet man die Blade-Batterie in zwei verschiedenen Ausprägungen. Das Einstiegsmodell „Comfort“ kriegt 71,8 kWh, das Topmodell „Design“ kommt mit 87,0 kWh-Speicher. BYD nennt Reichweiten von 420 beziehungsweise 500 Kilometer nach WLTP. Eine Wärmepumpe ist Serie. Maximale Strom-Einpeitsch-Geschwindigkeit: 115 kW beim Kleinen, 140 kW beim Großen. Versprochen werden 30 auf 80 Prozent in 28 Minuten. Das löst jetzt nicht unbedingt grenzenlosen Jubel aus, aber man sollte damit leben können.

Apropos leben können: Bereits der „Comfort“ ist fantastisch ausgestattet. Elektrisch verstellbare, belüftete, vegane „Leder“sitze, ein mittiger 12,8-Zoll-Touchscreen, eine 360-Grad-Kamera und das recht monumentale Panorama-Glasschiebedach sind neben der überwältigenden Flut an Assistenzsystemen Serie.

Wer sich für den „Design“ entscheidet, kriegt abgesehen von der größeren Batterie ein Head-up-Display, einen 15,6-Zoll-Infotainmentbildschirm, darunter eine Ladefläche für gleich zwei Smartphones sowie ein Infinity-Soundsystem mit 10 Lautsprechern.

Als Hauptkonkurrent wurde der Skoda Enyaq auserkoren. Aber auch das Tesla Model Y wird man mit dem Seal U ins Visier nehmen. Dabei dürften die Chancen beim Blick auf die Preisliste sofort gewaltig steigen, denn mit der Gestaltung eben jener ist dem aktuell größten BEV+PHEV-Hersteller der Welt ein nicht zu unterschätzender Coup gelungen: Der Utility-Seal startet bei 41.990 Euro. Mit absolut voller Hütte (man kann wirklich nichts mehr dazu bestellen) und großem Akku sind es 44.990 Euro.

Zum Vergleich: Der Enyaq ist mit der großen 77-kWh-Batterie aktuell ab 48.900 Euro zu haben (lässt sich aber ohne weiteres bei den gehobenen Ausstattungen auf über 60.000 Euro blähen), das Basis-Model Y mit Hinterradantrieb und 60-kWh-Akku kostet mindestens 42.990 Euro.

Wie fährt er?

Der Umgang mit dem Seal U ist sehr entspannt. Lenkung und Pedale funktionieren leichtgängig, Sitzposition und Gestühl sind ergonomisch und auch auf längeren Stints bequem. Man braucht tatsächlich kaum Eingewöhnungszeit, um sich im Auto zurechtzufinden.

Wer etwas ähnliches wie Nervenkitzel oder Fahrdynamik erwartet, ist hier wenig überraschend Fehl am Platz. Aber das war ganz sicher auch nicht das Ziel bei der Entwicklung. Wie das Auto einlenkt, wie es sich in Kurven verhält, wie es beschleunigt – das ist letztlich relativ unaufgeregter (und unaufregender) Durchschnitt. Und damit kann man wunderbar leben.

Wobei die 9,6 Sekunden von 0-100 km/h bei der schwereren “Design”-Variante (der größere Akku bringt ein Mehrgewicht von gut 120 Kilo) für E-Auto-Verhältnisse schon ein wenig mühselig sind. In den Modi “Eco” und “Normal” passiert beim Tritt ins Gaspedal dann auch nicht all zu viel. Drücken Sie sich per Klickschalter rechts auf der Mittelkonsole in “Sport”, gibt der Antriebsstrang etwas mehr Dampf frei und das Auto reagiert spürbar direkter und mit mehr Nachdruck auf den Gasbefehl.

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Die Bremse ist ein bisschen latschig, aber macht, was sie soll. Etwas ungewohnt geht es bei den Rekuperationsstufen zu: Mit dem zweiten Klickschalter entscheiden Sie zwischen normaler und starker Rekuperation. Bei der Testfahrt fühlte sich die starke Stufe wie eine herkömmliche Stufe 1 von 3 an, bei der normalen Regeneration war so gut wie gar nichts zu spüren. Im digitalen 12,3-Zoll-Instrumentendisplay wurden aber beim Gaswegnehmen innerorts Werte von um -30 kW Rekuperationsleistung angezeigt.

Der Vorderradantrieb wird im Alltag kaum Einbußen mit sich bringen. Wer beim Abbiegen voll in den Pinsel presst, kriegt kurz durchdrehende Räder, ansonsten merkt man nicht viel von der Antriebsart. Der Wendekreis beträgt elf Meter.

Die große Stärke des Seal U ist sicher sein Fahrkomfort. Wo der durchschnittliche deutsche Autobauer jedes noch so ungeeignete Fahrzeug irgendwie auf sportlich und dynamisch trimmen muss, scheinen chinesische Hersteller kein Problem damit zu haben, ein Auto auch einfach mal weich abzustimmen. Wir sahen es zuletzt auch schon beim Test des Nio EL6.

Der Seal U darf also schön in die Knie gehen und auch mal ordentlich nachwippen. Bei mancher Querrille oder dem ein oder anderen größeren Schlagloch verschluckt er sich dabei hin und wieder und es wird etwas unruhig im Aufbau.

Man muss es ja fast schon beruhigt zur Kenntnis nehmen: In Sachen Chassisbalance, Fahrwerksabstimmung und Handling haben die Hersteller aus dem Land des Lächelns definitiv noch Nachholbedarf. Da bildet BYD keine Ausnahme. Nichtsdestotrotz bietet der Seal U ein sehr komfortables und ziemlich rundes Fahrerlebnis. Und die Reichweite? Scheint laut Bordcomputer schon in etwa hinzukommen. Ich fuhr zur Probe mit einem nahezu vollgeladenen Auto einen 80-Kilometer-Mix aus Autobahn, Landstraße und Stadtverkehr und hatte am Ende noch 400 Kilometer Restreichweite.

Wie ist er innen?

Deutlich mehr normales Auto als beispielsweise ein Nio. Dort wird ja bedienungstechnisch maximal minimalisiert. Der Seal U hat immerhin noch ein paar richtige Taster und Schalterchen. Unter anderem auch mit vernünftigen Tasten am Lenkrad. Der große Coup – Sie kennen es inzwischen vermutlich – ist der drehbare Infotainment-Bildschirm. Jeder neuere Autohersteller muss inzwischen ja irgendein Gimmick haben, das besonders instagramable ist. Oder den Nachbarn ordentlich staunen lässt, wenn man ihm das neue Gefährt präsentiert.

Bei BYD ist es eben das Dreh-Display. Auf Knopfdruck wird horizontal oder vertikal angezeigt, ganz wie Sie wollen. Man kann den Kasten aber auch manuell zurechtstutzen. Was auf selbigem angezeigt wird, macht größtenteils Sinn und ist recht übersichtlich. Hin und wieder brauchte es aber zwei Versuche, bis er in manchen Menüs auf die Berührung reagierte.

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Kollege Leichsenring beschwerte sich bei seinem Test des Seal darüber, dass BYD nicht in der Lage ist, eine Ladestrategie anhand einer festgelegten Route zu erstellen. Das geht auch hier noch nicht. Ladepunkte in der Umgebung werden aber natürlich angezeigt.

Qualitativ macht das Auto einen sehr vernünftigen Eindruck. Umso mehr, wenn man den Preis berücksichtigt. Der Look des Cockpits ist relativ gewöhnlich, aber die verwendeten Materialien wirken hochwertig und fassen sich durch die Bank sehr angenehm an. Hartplastik werden Sie hier nicht finden, Armaturenbrett und Tür-Innenseiten sind weich aufgeschäumt.

Es gibt vorne und hinten je zwei Cupholder, mehrere USB-C-Anschlüsse und unter der halb schwebenden Mittelkonsole ein zusätzliches offenes Fach für Krimskrams. Zudem ist das Fach unter der Mittelarmlehne sehr tief.

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Wie Sie auf dem Bild erkennen können, ist das Platzangebot im Fond mehr als großzügig. Meine 1,85 Meter passen hinter mir selbst locker flockig mit ordentlich Restbeinfreiheit. Die Kopffreiheit ist auch luftig. Schön natürlich: Das monumentale Glasdach. Beim Kofferraumvolumen (552 bis 1.440 Liter) bieten die Konkurrenten teils deutlich mehr.

Fazit

Fahrerisch macht der BYD Seal U nichts außergewöhnlich gut, aber er gibt sich auch nirgends eine Blöße. Die Qualität passt auf den ersten Blick, der Innenraum sieht wirklich anständig aus und die Bedienung ist okay. Außerdem sind realistisch erscheinende 500 Kilometer Reichweite natürlich auch ein Wort.

Bezieht man Preis und Garantie-Regelungen mit ein (6 Jahre Basis-Garantie, 8 Jahre auf Batterie und Motor) geht das alles schon in eine sehr richtige Richtung. Im Punkte-Schema unserer Schwesterseite de.Motor1.com würde ich dem Auto eine 7/10 geben. Unter Berücksichtigung der Preisgestaltung eine 7,5/10.

Bildergalerie: BYD Seal U (2024) im Test

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Technische Daten und Preise BYD Seal U Design

Motor permanenterregter Synchronmotor

Antrieb Voderradantrieb

Leistung 160 kW (218 PS)

Max. Drehmoment 330 Nm

Beschleunigung 0-100 km/h 9,6 Sekunden

Höchstgeschwindigkeit 175 km/h

Leergewicht 2.147 kg

Zuladung 410 kg

Anhängelast 1.300 kg

Kofferraumvolumen 552 – 1.440 Liter

Batterie 87 kWh

Ladeanschluss AC: 11 kW; DC: 140 kW

Aufladezeit 43 Minuten (DC: 10-80 Prozent); 9,5 Stunden (AC: 0-100 Prozent)

Elektrische Reichweite WLTP: 500 km

Verbrauch WLTP kombiniert: 20,5 kWh/100 km; Testverbrauch: 17-20 kWh/100 km

Basispreis 44.990 Euro

Preis des Testwagens 44.990 Euro

Technische Daten und Preise BYD Seal U Design

  • Motor: permanenterregter Synchronmotor
  • Antrieb: Voderradantrieb
  • Leistung: 160 kW (218 PS)
  • Max. Drehmoment: 330 Nm
  • Beschleunigung 0-100 km/h: 9,6 Sekunden
  • Höchstgeschwindigkeit: 175 km/h
  • Leergewicht: 2.147 kg
  • Zuladung: 410 kg
  • Anhängelast: 1.300 kg
  • Kofferraumvolumen: 552 – 1.440 Liter
  • Batterie: 87 kWh
  • Ladeanschluss: AC: 11 kW; DC: 140 kW
  • Aufladezeit: 43 Minuten (DC: 10-80 Prozent); 9,5 Stunden (AC: 0-100 Prozent)
  • Elektrische Reichweite: WLTP: 500 km
  • Verbrauch: WLTP kombiniert: 20,5 kWh/100 km; Testverbrauch: 17-20 kWh/100 km
  • Basispreis: 44.990 Euro
  • Preis des Testwagens: 44.990 Euro

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