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218 PS für 400 Kilometer - Abnahmefahrt Aiways U6

Nach dem vollelektrischen Kompakt-SUV U5 bringt Aiways im Frühjahr 2023 das SUV-Coupé U6 mit nunmehr selbst entwickelter E-Maschine. Wir finden auf einer exklusiven Abnahmefahrt heraus, wie die Chancen des 4,80 Meter-Stromers stehen.

Jetzt wird es Zeit: Lieferkettenphlegma beiseiteschieben und ran an den Aiways U6. Statisch präsentiert wurde das vollelektrische SUV-Coupé des chinesischen Startuppers bereits, jetzt heißt es fahren. Schließlich soll der 4,80 Meter Bruder des bekannten U5 nicht nur gut aussehen und einen günstigen cw von 0,248 liefern, sondern dem ebenfalls noch frischen Establishment zeigen, wie gut es die Truppe aus Shanghai draufhat. Auch bei uns in Europa. Besser in Deutschland, denn die Overseas-Zentrale logiert in München. Und genau von dort aus starten wir zu unserer exklusiven Abnahmefahrt, dem ersten Trip mit dem U6 überhaupt. Unser schwarzer, zart getarnter Proband zeigt weitgehend Serienstand, während die Abstimmung etwa der Lenkung und eilen der Software sowie diverse Kunststoffteile der Vorserie entsprechen. Manche Hersteller würden sich am liebsten während des gesamten Produktzyklus auf die Entschuldigung “Vorserie” zurückziehen, falls es irgendwo knarzt oder knistert, die Software bestenfalls Beta erscheint. Anders bei Aiways, die den U6 im ersten Quartal 2023 bringen – ohne Welpenschutz im Finish.

Style-Fortschritt statt Bling-Bling-Barock

Wobei ihn unser U6 eigentlich gar nicht nötig hat. Zumindest erhielten wir schon Testfahrzeuge eines nicht unbedeutenden amerikanischen Mitbewerbers, die deutlich nachlässiger montiert waren, mehr Wind- und Knarzgeräusche entwickelten. Der U6 wirkt nicht nur von außen ordentlich verarbeitet, sondern auch innen. Speziell nach direktem Abgleich mit einem Serienmodell, das allerdings nur statisch verfügbar ist. Schick ist er geworden, ein erkennbarer Style-Fortschritt gegenüber dem eher sachlichen SUV U5.

Der U6 kombiniert luftiges Raumgefühl vorn und hinten mit reichlich Kofferraum unter der großen Klappe mit gemütlichem und modernem Ambiente. Weder erschreckend reduziert noch Bling Bling-Barock für die vorgebliche Asien-Kundschaft. Im Gegenteil, der U6 wirkt ebenso Weltmarkt-gängig wie Europatauglich.

Alles im Blick – dank Radar und Kameras

Wozu vor allem die Cockpitgestaltung beiträgt. Direkt vor dem Fahrer mit dem kleinen 8,2-Zoll-Display für essenzielle Informationen wie Tempo und Ladestand und in der Mitte einem hochauflösenden, berührungsreaktiven 14,6-Zoll-Hauptscreen, auf dem man sich, auf körpergerechten Ledersitzen kuschelnd die wesentlichen Funktionen ertoucht. In den Tiefen der Menüs finden sich auch die Einstellungen der elf Assistenzsysteme, die mit 22 Radar- und Kamerasystemen (Sensorik und Software gemeinsam mit Continental und Mobileye entwickelt und eingepasst) sowohl das Umfeld als auch den Fahrer im Blick haben. Wer zur Seite schaut oder gar beim Fahren raucht, wird sofort ermahnt. Wie üblich verzichtet Aiways auf eine ins Auto integrierte Navigation, setzt stattdessen auf Smartphone-Integration mit Apple Carplay und Android Auto, was auch die Updates erleichtert. Bei der Ladeplanung liefert die Pump-App dank Zugriff auf die Fahrzeugdaten eine optimierte Routenführung samt Ladestopp-Planung mit Echtzeit-Daten.

Souverän und stressfrei

Hinzu kommt Nettes wie eine vielfarbige und vielseitige Ambientebeleuchtung, die teils verdeckten Luftauslässe für zugfreie Klimatisierung plus eine klangstarke Magnat-Musikanlage. Oder der Fahrstufenregler, der optisch an den Gashebel eines Flugzeugs erinnert, dessen Bedienwalze dessen die Funktion aber der eines Gasgriffes beim Motorrad ähnelt. Sobald “D” drin ist, summt der U6 los. Sein Radstand zehn Millimeter kürzer als beim U5, die Außenlänge um 52 gestreckt sieht er nicht nur sportiver aus, er fährt auch präzise und stressfrei. Wozu die Lenkung ihren Teil beiträgt. Weder superdirekt noch zu Tode sediert führt sie den vorderradgetriebenen 1,8-Tonner entspannt und ausreichend präzise durch die Stadt, über Schnellstraßen und dabei problemlos durch Kurven, wie sich auf unserer ausgiebigen Tour Richtung Alpen zeigt. Beim Ansprechen aus der Mittellage st noch Luft für Feinarbeit, bis zum Marktstart soll das aber erledigt sein.

Höher drehen, weniger brauchen

Schon jetzt mit Vorserien-Setup zeigt die Fahrwerksabstimmung einen ordentlichen Kompromiss aus Komfort und Rückmeldung. Der neue, von Aiways selbst entwickelte und gebaute Permanent-Synchronmotor dreht mit maximal 16.000/min ein Viertel höher als die meisten Mitbewerber, kann laut Aiways durch die deshalb größere Drehzahlspanne kleiner und leichter bauen, da weniger magnetisch aktives Material nötig ist. Rund 15 Prozent Gewicht will man so gespart haben, größtenteils Erze und seltene Erden.

Die 218 PS und 315 Newtonmeter starke E-Maschine läuft jedenfalls kultiviert und kräftig, die 6,9 Sekunden auf 100 sind glaubhaft. Ähnlich wie die Reichweite von 400 Kilometern, jedenfalls bei entspannter Fahrweise. Der aus dem U5 bekannte 63 kWh-Akku mit den 24 CATL-Modulen wird mithilfe einer serienmäßigen Wärmepumpe temperiert (die ebenfalls für E-Maschine und Innenraum zuständig ist) und lässt sich mit bis zu 90 kW am Schnelllader und 11 kW an der Dreiphasen-Wallbox laden. Hier bietet der Wettbewerb zum Teil deutlich mehr. Immerhin steht der U6 für eine typische 20 bis 80 Prozent Ladung erträgliche 35 Minuten an der Ladesäule, ein Vollhub an der Wallbox soll sieben Stunden dauern. Etwa so lange wie unsere heutige Tour auf der sich der U6 als angenehm zu fahrender, komfortabler Elektro-Kumpel erwies. Einer der dich lieber entspannt ans Ziel bringt als permanent das Reifengummi der Vorderräder auf die Karkasse herunterzuhobeln. Insofern keine schlechten Aussichten. Zumindest für alle, die sich mit dem Service bei ATU arrangieren können.

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