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Wie der FDP-Verkehrsminister den Autofahrern Märchen erzählt hat

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wie der fdp-verkehrsminister den autofahrern märchen erzählt hat Viehmann Fahrverbot forever: Dieses Auto fährt keinen Meter mehr

Wackelt das Brüsseler Verbrenner-Aus wirklich? Es scheint so – aber nur auf den ersten Blick. Ein Blick hinter die EU-Kulissen zeigt, dass es wohl eher um wahltaktisches Geplänkel geht als um einen wirklichen Kurswechsel. Ein Gastbeitrag.

So macht sich der deutsche Verkehrsminister wohl keine Freunde: Wie bereits bei der Abstimmung über die Pkw-Flottengrenzwerte im März 2023 hat Volker Wissing auch die Entscheidung über die CO2-Standards für Lkw und Busse am 9. Februar zu einem „Game of Chicken“ umfunktioniert. Bei dieser spieltheoretischen Figur rasen zwei Sportwagen auf einer engen Straße aufeinander zu. Wer ausweicht, hat verloren; weicht keiner aus, kommt es unweigerlich zum Crash.

Verbrenner-Aus und Wissings „Game of Chicken“

Einen solchen politischen Crash in Form eines Gesichtsverlustes zu vermeiden, ist ein Handlungsprinzip, das Politiker in der Regel bereits mit jungen Jahren lernen. Es muss aber zwangsläufig zu einem massiven Gesichtsverlust kommen, wenn ein zentraler Akteur wie der Bundesverkehrsminister kurz vor der finalen Abstimmung des EU-Verkehrsministerrates nach einem langwierigen Trilog-Verfahren plötzlich die Veto-Position einnimmt und sozusagen frontal auf den entgegenkommenden Konvoi zurast. Ein solches Verhalten desavouiert im politischen Ökosystem der EU die anderen Beteiligten und zeugt auch von schlechtem Stil. Letzteres gilt auch, wenn man den Mechanismen der Entscheidungsfindung in den EU-Gremien grundsätzlich kritisch gegenübersteht.

Flottengrenzwerte sind ökonomisch ineffizient

Jetzt könnte man auf das Prinzip „Der Zweck heiligt die Mittel“ verweisen und argumentieren, dass Deutschland bzw. die FDP auf diese Weise ein kontraproduktives Verbrennerverbot für Pkw in der EU ab dem Jahre 2035 verhindert und das ökonomisch ineffiziente und dysfunktionale Instrument der CO2-Flottengrenzwerte zumindest aufgeweicht haben. Diese sehen bis 2030 eine geplante Reduktion der CO2-Emissionen neu zugelassener Pkw-Flotten um 55 % gegenüber dem Jahr 2021 vor; für das Jahr 2035 gilt ein Zielwert von 100 %, d.h. faktisch wäre es dann untersagt, neue Verbrenner zuzulassen.

wie der fdp-verkehrsminister den autofahrern märchen erzählt hat Andreas Arnold/dpa Investitionen in den Nahverkehr oder den Rücktritt von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) – das hat die Grüne Jugend gefordert.

Der Bilanzbetrug der EU beim Elektroauto

Zentraler Streitpunkt der Beteiligten ist die Rolle von synthetischen Kraftstoffen (E-Fuels), die faktisch zu einer erheblichen Reduktion der CO2-Emissionen des Kfz-Betriebs beitragen können, aber im Regime der EU-Flottenstandards keine Rolle spielen, da lediglich die direkten Emissionen aus dem Auspuff (“End of pipe” bzw. „Tailpipe Emissions“) betrachtet werden. Emissionsfrei sind im Rahmen dieses Regulierungssystems am Ende nur batterieelektrische Fahrzeuge. Es wird dabei allerdings komplett ausgeblendet, Neue VDI-Studie – Erst nach 90.000 Kilometern fährt das E-Auto klimafreundlicher als der Verbrenner . Umgekehrt darf eine Anrechnung der CO2-Emissionsminderungen durch E-Fuels auf die Flottengrenzwerte nicht stattfinden.

In der Tat lobte sich Bundesverkehrsminister Wissing nach dem Chicken Game um die Pkw-Flottengrenzwerte im letzten Jahr selbst und stellte seinen Verhandlungserfolg heraus: „Ich begrüße die heutige Erklärung der EU-Kommission, mit E-Fuels betriebene Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor ab 2035 neu zuzulassen“.

Wissing ließ sich wegen E-Fuels feiern – doch was hat er wirklich erreicht?

Auch im Nachgang zur aktuell beschlossenen Verschärfung der Emissionsregulierung der schweren Lkw und Busse – hier sollen die Flottenemissionen bis 2035 und 60 und bis 2040 um 90 Prozent reduziert werden – ließ er verlauten, dass er sich in den Verhandlungen erfolgreich durchgesetzt habe und Lkw’s und Busse, die ausschließlich mit sogenannten E-Fuels betrieben werden, in Zukunft unbefristet zugelassen werden könnten.

wie der fdp-verkehrsminister den autofahrern märchen erzählt hat Autoren-Union Mobilität/Daimler Truck Elektro- und Wasserstoff-LKW von Daimler Truck

Tatsächlich ist das Verhandlungsergebnis aber eher mau und es steht in den Sternen, ob Pkw oder Lkw mit Verbrennungsmotoren, die ausschließlich mit E-Fuels betrieben werden, tatsächlich in Zukunft eine Rolle auf den Straßen spielen werden. Auch eine Anrechnung derartiger Kraftstoffe auf die Flottengrenzwerte ist nicht automatisch vorgesehen.

„Politischen Crash gesichtswahrend beschönigen“

Dies liegt vor allem an den offensichtlichen Widersprüchen der Positionen der EU-Kommission und des deutschen Verkehrsministeriums, die in einem faulen Kompromiss gesichtswahrend überdeckt werden mussten, um den politischen Crash zu beschönigen. So enthielt die Neufassung der Verordnung zu den EU-Flottengrenzwerten für Pkw bereits vor dem finalen Showdown einen sogenannten Erwägungsgrund 11 vor dem eigentlichen Verordnungstext, der eine Option des Betriebs von Verbrennerfahrzeugen mit synthetischen Kraftstoffen offenhält – mehr aber auch nicht:

„Nach Konsultation der Interessenträger wird die Kommission — in Übereinstimmung mit dem Unionsrecht, außerhalb des Geltungsbereichs der Flottenzielwerte und in Übereinstimmung mit dem Ziel der Klimaneutralität der Union — einen Vorschlag für die Zulassung nach 2035 von Fahrzeugen, die ausschließlich mit CO2-neutralen Kraftstoffen betrieben werden, vorlegen” (Quelle).

wie der fdp-verkehrsminister den autofahrern märchen erzählt hat privat Prof. Dr.Alexander Eisenkopf ist Inhaber des ZEPPELIN- Lehrstuhls für Wirtschafts- und Verkehrspolitik an der Zeppelin Universität Friedrichshafen

Die EU ist bei E-Fuels zu nichts verpflichtet

Dieser „Erwägungsgrund“ allein bot Minister Wissing damals zu wenig Substanz. Als Jurist war ihm immerhin klar, dass hieraus nur ein begrenztes Commitment der EU-Kommission resultiert. Erwägungsgründe sind in Streitfällen selbstverständlich bei der Auslegung des Gesetzestextes zu berücksichtigen. In diesem Fall handelt es sich aber um eine Selbstbindung der EU-Kommission, die komplett außerhalb der Systematik der eigentlichen Verordnung steht und so letztlich zu nichts verpflichtet.

wie der fdp-verkehrsminister den autofahrern märchen erzählt hat Mercedes-Benz Verbrenner-Aus verschoben: Mercedes streicht E-Auto-Ziele

Daher beharrte Deutschland im Verkehrsministerrat auch auf einer zusätzlichen Protokollerkärung, in der sich die EU-Kommission verpflichtet, die Umsetzung des Erwägungsgrundes 11 unverzüglich anzugehen und bis zum Herbst 2023 auch einen delegierten Rechtsakt vorschlagen, in dem festgelegt wird, wie Fahrzeuge, die ausschließlich mit E-Fuels betrieben werden, zu den CO2 -Emissionsreduktionszielen beitragen können.

Wie Klima-Kommissar Timmermanns Wissing austrickste

Recht widerwillig akzeptierte der damals zuständige EU-Kommissar Timmermanns seinerzeit diese Protokollerklärung und twitterte gleichzeitig: „With @EUCouncil’s final vote today the EU has taken an important step towards zero-emission mobility. The direction is clear: in 2035 new cars and vans must have zero emissions. It brings a big contribution to climate neutrality by 2050 and is a key part of the #EUGreenDeal.”

Jetzt wartet Autopapst mit einer schlechten Nachricht für E-Auto-Kunden auf

Faktisch ist, wie nach diesem Tweet zu erwarten war, bisher wenig passiert und der notwendige Verordnungsentwurf für eine Typengenehmigung von ausschließlich mit E-Fuels betriebenen Pkw wird derzeit zwischen den Mühlsteinen der EU-Bürokratie zerrieben. Da nicht absehbar ist, dass die Kommission in ihren letzten Monaten dieses Verfahren mit großem Engagement betreibt und es sehr schwer werden dürfte, unter den Mitgliedsstaaten eine Mehrheit für eine Aufweichung der Flottenstandards zu organisieren, bleibt die Behauptung eine Schimäre, dass dank des heldenhaften Einsatzes des FDP-Verkehrsministers der Weg für Verbrenner, die ausschließlich mit CO2-neutralen Kraftstoffen betankt werden, freigemacht wurde. Noch realitätsferner klingt die Forderung der FDP im Wahlprogramm für die Europawahl, dass man das Regime der Flottengrenzwerte ersatzlos abschaffen werde.

Die Feinheiten des EU-Rechts

Besonders pikant wird das Selbstlob des deutschen Verkehrsministers aber, wenn man sich anhand der auf der Internetpräsenz der europäischen Institutionen sehr präzise dokumentierten Genese der novellierten Flottengrenzwertverordnung für Pkw anschaut, wie der berühmt-berüchtigte Erwägungsgrund 11 in die Verordnung überhaupt hineinkam. Er war weder in dem von der Kommission im Juli 2021 vorgelegten ersten Entwurf noch in späteren Fassungen vorhanden, sondern wurde erst am 14. Februar 2023 im Zuge der abschließenden Beratungen des Europäischen Parlaments eingefügt.

Solche Ergänzungen bzw. Änderungsvorschläge eines Gesetzestextes (Amendments) kommen in dieser Phase ausschließlich aus dem Kreis des Parlaments, nicht von der Kommission. In der Sitzung des EU-Parlaments vom 14.02.23 wurden zwei Amendments zur Flottengrenzwertverordnung beraten. Amendment 132, das die pauschale Ablehnung der Verordnung beinhaltete, hatte die ID-Fraktion, laut Wikipedia eine „Fraktion rechtspopulistischer, nationalistischer und rechtsextremer Parteien“, vorgelegt. Es wurde umgehend abgelehnt. Dagegen erfuhr das Amendment 131, in dem auch der Erwägungsgrund 11 enthalten war, die Zustimmung des Parlaments.

Amendment 131 wurde vom Abgeordneten Pascal Canfin für das Committee on the Environment, Public Health and Food Safety eingebracht. Canfin ist zwar Mitglied der Fraktion Renew Europe, zu der auch die FDP-Abgeordneten gehören, war aber in der Vergangenheit Mitglied der Fraktion der Grünen / Freie Europäische Allianz und zog 2019 als Parteiloser ins EU-Parlament ein.

Der Clou an der Sache ist nun, dass die EU-Abgeordneten mit FDP-Parteibuch in der Renew-Fraktion geschlossen gegen das Amendment 131 und somit auch gegen den Erwägungsgrund 11 gestimmt haben, der E-Fuels erst ermöglichen sollte. Dem Amendment 132 (Ablehnung der Regulierung) haben umgekehrt nicht alle FDP-Parlamentarier zugestimmt – es wurde ja von der falschen Fraktion vorgetragen.

Das paradoxe Abstimungsverhalten der FDP beim Verbrenner-Aus

Vor dem Hintergrund dieses Abstimmungsverhaltens ist es absolut nicht gerechtfertigt, wenn die FDP-Verkehrspolitik sich heute für den Erfolg ihres Kampfes gegen die EU-Flottengrenzwerte feiert und eine Abkehr von den Flottengrenzwerten verspricht. Aus welchen Gründen auch immer haben ihre Vertreter damals genau die Ergänzung der Richtlinie abgelehnt, die heute Basis der Propaganda ist, dass die FDP erfolgreich ein Verbrennerverbot verhindert habe.

Von dieser Kampagne bleibt am Ende wohl nicht viel mehr als heiße Luft – und im Falle des Lkw-Verbrennerverbots ein ähnlich unverbindlicher Erwägungsgrund, der auch noch vom EU-Parlament angenommen werden muss. Ebenso durchschaubar ist die aktuelle Einlassung von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, dass in der Flottengrenzwertverordnung 2026 eine Bestandsaufnahme und Überprüfung der Regelungen vorgesehen sei, der Verbrenner also noch nicht wirklich tot sei. Unter der Perspektive ihrer erneuten Präsidentschaft und ohne eine radikalen Politikwechsel in Brüssel ist und bleibt das ein rein taktisches Wahlkampfmanöver.

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